AWV-Novelle

Berlin verschärft Investitionskontrolle

Mit der erneuten Novellierung der Außenwirtschaftsverordnung (AWV) werden die Meldepflichten bei Unternehmenserwerben deutlich ausgeweitet.

Berlin verschärft Investitionskontrolle

Von Christoph Barth und David-Julien dos Santos Goncalves*)

Die in Außenwirtschaftsgesetz (AWG) und Außenwirtschaftsverordnung (AWV) geregelte Investitionskontrolle war in den vergangenen Jahren Gegenstand wesentlicher Überarbeitungen und Erweiterungen. Allein im vergangenen Jahr kam es zu drei Novellen mit signifikanten Anpassungen des Rechtsrahmens. Die Dynamik dieses Rechtsgebiets, in dem Deutschland innerhalb von Europa eine klare Vorreiterrolle innehat, ist bemerkenswert. Durch die erneute Novelle nimmt die Investitionskontrolle weiter an Komplexität und Reichweite zu.

Die am 27. April 2021 im Bundeskabinett verabschiedete und am 1. Mai in Kraft tretende 17. AWV-Novelle markiert insoweit einen wichtigen weiteren Schritt zur Angleichung an die sicherheitspolitische Bewertung der EU-Screening-Verordnung aus 2019. Es wird die Meldepflicht für Beteiligungserwerbe an inländischen Unternehmen spürbar ausgeweitet und der Anwendungsbereich der Investitionskontrolle schätzungsweise verdreifacht. Auch wenn die Zahl der Prüfverfahren deutlich steigen wird, ist zu erwarten, dass die Untersagung von Transaktionen die Ausnahme bleibt.

Mehr sensitive Sektoren

Durch die 17. AWV-Novelle werden 16 neue Sektoren aufgenommen, in denen Investitionen eines nichteuropäischen Erwerbers eine Meldepflicht auslösen können. Im Fokus stehen insbesondere deutsche Zukunfts- und Hochtechnologieunternehmen. Hierzu gehören u. a. die Bereiche künstliche Intelligenz, autonomes Fahren, Robotics, Halbleiterindustrie, IT-Security, Optoelektronik, Quantentechnologie, 3-D-Druck, drahtlose und drahtgebundene Datennetzgüter und Smart-Meter-Gateways. Für diese neu hinzugenommenen Sektoren gilt eine Meldeschwelle von 20% der Stimmrechte. Für die weiteren bis dato schon als sensitiv klassifizierten Sektoren bleibt es bei der bisherigen niedrigeren 10-%-Meldeschwelle.

Für nichtdeutsche Investoren gibt es zudem wesentliche Erweiterungen in der sogenannten „sektorspezifischen“ Investitionskontrolle, die künftig unter anderem auch Unternehmen erfasst, die in der engeren Wertschöpfungskette der Ausfuhrliste tätig sind. Insoweit gilt eine 10-%-Meldeschwelle.

Begrüßenswert ist eine Rücknahme der Investitionskontrolle bei „Hinzuerwerben“. Während bisher auch Kleinsterwerbe meldepflichtig waren, obschon ein Investor zuvor eine Freigabe für die erstmalige Überschreitung eines Schwellenwertes erhalten hatte, wurden nun Schwellen von 20%, 25%, 40%, 50% und 75% eingezogen. Nur bei Erreichen oder Überschreiten dieser Schwellen entsteht künftige eine erneute Meldepflicht.

Auch unterhalb der benannten Schwellen soll künftig eine Prüfmöglichkeit des Bundeswirtschaftsministeriums in Fällen eines „atypischen Kontrollerwerbs“ bestehen. Dies erfasst Konstellationen, in denen der Erwerber im Vergleich zu seinem eigentlichen Stimmrechtsanteil ein überproportionales Gewicht und somit besondere Einflussmöglichkeiten erlangt, zum Beispiel durch zusätzliche Beteiligung in Aufsichtsgremien oder der Geschäftsführung, Vetorechte oder durch bestimmte Informationsrechte. Solche Konstellationen lösen lediglich ein Prüfrecht der Behörde, aber keine Meldepflicht aus. In Einzelfällen mag aber eine freiwillige Meldung zu erwägen sein.

Erfreulich sind die Neuregelungen durch die parallel laufende AWG-Reform in Bezug auf öffentliche Übernahmen. Hiernach können durch Rechtsverordnung Ausnahmen vom bislang starren investitionskontrollrechtlichen Vollzugsverbot für öffentliche Übernahmeangebote geregelt werden. Eine Umsetzung dieser Verordnungsermächtigung wird im Sommer erwartet. Ebenso werden in engen Grenzen konzerninterne Umstrukturierungen von einer Meldepflicht ausgenommen.

Während konzeptionell nach dieser Novelle weitgehend ein „level playing field“ innerhalb der EU, in der 18 Mitgliedstaaten Investitionskontrollregime haben, besteht, so weicht die jeweilige nationale Regelungstechnik jedoch deutlich voneinander ab. Für betroffene Unternehmen bedeutet dies einen Flickenteppich graduell unterschiedlicher Aufgreifkonzepte und ein hochkomplexes Nebeneinander dieser Regime (sowie global einer zunehmenden Zahl ähnlicher Eingriffsinstrumente). Hinzu treten teils drakonische Strafandrohungen bei Verstößen gegen gesetzlich angedrohte Vollzugsverbote, die von einem Mehrfachen des Transaktionswertes (zum Beispiel Italien) bis zu Haftstrafenandrohung (so zum Beispiel Deutschland) reichen können.

In Deutschland erhöht die 17. AWV-Novelle die Komplexität der Investitionskontrolle weiter. Obschon sich der Verordnungsgeber erfreulicherweise um einen hohen Präzisierungsgrad bemüht hat, mögen auch künftig klare Ergebnisse aufgrund der qualitativen Bestimmung der meldepflichtigen Sektoren nicht immer erreichbar sein. Die Eingriffsschärfe der Investitionskontrolle wird auch so künftig wesentlich durch die praktische Handhabe seitens des Bundeswirtschaftsministeriums bestimmt – erfreulicherweise sieht die Verordnung insoweit einen wesentlichen Personalzuwachs vor, um der erwartbar höheren Zahl an Fällen begegnen zu können.

*) Christoph Barth ist Partner und Dr. David-Julien dos Santos Goncalves Managing Associate bei Linklaters in Düsseldorf.