Christian Schede, Greenberg Traurig

„Die Vermietung muss wirtschaftlich bleiben“

Bundesverfassungsgericht gibt im Urteil zum Mietendeckel klare Route vor

„Die Vermietung muss wirtschaftlich bleiben“

Herr Dr. Schede, der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat den Berliner Mietendeckel wegen der fehlenden Zuständigkeit des Landes gekippt. Wie ist der Mietendeckel inhaltlich unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten zu beurteilen?

Neben dieser formellen Verfassungswidrigkeit wäre der Berliner Mietendeckel auch materiell verfassungswidrig gewesen. In unseren Sammel-Verfassungsbeschwerden für die Wohnungsbaugenossenschaften haben wir im Detail herausgearbeitet, dass der Mietendeckel unverhältnismäßig in das Eigentumsgrundrecht eingegriffen und gegen das grundgesetzliche Willkürverbot verstoßen hat. Zum gleichen Befund kamen wir in der Sammel-Verfassungsbeschwerde für zwölf repräsentativ ausgewählte, kleine und mittelständische private Vermieter.

Im Urteil zur Mietpreisbremse aus dem Jahr 2019 haben die Karlsruher Richter klargestellt, dass dieser Eingriff verhältnismäßig und zumutbar ist. Was folgt daraus für künftige Mietregulierungen?

Die Politik sollte sich in der aktuellen Situation eigentlich nicht so sehr auf Mietregulierung, sondern auf tatsächlich wirksame Instrumente zur Ausweitung des Wohnungsangebots konzentrieren. Denn nur Neubaumobilisierung kann das Problem angespannter Wohnungsmärkte lösen. Auf dem Feld der Mietenregulierung ist bereits viel geschehen und Karlsruhe hat mit dem 2019er Beschluss zur Mietpreisbremse auch Leitplanken gesetzt. Miethöhenbeschränkungen dürfen nicht völlig von der Marktentwicklung entkoppelt werden und müssen auch Luft für Inflation und Kostensteigerungen lassen. Kurz: Die Vermietung muss wirtschaftlich bleiben. Die Freiheit, durch Vermietung Erträge zu erwirtschaften, ist grundgesetzlich geschützt.

Wo liegen die Grenzen für die Ausbalancierung der Eigentumsrechte von Vermietern und den sozialen Interessen von Mietern?

Das Bundesverfassungsgericht hat für die Ausgestaltung zwingender mietrechtlicher Vorschriften eine klare Route vorgegeben: Der Gesetzgeber muss sowohl die Belange des Mieters als auch des Vermieters berücksichtigen. Eine einseitige Bevorzugung oder Benachteiligung von Mietern oder Vermietern steht mit den verfassungsrechtlichen Vorstellungen eines sozialgebundenen Privateigentums nicht in Einklang. Genau das war aber das erklärte Ziel des Berliner Gesetzgebers: Der Mietendeckel zielte darauf, Mieter ungeachtet ihrer tatsächlichen wirtschaftlichen und sozialen Situation einseitig zu bevorzugen und Vermieter einseitig zu benachteiligen.

Wäre ein bundesgesetzlicher Mietendeckel verfassungsrechtlich zulässig und wie wäre eine Absenkung von Bestandsmieten zu beurteilen?

Ein Bundesmietendeckel nach Berliner Machart würde wieder in Karlsruhe scheitern. Diesmal nicht mangels Gesetzgebungskompetenz, sondern eben wegen der Grundrechtsverstöße. Es gibt so viele alternative politische und gesetzliche Instrumente, um die Wohnungsmärkte in den Großstädten wirksam zu entspannen und im Einzelfall soziale Härten abzufedern. Da kann ich kann mir insbesondere nicht vorstellen, dass eine Absenkung von Mieten in bestehenden Mietverhältnissen als verhältnismäßiger Grundrechtseingriff beurteilt werden würde. In den erwähnten Sammel-Verfassungsbeschwerden haben wir deutlich gemacht, dass der Berliner Mietendeckel gerade auch deshalb einen unverhältnismäßigen Eingriff in Grundrechte darstellte, da sich die Maßnahmen als zur Problemlösung ungeeignet und sozial unausgewogen erwiesen.

Verfügt Berlin noch über einen qualifizierten Mietspiegel? Das ist ein wichtiger Maßstab für zulässige Mieterhöhungen.

In Berlin gilt noch bis Ende April 2021 der qualifizierte Mietspiegel 2019. Ab Mai soll es nach der Ankündigung der Senatsverwaltung einen neuen qualifizierten Mietspiegel geben, der aber bisher noch nicht im Detail vorgestellt wurde.

Welche Empfehlungen geben Sie dem Berliner Senat zur angestrebten Eindämmung der Wohnungsmieten?

Die wichtigste Empfehlung: Der Berliner Senat sollte nach dem Vorbild der rot-grünen Koalition in Hamburg Vermieter und Bauherren als Partner an einen Tisch bringen und mit vereinten Kräften den Neubau forcieren.

Dr. Christian Schede ist Partner der Kanzlei Greenberg Traurig.

Die Fragen stellte Helmut Kipp.