Im Interview: Myriam Baars-Schilling, Oppenhoff

Deutschland wird als Investitionsstandort attraktiver

Frau Baars-Schilling, im M&A­Markt sind positive Reaktionen auf jüngste Gesetzesänderungen zu vernehmen. Ist die Zuversicht berechtigt?

Deutschland wird als Investitionsstandort attraktiver

Frau Baars-Schilling, im M&A­Markt sind positive Reaktionen auf jüngste Gesetzesänderungen zu vernehmen. Ist die Zuversicht berechtigt?

Mit der 10. GWB-Novelle und dem Unternehmensstabilisierungs- und Restrukturierungsgesetz (StaRUG) sind um den Jahreswechsel zwei Gesetzesänderungen in Kraft getreten, die es für Investoren wieder einfacher und attraktiver machen könnten, in Deutschland zu investieren.

Was genau ändert sich für Transaktionen?

Die fusionskontrollrechtlichen Schwellenwerte sind angehoben worden. Seit 19. Januar dieses Jahres unterliegen Firmenzusammenschlüsse nur dann der Kontrolle des Bundeskartellamtes, wenn ein beteiligtes Unternehmen in Deutschland einen Jahresumsatz von mindestens 50 Mill. Euro und ein anderes beteiligtes Unternehmen mindestens 17,5 Mill. Euro hat. Die Schwellenwerte lagen bislang bei 25 Mill. beziehungsweise 5 Mill. Euro und haben sich damit mehr als verdoppelt.

Das hilft im Mittelstand?

Die signifikant angehobenen Aufgriffsschwellen reduzieren den ad­ministrativen Aufwand der beteiligten Unternehmen insbesondere im Small-Cap-Bereich. Auch wenn ein geplanter Zusammenschluss in sachlicher Hinsicht unbedenklich ist, musste er bislang bei den zuständigen Kartellbehörden angemeldet werden, wenn die Umsatzschwellen überschritten sind. Damit einher gehen erhöhte Kosten und eine Zeitverzögerung in der Transaktion. Auch bei unproblematischen Zusammenschlüssen vergehen in der Regel bis zu vier Wochen, bis die Freigabe durch das Bundeskartellamt erfolgt.

Dazu kommen mit dem StaRUG Erleichterungen in Krisenzeiten?

Ja – für alle, die bereit sind, in Krisenunternehmen zu investieren. Das am 1. Januar 2021 in Kraft getretene StaRUG erlaubt über das vorinsolvenzliche Restrukturierungsverfahren einen partiellen Schuldenschnitt – und das ohne große Anfechtungsrisiken. Investoren müssen daher nicht mehr auf eine Insolvenz und eine Restrukturierung durch den Insolvenzverwalter warten, sondern können diese bereits vor Eintritt der Zahlungsfähigkeit umsetzen, mit mehr Flexibilität, günstiger und unter größerer Eigenregie.

Was heißt das im Einzelnen?

Mehr Flexibilität deshalb, weil die Eingriffe von außen in den vom Unternehmen selbst zu steuernden Prozess auf das Notwendigste beschränkt sind. Zudem bedürfen Entscheidungen der Gläubigergruppen über den Restrukturierungsplan nur einer 75-prozentigen Mehrheit. Die sogenannte Akkordstörerproblematik verliert damit wesentlich an Gewicht, also das Scheitern nützlicher Maßnahmen aufgrund opportunistischen, egoistischen Verhaltens einzelner dissentierender Gläubiger. Reputationsschäden, die Flucht von Geschäftspartnern und hohe In­solvenzkosten können vermieden werden­. Der durch das Gericht bestätigte Restrukturierungsplan erfüllt schließlich auch die Funktion eines Safe Harbours.

Inwiefern?

Missglückt die Restrukturierung und geht die Zielgesellschaft am Ende trotz allem in die Insolvenz, sind die im Rahmen des Restrukturierungsverfahren eingeleiteten Maßnahmen anfechtungsfest. Die Chancen, die das vorinsolvenzliche Restrukturierungsverfahren einem Investor an die Hand gibt, sind damit deutlich größer als die Risiken. Es ist daher davon auszugehen, dass wir in Zu­kunft vermehrt in Restrukturierungspläne eingebettete Distressed­M&A-Transaktionen sehen werden.

Gibt es auch neue Themen, die Investments erschweren können?

Ja, leider für Investoren, die aus dem Vereinigten Königreich kommen. Mit Wirksamwerden des Brexit gilt das Vereinigte Königreich nunmehr als Drittland im Sinne unserer Außenwirtschaftsverordnung. Britische Investoren müssen sich nun damit abfinden, dass ihre Transaktionen in den Anwendungsbereich der sektorübergreifenden Prüfung fallen, abhängig davon, in welchen Wirtschaftszweig sie investieren möchten. Sie bedürfen unter Umständen der Zustimmung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie.

Myriam Baars-Schilling ist Partnerin von Oppenhoff.

Die Fragen stellte Sabine Wadewitz.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.