Bundesregierung justiert nach in der Kontrolle von Investitionen
Frau Thoms, die Bundesregierung plant erneut eine Verschärfung der Investitionskontrolle. Wird das zum Dauerbrenner?
Die letzte Verschärfung der Investitionskontrolle liegt nicht einmal vier Monate zurück. Mit dem jetzt veröffentlichten Referentenentwurf präsentiert die Bundesregierung innerhalb von nur zwölf Monaten die dritte Verschärfung der Investitionskontrolle.
Was sind die Beweggründe der Bundesregierung für die erneute Anpassung?
Der Referentenentwurf hat unter anderem zum Ziel, die deutschen Regelungen an EU-Vorgaben anzupassen. Für Unternehmen und für uns in der Beratungspraxis bedeutet das, dass wir uns erneut auf Verschärfungen einstellen müssen. Das Bundeswirtschaftsministerium hat aber transparent und frühzeitig über die geplanten Änderungen informiert. Entscheidend ist, dass die involvierten Ministerien weiterhin gewährleisten, dass die berechtigte Abwägung zwischen sicherheitspolitischen und unternehmerischen Interessen nicht zu Unsicherheiten und unnötigen Verzögerungen von Transaktionen führt – und darunter die Attraktivität des deutschen Investitionsstandortes leidet.
Welche Sektoren sind vor allem betroffen?
Von der Verschärfung sind vor allem Schlüsseltechnologien betroffen, die das Bundeswirtschaftsministerium als besonders relevant für weitere Industrien einstuft und die die Zukunfts- und Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft sichern sollen. Dazu zählen die Bereiche künstliche Intelligenz, Robotik, Halbleiter, Cybersicherheit, Luft- und Raumfahrt, Quanten- und Nukleartechnologie, automatisiertes Fahren und Fliegen, Optoelektronik und additive Fertigung.
Was sind aus Ihrer Sicht die bedeutendsten Änderungen, mit denen Unternehmen und Investoren rechnen müssen?
Drei Änderungen stechen aus meiner Sicht besonders hervor: Erstens sind deutlich mehr Unternehmen von einer Meldepflicht betroffen als bisher. Der Erwerb von allen Unternehmen, die im Bereich der erwähnten Schlüsseltechnologien tätig sind, muss dem Bundeswirtschaftsministerium angezeigt werden. Zweitens bezieht sich die Investitionskontrolle nicht mehr, wie nach der aktuellen Rechtslage, nur auf den Erwerb von Stimmrechtsanteilen. Stattdessen erfasst der Entwurf jeden Vorgang, bei dem die Kontrolle eines deutschen Unternehmens ermöglicht wird.
Was ist damit gemeint?
Gemeint sind Fälle, in denen beispielsweise ein Vetorecht bei strategischen Geschäftsentscheidungen vereinbart oder eine Mehrheit in Aufsichtsgremien zugesichert wird. Diese Regelung dürfte in der Praxis für eine besondere Herausforderung sorgen. Schließlich stellt der Entwurf klar, dass auch sogenannte „Hinzuerwerbe“ geprüft werden können, also zum Beispiel, wenn ein Erwerber bereits Stimmrechtsanteile besitzt, dann weitere Stimmrechtsanteile hinzuerwirbt und damit insgesamt eine bestimmte Schwelle überschreitet.
Ist zu befürchten, dass ausländische Investoren sich nun verstärkt aus dem deutschen Markt zurückziehen?
Trotz der geplanten erneuten Verschärfung der Investitionskontrolle ist und bleibt Deutschland ein investorenfreundliches Land. Die Verfahrenspraxis in Deutschland ist durch ein hohes Maß an Kooperation geprägt. Entscheidungen durch das Bundeswirtschaftsministerium erfolgen zügig. Die beteiligten Ministerien müssen gewährleisten, dass das auch weiterhin so bleibt. Insbesondere darf der in der neuen EU-Verordnung vorgesehene Kooperationsmechanismus, wonach die Mitgliedstaaten die Kommission und sich gegenseitig über Investitionsprüfungen informieren müssen und Kommentare abgeben dürfen, nicht dazu führen, dass Freigaben verzögert erfolgen.
Was empfehlen Sie Firmen, die in Deutschland investieren wollen?
Für Unternehmen gilt es, in einem frühen Stadium zu prüfen, ob die Transaktion einer Investitionskontrolle unterliegt, um vorausschauend eventuelle Risiken identifizieren und schnell auf das Ministerium zugehen zu können. So lassen sich unnötige Verzögerungen weitestgehend vermeiden.
Anahita Thoms ist Partnerin von Baker McKenzie.
Die Fragen stellte Sabine Wadewitz.