GastbeitragMehrere Tatbeteiligte

Bandenkriminalität in Banken und Unternehmen

Arbeiten mehrere Personen bei einer Straftat zusammen, werden sie als Bande behandelt. Wer in seinem Unternehmen Anhaltspunkte für strafbares Verhalten erkennt, sollte auf Distanz gehen.

Bandenkriminalität in Banken und Unternehmen

Bandenkriminalität in Banken
und Unternehmen

Bei Zweifeln an der Rechtmäßigkeit Einschätzung der zuständigen Abteilungen einholen

Von Markus Adick *)

Fehlverhalten im Banken- und Finanzsektor wird auch strafrechtlich konsequent bekämpft. Auch nur am Rande eingebundene oder im Ausland ansässige Mitarbeitende sind gefährdet: Wer z.B. auf problematischen E-Mails einkopiert war oder sich in die falsche Telefonkonferenz eingewählt hat, kann in das Visier der Staatsanwaltschaft geraten. Ermittlungen werden eingeleitet, wenn konkrete Tatsachen es möglich erscheinen lassen, jemand habe eine Straftat begangen oder daran teilgenommen. Besonders riskant ist es, wenn der Eindruck entsteht, in der betroffenen Bank oder dem Unternehmen habe sich eine Bandenstruktur entwickelt.

Wirtschaftskriminalität ist oft schwer zu ermitteln. Eine der Ursachen hierfür liegt in oftmals internationalen arbeitsteiligen Strukturen. Ob Steuererklärungen, irreführende Angaben über Finanzprodukte oder andere Facetten von Unternehmenskriminalität: Häufig kommt eine Vielzahl von Personen mit einem Sachverhalt in Berührung, bevor die eigentliche Tathandlung begangen wird. Kaum eine Steuererklärung oder ein Finanzprodukt wird entwickelt oder vertrieben, ohne dass mehrere Abteilungen eingebunden werden, die ihren Sitz zudem häufig in unterschiedlichen Ländern haben.

Wer ist verantwortlich?

Dies wirft die Frage auf, wer aus diesem Personenkreis wegen Steuerhinterziehung, Kapitalanlagebetrug o.a. Wirtschaftsdelikte zur Verantwortung gezogen werden kann. Wird als Täter nur der CEO angesehen, der z.B. eine Steuererklärung gegenüber dem deutschen Finanzamt abgegeben oder einen Fondsprospekt freigezeichnet hat? Oder sind auch Mitarbeitende der Steuerabteilung in den Niederlanden oder in London ansässige Produktentwickler verantwortlich? Die Praxis zeigt, dass Mitarbeiter jeder Hierarchiestufe und ungeachtet ihrer Ansässigkeit persönlich verfolgt werden.

Wechselseitige Zurechnung von Tatbeiträgen

Zwar wird in der Regel nur eine Person oder ein Gremium von Personen eine Steuererklärung abgeben, einen Fondsprospekt zur Veröffentlichung freigeben etc. Deshalb ist jedoch der Kreis potenzieller Täter nicht auf diese Personen beschränkt. Vielmehr kann die Strafbarkeit zahlreiche weitere Personen erfassen. Rechtlich funktioniert dies über die sog. wechselseitige Zurechnung von Tatbeiträgen.

Damit werden insbesondere Fälle erfasst, in denen mehrere Personen arbeitsteilig zusammenwirken und jeder einen Beitrag leistet, der sich am Ende zu einem großen Ganzen – z.B. der falschen Steuererklärung oder einem irreführenden Fondsprospekt – zusammenfügt.

Die Rechtsprechung nimmt eine solche Zurechnung vor, indem sie die beteiligten Personen als Bande behandelt. Der ursprünglich mit organisierter Kriminalität assoziierte Begriff hat sich auch für die sog. „Weiße-Kragen-Kriminalität“ etabliert. So hatte der Bundesgerichtshof (BGH) in einem Strafverfahren gegen Bankmitarbeiter wegen Steuerhinterziehung im CO2-Zertfikate-Handel im Jahr 2018 betont, dass auch in Banken eine Bandenstruktur herrschen kann, die zur Erstreckung der Strafbarkeit auf untergeordnete Mitarbeiter führen kann.

Mindestens drei Personen

Im Sommer 2023 hat der BGH nochmals zu den Voraussetzungen einer Bandenstrafbarkeit Stellung genommen. Hiernach setzt eine Bande den Zusammenschluss von mindestens drei Personen voraus, die sich mit dem Willen verbunden haben, künftig Straftaten zu begehen. Ein gefestigter Bandenwille oder ein übergeordnetes Bandeninteresse ist nicht erforderlich. Auch ein Mindestmaß an konkreter Organisation oder festgelegte Strukturen benötigt die Rechtsprechung nicht.

Als Bandenmitglied sehen die Bundesrichter jede Person an, die in die Organisation der Bande eingebunden ist, die dort geltenden Regeln akzeptiert, zum Fortbestand der Bande beiträgt und sich an den Straftaten als Täter oder Teilnehmer beteiligt. Es ist aber nicht erforderlich, dass sich alle Bandenmitglieder persönlich miteinander verabreden oder einander kennen. Deshalb kann sogar bei arbeitsteiligem Zusammenwirken über Landes- und Unternehmensgrenzen hinweg eine Bande vorliegen.

Hierdurch werden auch Mitarbeitende, die in untergeordneter Stellung und weit vom Arbeitsergebnis entfernt eingebunden sind, zu potenziellen Beschuldigten. Es genügt, dass sich jeder bewusst ist, dass neben ihm noch andere mitwirken und diese vom gleichen Bewusstsein erfüllt sind. Eine Mitgliedschaft in der Bande soll nach dem BGH z.B. in Betracht kommen, wenn Mitarbeitende koordiniert zusammenwirken, um lukrative, aber strafbare Geschäfte zu machen, die den Gewinn der Bank und ihr eigenes Ansehen steigern.

Auf Distanz gehen

Wer in seinem Unternehmen oder in seiner Bank Anhaltspunkte für strafbares Verhalten erkennt, sollte deshalb auf Distanz gehen. Insbesondere sollten keine Beiträge geleistet werden, die eine Staatsanwaltschaft später als Förderung des deliktischen Verhaltens und Einfügen in eine Bandenstruktur interpretieren könnte. Dies gilt auch für sog. berufstypische Handlungen und reicht bis zur Teilnahme an Besprechungen bzw. Video- oder Telefonkonferenzen. Denn auch solche äußerlich neutralen Tätigkeiten verlieren ihren Alltagscharakter, wenn sie im Wissen um den strafbaren Kontext erbracht werden.

Deshalb empfiehlt es sich, bei entsprechenden Störgefühlen oder Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Vorgehens intern die Einschätzung der zuständigen Abteilungen (z.B. Compliance oder Legal) einzuholen.

*) Dr. Markus Adick ist Partner der Kanzlei Adick Linke.

Dr. Markus Adick

Partner der Kanzlei Adick Linke