Finanzierung

Comeback der synthetischen Verbriefungen

Synthetische Verbriefungen feiern ein Comeback. Neben Kreditforderungen an größere Unternehmen werden auch Verbraucherdarlehensforderungen genutzt.

Comeback der synthetischen Verbriefungen

Von Burkhard Rinne*)

Synthetische Verbriefungen zur Eigenkapitalentlastung von Banken waren im deutschen Kapitalmarkt bis zum Beginn der Finanzkrise sehr populär. Die Finanzkrise und die sich anschließende Niedrigzinsphase ließen die Zahl dieser Transaktionen erheblich schrumpfen. Aktuell hat sich dies wieder geändert und sowohl Anzahl als auch Volumina synthetischer Verbriefungen nehmen wieder deutlich zu. Dies betrifft nicht nur das Fördergeschäft des Europäischen Investitionsfonds, sondern auch Transaktionen mit sonstigen Investoren. Neben Kreditforderungen an größere Unternehmen werden auch Verbraucherdarlehensforderungen synthetisch verbrieft.

Wie eine klassische Verbriefung erfordert auch eine synthetische Verbriefung, dass das Ausfallrisiko eines Portfolios von Vermögenswerten (zumeist Darlehensforderungen) einer Bank „tranchiert“ wird, d. h. portfolioübergreifend in mindestens zwei Risikotranchen aufgeteilt wird. Dabei werden Kreditausfälle und deren Folgen zunächst der nachrangigen und erst danach der vorrangigen Risikotranche zugewiesen, während Tilgungen der Vermögenswerte in der Regel zunächst die vorrangige Risikotranche reduzieren. Häufig verfügen Transaktionen über drei Risikotranchen, d. h. eine Senior-Tranche, eine Mezzanine-Tranche und eine Junior-Tranche. Letztere reflektiert den aufgrund von Risikomodellen errechneten erwarteten Verlust (Expected Loss) über die Transaktionslaufzeit hinweg.

Im Unterschied zu klassischen Verbriefungen wird das Eigentum an den Vermögenswerten des Portfolios von der Bank nicht auf einen Dritten übertragen, sondern verbleibt bei der Bank (oder bei von ihr konsolidierten Töchtern). Nur das Ausfallrisiko dieser Vermögenswerte wird dergestalt – „synthetisch“ – transferiert, dass Investoren bei Ausfällen der Kredite im Portfolio (je nach Transaktionsgestaltung) entweder Zahlungen an die Bank leisten müssen oder auf erbrachte Vorleistungen nur noch entsprechend reduzierte Rückzahlungen erhalten.

Auf diese Weise kommt es zwar nicht zu einem Bilanzabgang der verbrieften Vermögenswerte bei der Bank, doch kann diese – bei Einhaltung bestimmter regulatorischer Vorgaben – den Gesamtbetrag des regulatorischen Eigenkapitals, das sie für die verbrieften Vermögenswerte nach Maßgabe der europäischen Kapitaladäquanzverordnung vorzuhalten hat, deutlich reduzieren. Statt jede einzelne Kreditforderung mit Eigenkapital zu unterlegen, muss sie nur noch das Ausfallrisiko der Risikotranchen unterlegen.

Einspareffekte möglich

Da die prozentualen Risikogewichte, die auf die Risikotranchen anzuwenden sind, in Summe deutlich geringer sind als diejenigen auf Einzelkreditbasis, lassen sich erhebliche Einspareffekte erzielen. Dies setzt allerdings voraus, dass ein sogenannter wesentlicher Risikotransfer stattfindet, d. h. ein Mindestanteil des Gesamtrisikos des verbrieften Portfolios an Investoren ausplatziert wird. Häufig sind Transaktionen, bei denen ein Risikotransfer des überwiegenden Teils oder des gesamten Betrags der Mezzanine-Tranche stattfindet.

Hierzu kommen im Wesentlichen folgende Transaktionsgestaltungen in Betracht: In einer ersten Variante schließt ein Investor eine Verlustausfallgarantie mit der Bank ab, unter der sich der Investor verpflichtet, der Bank Zahlungen zu leisten, wenn der Risikotranche, welche die Garantie abbildet (d. h. häufig der Mezzanine-Risikotranche) Verluste aus dem verbrieften Portfolio zugewiesen werden. Im Gegenzug erhält der Investor eine Garantiegebühr. Diese Variante eignet sich am besten für Transaktionen mit nur einem Investor, da eine Aufteilung der Garantie auf mehrere Investoren technisch und rechtlich komplex wird. Außerdem trägt die Bank hier das Risiko eines Ausfalls des Investors mit den Garantiezahlungen, das gegebenenfalls vom Investor zu besichern ist.

