Die Zukunft der Luftfahrtindustrie erfordert Kapital und Mut
Die Zukunft der Luftfahrtindustrie
erfordert Kapital und Mut
Sustainable Aviation Fuels haben wirtschaftlich immenses Potenzial – Hohe Investitionen
Von Dirk Janssen *)
Angesichts der globalen Bemühungen zur Begrenzung der Erderwärmung rückt die Reduktion von CO2-Emissionen in allen Sektoren in den Fokus. Besonders die Luftfahrtindustrie steht vor einer doppelten Herausforderung: einerseits unverzichtbar für die globale Mobilität, andererseits verantwortlich für signifikante Emissionen. Eine Selbstverpflichtung der wesentlichen Marktteilnehmer von 2021 zielt darauf ab, den weltweiten Flugverkehr bis 2050 CO2-neutral zu machen. Diese Ambition wird durch die EU-Regulierung „RE Fuel EU Aviation“ gestärkt, die künftig die Beimischung alternativer Kraftstoffe – sogenannter „Sustainable Aviation Fuels“, kurz SAF – vorschreibt. Ihr Anteil liegt gemäß dieser Richtlinie ab dem kommenden Jahr zunächst bei 2%, erhöht sich auf 6% im Jahr 2030 und erreicht 2050 die Marke von 70%.
Anreize für Investoren
Das wirtschaftliche Potenzial des SAF-Sektors ist immens. Laut einer Initiative zur Förderung von eSAF-Projekten könnte allein der weltweite eSAF-Markt bis 2050 ein Volumen von rund 250 Mrd. Euro erreichen und 90.000 direkte Arbeitsplätze sowie weitere Stellen in angrenzenden Branchen schaffen. Europa spielt hier die Schlüsselrolle. Rund 70% der globalen eSAF-Projektpipline ist derzeit hier angesiedelt. Allerdings sind erhebliche Investitionen erforderlich. Die Wirtschaft, aber auch der Staat sollten hierfür mit klugen Lenkungsmaßnahmen weitere Anreize für Investoren schaffen.
SAF lassen sich grundsätzlich sowohl aus biogenen Grundstoffen wie Speiseresten, Ölen, Fetten oder Zucker (BioSAF) als auch per Elektrolyse aus grünem Strom und Wasserstoff (eSAF) gewinnen. Langfristig hat eSAF das größere Potenzial zur Emissionsreduzierung, da während des Lebenszyklus bis zu 90% weniger Treibhausgase entstehen. Es wird davon ausgegangen, dass im Jahr 2050 bis zu 75% des weltweiten SAF-Bedarfs durch eSAF gedeckt werden muss. Schon heute fokussiert sich Deutschland auf diese Technologie: 18 von 20 SAF-Vorhaben in Deutschland sind eSAF-Projekte.
Beispiel KGAL
Ein gutes Beispiel für die Attraktivität des Standorts auch für Infrastrukturinvestoren liefert die Investment-Managementgesellschaft KGAL, die sich Anfang des Jahres an einem eSAF-Großprojekt in der dänischen Küstenstadt Vordingborg beteiligt hat. Die Anlage soll ab Mitte 2026 rund 68.000 Jahrestonnen synthetisches Kerosin aus grünem Wasserstoff gewinnen. Mit diesem Volumen könnte ein Airbus A320 etwa 15.000 Mal die Strecke zwischen München und London zurücklegen. Projekte wie dieses bieten für die europäische Wirtschaft enormes Potenzial, die technologische Führungsrolle zu übernehmen, Know-how zu entwickeln und die Erfahrungen in andere Kontinente zu exportieren.
Um die bis 2050 benötigten Mengen bereitzustellen, muss der eSAF-Markt bis 2030 den industriellen Maßstab erreichen und ab dann skalieren. Da die Realisierung eines eSAF-Projekts vom Start bis zum stabilen Betrieb rund fünf Jahre dauert, sind entsprechende Investitionsentscheidungen bis spätestens Ende 2025 nötig. Bislang hat allerdings noch keine einzige Großanlage in Europa dieses Stadium erreicht.
Risikoprofil ist entscheidend
Woran liegt aber die Zurückhaltung bei Investitionen in einen Markt, der perspektivisch sehr dynamisch, ökonomisch attraktiv und auch politisch-gesellschaftlich gewünscht ist? Das Risikoprofil von eSAF-Großprojekten ist entscheidend. Der Kapitalbedarf ist enorm, oft bedarf es Investitionsvolumina von über 2 Mrd. Euro für ein Projekt. Zinsgünstige (KfW) Darlehen könnten hier eine wertvolle Unterstützung darstellen. Die „bankability“ ist nämlich nicht selten eine Herausforderung. Vor allem „First-of-a-kind“-Anlagen sind mit technologischen Risiken verbunden.
Daneben gibt es Unsicherheiten auf der Abnahmeseite. Langfristige Lieferverträge wie der jüngst geschlossene Vertrag zwischen Air France-KLM und TotalEnergies, der über zehn Jahre 1,5 Millionen Tonnen SAF aus Abfall sichern soll, sind die Seltenheit. Ein weiterer wichtiger Aspekt betrifft die Verfügbarkeit grüner Energie. Der weitere Ausbau von Erneuerbaren Energien wird hierfür entscheidend sein. Ein regulatorischer Ansatzpunkt könnten hier Ausschreibungen für Erneuerbare-Energie-Projekte sein, die ausschließlich eSAF-Projekte mit grüner Energie versorgen.
Kostenproblem
Schließlich wirken die deutlich höheren Kosten für eSAF gegenüber fossilen Brennstoffen prohibitiv. Derzeit geht man von ca. sechs- bis siebenmal höheren Kosten bei eSAF aus. Hier müssen Mechanismen gefunden werden, um die Erlöse aus der eSAF-Produktion für Investoren verlässlich prognostizieren zu können. Ein Weg wären z.B. sog. „Contracts for Difference“, die auf der einen Seite einen Mindestpreis garantieren, auf der anderen Seite aber die Möglichkeit schaffen, Mehrerlöse abzuschöpfen und diese für den weiteren Ausbau entsprechender Projekte zur Verfügung zu stellen. Diese, nicht abschließende Aufzählung zeigt bereits, dass weitere Maßnahmen dringend notwendig sind, um eSAF Großprojekte zu fördern und den Markthochlauf der Produktion von eSAF anzuheizen.
*) Rechtsanwalt Dr. Dirk Janssen ist Partner im Münchner Büro der Kanzlei Watson Farley & Williams.