Coronakrise

BGH sorgt für Klarheit bei D&O-Versicherungen

Die Coronakrise sorgt weiterhin bei vielen Unternehmen für finanziellen Druck, der eine Insolvenz zur Folge haben kann. Hier wollen Führungskräfte ihre persönlichen Risiken abgedeckt wissen. Sie erwarten umfassenden Schutz durch „ihre“...

BGH sorgt für Klarheit bei D&O-Versicherungen

Von Karsten Kiesel*)

Die Coronakrise sorgt weiterhin bei vielen Unternehmen für finanziellen Druck, der eine Insolvenz zur Folge haben kann. Hier wollen Führungskräfte ihre persönlichen Risiken abgedeckt wissen. Sie erwarten umfassenden Schutz durch „ihre“ D&O-Versicherung auch, wenn trotz Insolvenzreife noch Zahlungen geleistet wurden, die der Insolvenzverwalter erstattet haben will. Hier verweigerten D&O-Versicherungen bislang oft die Freistellung mit dem Hinweis, solche Ansprüche seien keine­ Schadenersatzansprüche und von den Versicherungsbedingungen nicht gedeckt.

Diese Auffassung von Versicherungen wurde durch Entscheidungen von verschiedenen Oberlandesgerichten gestützt. Gut beratene Führungskräfte sorgten also dafür, dass solche krisenspezifischen Ansprüche beim Abschluss oder der Verlängerung von Versicherungsverträgen mitversichert wurden.

Unternehmensorganen drohte sonst die Privatinsolvenz – oder sie mussten selbst gegen die Versicherung klagen. Diese Deckungslücke in zahlreichen D&O-Versicherungen wurde von den Karlsruher Richtern nun geschlossen: Sie legten die D&O-Versicherungsbedingungen so aus, dass für Ansprüche wegen Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife grundsätzlich Deckung besteht.

Die neue Entscheidung fiel im Kontext eines Insolvenzverfahrens. Der Insolvenzverwalter hatte gegen den Geschäftsführer des zahlungsunfähigen Unternehmens Ansprüche geltend gemacht, weil dieser trotz Insolvenzreife noch Zahlungen geleistet hatte. Der Geschäftsführer hatte daraufhin seine Deckungsansprüche gegen die D&O-Versicherung an den Insolvenzverwalter abgetreten, der dann die Versicherungsgesellschaft verklagte. Diese hatte geltend gemacht, dass es sich um einen „Ersatzanspruch eigener Art“ handele, der kein Schadenersatzanspruch und damit nicht versichert sei.

Der BGH folgte dieser Argumentation nicht. Er stellte vielmehr darauf ab, dass man Versicherungsschutz in solchen Fällen unabhängig von der dogmatischen Einordnung erwarten könne und die Einbeziehung solcher Ansprüche dem Zweck des Versicherungsvertrags entsprechen würde. Deshalb können Unternehmensorgane nun davon ausgehen, dass für die in Insolvenzsituationen häufigen und wirtschaftlich bedeutenden Erstattungsansprüche Versicherungsschutz besteht. Dies gilt für die bisher etwa in § 64 GmbHG oder § 92 AktG geregelten Ansprüche und dürfte auch für abweichend for­mulierte Versicherungsbedingungen gelten.

Für juristische Personen sind solche Ansprüche nunmehr einheitlich in § 15b InsO geregelt. Im neu eingeführten 15b IV InsO wird zudem der Begriff „Schaden“ ausdrücklich erwähnt. Die zum Insolvenzantrag verpflichteten Personen können danach künftig die gegen sie gerichteten Forderungen durch den Nachweis, dass ein „geringer Schaden“ für die Gläubiger entstanden ist, reduzieren. Die Bezugnahme auf den Begriff „Schaden“ im Zusammenhang mit entsprechenden Ansprüchen bestätigt die Argumentation des BGH, solche Ansprüche als von einer D&O-Versicherung grundsätzlich ge­deckt anzusehen.

Die Entscheidung des BGH hat eine erhebliche Bedeutung für die insolvenzrechtliche Praxis in Deutschland. Die betroffenen Organe können nun grundsätzlich davon ausgehen, dass solche Risiken gedeckt sind. Eine ausdrückliche Bestätigung der Versicherungsgesellschaft vermittelt Unternehmensorganen allerdings zusätzliche Sicherheit und ist daher weiter empfehlenswert.

Eine „Carte blanche“ des BGH für Leitungsorgane von Unternehmen ist dies keinesfalls. Die Entscheidung führt nämlich nicht zu einer Verurteilung der Versicherungsgesellschaft, sondern zu einer Zurückverweisung an das Oberlandesgericht. Dieses wird nun zu klären haben, ob die Versicherungsgesellschaft tatsächlich bezahlen muss. So wurde die Wirksamkeit der Anfechtung des Versicherungsvertrages wegen falscher Angaben nicht vom BGH geprüft.

Auch über den Einwand einer sogenannten wissentlichen Pflichtverletzung des Geschäftsführers muss nun vom Oberlandesgericht entschieden werden. Der Rechtsstreit kann also für den Insolvenzverwalter noch verloren gehen. Das wäre dann auf das Verhalten des Geschäftsführers vor dem Insolvenzantrag zurückzuführen, wofür er dann wieder persönlich zur Verantwortung gezogen werden dürfte.

Eigene Verantwortung

Auf die Frage, ob unerlaubte Zahlungen nach Insolvenzreife eines Unternehmens von D&O-Versicherungen abgedeckt werden, gibt es zunächst eine in der Regel positive Antwort. Zahlreiche Risiken sind für redliche Organe abgewendet. Gerät ein Unternehmen in die wirtschaftliche Krise, muss dennoch vorausschauend und rechtzeitig gehandelt werden. Wird die Krise des Unternehmens zum Dauerzustand, droht der Wegfall des Versicherungsschutzes. Das hat das Unternehmensorgan allerdings dann – anders als die Gestaltung der Versicherungsbedingungen – selbst in der Hand.

*) Karsten Kiesel ist Rechtsanwalt der Kanzlei Schultze & Braun.

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