In einer zweiten Variante begibt die Bank an einen oder mehrere Investoren Schuldverschreibungen, sogenannte Credit-Linked Notes (CLNs), die das Ausfallrisiko der betreffenden Risikotranche (z. B. der Mezzanine-Tranche) des Portfolios abbilden. Bei der Zuweisung von Portfolioverlusten auf die betreffende Risikotranche reduziert sich der Nominalbetrag der CLNs zulasten der Investoren. Reduziert sich dagegen der Betrag der abgebildeten Risikotranche durch Tilgungen im Portfolio, erhalten die Investoren Kapitalrückzahlungen.

Die CLNs werden marktgerecht verzinst. Da die Investoren den Emissionspreis an die Bank zahlen, ist die Bank in dieser Variante nicht dem Ausfallrisiko der Investoren ausgesetzt. Allerdings tragen die Investoren neben dem Portfoliorisiko, das sich in den CLNs widerspiegelt, das Risiko, dass die Bank fällige Rückzahlungen der CLNs nicht leistet, sofern die Bank für diesen Fall keine Sicherheiten stellt.

Eine dritte Gestaltungsvariante nutzt eine eigens gegründete Verbriefungszweckgesellschaft. Diese schließt mit der Bank eine Verlustausfallgarantie in Bezug auf die betreffende Risikotranche ab. Die Mittel zur Leistung von Garantiezahlungen beschafft sich die Zweckgesellschaft ihrerseits durch Begebung von CLNs an Investoren. Den Emissionserlös legt die Zweckgesellschaft bei der Bank als Einlage an. Muss die Zweckgesellschaft Garantiezahlungen leisten, erfolgt dies durch Entnahme aus der Einlage und Reduktion des Nominalbetrags der CLNs. Bei auf die betreffende Risikotranche entfallenden Tilgungen erhält die Zweckgesellschaft ihre Einlage in dieser Höhe zurück und leistet den Investoren Kapitalrückzahlungen. Zinszahlungen auf die CLNs erbringt die Zweckgesellschaft aus der Garantiegebühr, welche ihr die Bank entrichtet.

Alleinige Schuldnerin der Investoren ist hier die Zweckgesellschaft, was für bestimmte Investoren den Vorteil haben kann, dass sie ihre Investition nicht als Forderungen gegen ein Kreditinstitut kategorisieren müssen. Investoren tragen mittelbar das Ausfallrisiko der Bank in Bezug auf die Rückzahlung der Einlage der Zweckgesellschaft, es sei denn, die Einlage wird durch die Bank besichert. Diese Transaktionsstruktur ist wegen ihrer Zweistufigkeit und der Notwendigkeit, weitere Parteien einzubinden, komplexer als die zweite Variante.

Die Vorteile einer synthetischen Verbriefung liegen für die Bank in der einfacheren und damit kostengünstigeren Transaktionsstruktur, da keine Vermögenswerte übertragen werden müssen. Während vorhandene Kreditportfolien mit niedriger Verzinsung im gegenwärtigen Umfeld gestiegener Zinsen kaum durch „True Sale“-Transaktionen verbrieft werden können, da sie die Verzinsung auf die Verbriefungsins­trumente kaum tragen können, stellt sich dieses Problem bei der synthetischen Verbriefung nicht. Solange die regulatorischen Vorgaben zur Eigenkapitalentlastung eingehalten werden, ist die Gestaltung – etwa im Hinblick auf die Tranchierung und die Zusammenstellung des verbrieften Portfolios – relativ flexibel. Mit Anforderungen an Bankgeheimnis und Datenschutz lassen sich synthetische Verbriefungen leichter vereinbaren.

Neue Anforderungen

Auch die Investoren profitieren von der Flexibilität der Gestaltungen – gerade im Hinblick auf die Portfoliozusammenstellung. So lassen sich z. B. ESG-Anforderungen von Investoren durch geeignete Auswahlkriterien an die verbrieften Forderungen gut abbilden.

Leider hat der europäische Gesetzgeber für synthetische Verbriefungen in jüngerer Zeit einige Hürden aufgestellt. So erweisen sich diverse Offenlegungspflichten, die in der europäischen Verbriefungsverordnung enthalten sind, für synthetische Verbriefungen mit kleinem Investorenkreis als unnötig belastend. Außerdem führt bei synthetischen Verbriefungen die Einhaltung der Anforderungen an einfache, transparente und standardisierte (simple, transparent and standardised) Verbriefungen nur in Bezug auf von der Bank selbst gehaltene Senior-Risikotranchen zu einer Eigenkapitalentlastung. Diese erhebliche Benachteiligung gegenüber klassischen Verbriefungen wurde mit der angeblichen Komplexität synthetischer Verbriefungen begründet. Angesichts der gestiegenen weiteren regulatorischen Anforderungen lässt sie sich aber nicht mehr rechtfertigen.

*) Dr. Burkhard Rinne ist Partner im Kapitalmarktrecht bei Linklaters.