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Anti-Dumping-Zölle können die Kalkulation von Importeuren zum Platzen bringen

Die EU stellt sich durch Anti-Dumping-Zölle vor europäische Firmen, wenn Hersteller aus Drittstaaten ihre Ware zu künstlich niedrigen Preisen anbieten. Ein Schutzmechanismus, der Unternehmen um Kopf und Kragen bringen kann.

Anti-Dumping-Zölle können die Kalkulation von Importeuren zum Platzen bringen

Im Interview: Hans-Michael Wolffgang

Anti-Dumping-Zölle können die Kalkulation von Importeuren zum Platzen bringen

Der AWB-Partner zu den Risiken eines Schutzmechanismus für europäische Unternehmen

Herr Wolffgang, mit Anti-Dumping-Zöllen will die EU europäische Unternehmen vor unfairen Wettbewerbern schützen, die ihre Produkte zu künstlich niedrigen Preisen anbieten, etwa weil sie stark subventioniert sind. Welche Auswirkungen ergeben sich für Firmen, die solche Waren beziehen?

Der Import von Waren, die unter die Anti-Dumping-Regelungen der EU fallen, kann für Unternehmen sehr teuer werden. Ein großes Risiko sind dabei die immensen Preisspannen von 4 bis existenzbedrohlichen 100 Prozentpunkten oder mehr über den regulären Zöllen. Das bringt die Kalkulation von Importeuren zum Platzen. Dazu kommt die Gefahr von sogenannten Nacherhebungen, die Firmen noch bis zu drei Jahre nach der Einfuhr entsprechender Waren treffen können. Bei Fehlern in der Warenbezeichnung, der Zolltarifposition, dem Ursprung oder bei Umgehungstransporten sind in schweren Fällen Millionensummen zu zahlen. Neben den finanziellen Risiken kommen dann die Vorwürfe eines möglicherweise strafbaren Verhaltens hinzu, neben strafrechtlichen Ermittlungen und Anklagen sind dann Nachforderungen bis zu zehn Jahre lang zulässig.

Wie werden die Anti-Dumping-Zölle festgelegt?

Anti-Dumping-Zölle werden zusätzlich zu den regulären Einfuhrabgaben erhoben. Die Höhe von Anti-Dumping-Zöllen richtet sich nach einer Vielzahl von einzelnen Verordnungen der EU, die anhand von Warenbeschreibungen, tariflichen Codenummern, Ursprungsland und Hersteller die Zollsätze nach Gewicht, Stück oder Prozentsatz des Warenwerts festlegen. Richtig teuer wird es beispielsweise gerade bei Importen aus China mit Zollsätzen von knapp 70% bei Keramikfliesen oder 90% bei Eisen- und Stahlrohren. Keramikfliesen aus Indien sind mit Zollsätzen unter 10% im Vergleich günstig.

Welche Warengruppen sind betroffen?

Von Anti-Dumping-Zöllen werden Produkte quer durch den Warenkatalog betroffen. Das beginnt bei A wie Aluminium und reicht bis Z wie Zuckermais. Dazwischen sind Erzeugnisse aus Glasfasern, Garne aus Polyester, Luftreifen für Lkw, Stahlerzeugnisse oder Windkraftanlagen. Die Maßnahmen sind immer gegen Produkte mit Ursprung in bestimmten Ländern gerichtet, sehr häufig ist es China. Aktuell unterliegen viele Fahrradteile aus verschiedensten Ländern den Zöllen.

Ist die Zollfestsetzung für Außenstehende transparent?

Grundsätzlich ja, da die Anti-Dumping-Zollsätze im elektronischen Zolltarif auf der Homepage der Zollverwaltung frei zugänglich sind. Allerdings können sich Unternehmen nicht abschließend auf die Zolltarifposition verlassen, denn laut EuGH-Rechtsprechung kommt es auf die Beschreibung der Ware in der Anti-Dumping-Verordnung an. Diese kann von der im Zolltarif erfassten Ware abweichen – sowohl zum Vorteil des Einführers als auch zum Nachteil.

Wie sollten Unternehmen mit der Unsicherheit im Importgeschäft umgehen?

Intensive Vorbereitungen sind für Unternehmen bares Geld wert. Bei Importgeschäften mit sensiblen Gütern oder Ländern sollten die Anti-Dumping-Maßnahmen früh geprüft und laufend überwacht werden. Verbindliche Auskünfte über die tarifliche Codenummer oder den Waren-Ursprung sind bereits vor der Einfuhr einzuholen. Auch über die eigene Lieferkette sollten Firmen bestens Bescheid wissen, hier helfen Zertifikate aus unabhängigen Prüfbüros. Die EU-Kommission muss ein umfangreiches Untersuchungsverfahren durchführen, bevor sie Anti-Dumping-Zölle erhebt. Eine Beteiligung hieran kann sich für betroffene Unternehmen lohnen, denn für die freiwillige Mitwirkung sind günstigere Zollsätze für manche Hersteller möglich.

Wie können sich Betriebe vor Überraschungen schützen?

Die große Tücke bei Anti-Dumping-Zöllen ist, dass sie verschuldensunabhängig erhoben werden. Selbst Unternehmen, die alle Sorgfaltspflichten einhalten und Opfer eines Betrugsfalls werden, beispielsweise in der Lieferkette, müssen zahlen. Ein 100-Prozent-Schutz ist nicht möglich. Allerdings können die Importeure die Risiken minimieren, indem sie Eigenschaften und Ursprung der Waren eindeutig bestimmen, Lieferquellen mit Bedacht auswählen, diese genau dokumentieren und unabhängige Prüfungsstellen beauftragen.

Prof. Dr. Hans-Michael Wolffgang ist Gründungspartner und Steuerberater von AWB.
Die Fragen stellte Helmut Kipp.
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