Wertpapierrecht

Ein gesetzlicher Schildbürgerstreich

Eine Verordnung führt dazu, dass sich die Gebühren der Marktaufsicht BaFin für Mittelständler teilweise fast verzwölffachen, Banken dagegen einen Millionenbetrag einsparen.

Ein gesetzlicher Schildbürgerstreich

Von Ingo Wegerich*)

Am 1. Oktober 2021 ist die Finanzdienstleistungsaufsichtsgebührenverordnung (FinDAGebV) in Deutschland in Kraft getreten, die im Wertpapierrecht die Wertpapierprospektgebührenverordnung ab­löst. Etwas später, von Dezember 2021 bis Februar 2022, konsultierte die EU-Kommission die Marktteilnehmer zu einer erleichterten Börsengesetzgebung. Die öffentlichen Kapitalmärkte sollen für Unternehmen attraktiver gestaltet werden, insbesondere soll der Kapitalmarktzugang für KMU erleichtert und Kosten sollen gesenkt werden.

Dies berührt auch die FinDAGebV, die unter anderem die Gebühren der BaFin für Wertpapierprospekte und Wertpapierinformationsblätter (WIB) regelt. Hier gibt es einen deutlichen Anstieg, insbesondere für KMU. Die Gebühren für die Billigung für das vereinfachte Prospektformat für KMU, den EU-Wachstumsprospekt, wurden fast vervierfacht, von 4875 auf 16915 Euro.

Fast verzwölffacht

Demgegenüber ist die Gebührenerhöhung für Standardprospekte oder Basisprospekte, Letztere werden insbesondere von Banken für eine Vielzahl von Emissionen strukturierter Wertpapiere genutzt, weniger hoch: Hier wurde der Betrag von 6500 auf ebenfalls 16915 Euro angehoben. Die Gebühr für die Billigung wurde durch die FinDAGebV für alle unterschiedlichen Prospektformate, einschließlich des nur 30 Seiten langen EU-Wiederaufbauprospekts, vereinheitlicht.

Eine noch deutlichere Gebührenerhöhung gibt es bei der Gestattung des WIB. Das WIB wird insbesondere von kleinen Unternehmen genutzt, die sich über den Kapitalmarkt mittels kleinerer öffentlicher Angebote finanzieren wollen. Bisher kostete die Gestattung eines WIB, aufgrund dessen ein öffentliches Angebot von Wertpapieren bis zu 8 Mill. Euro möglich ist, 500 Euro. Dieser Betrag wird nunmehr auf 5923 Euro angehoben. Das ist fast eine Verzwölffachung der Gebühren.

Die Gebühren der FinDAGebV sollen sich nach dem Arbeitsaufwand der Finanzaufsicht richten. Gerade im Hinblick auf das vereinfachte Prospektformat für KMU wirft dies Fragen auf, da dieses von seinem Umfang her erheblich geringer als ein Standardprospekt oder ein Basisprospekt ist und von daher auch der Prüfungsaufwand deutlich geringer sein sollte.

Veraltete Zahlen

Ein Blick in die Gesetzesbegründung gibt die Antwort, warum die Kosten sich nicht bei den verschiedenen Prospektformaten unterscheiden: Der Zeitaufwand wurde anhand der Fallzahlen der Jahre 2016 bis 2018 ermittelt, und anscheinend wurde hier weder nach dem Prospektformat noch nach der Art des Wertpapiers (Equity oder Debt) unterschieden. Aktienprospekte sind jedoch deutlich umfangreicher als Anleiheprospekte. Das vereinfachte Prospektformat für KMU wurde erst Mitte 2019 eingeführt, der EU-Wiederaufbauprospekt erst im Jahr 2021.

All diese Informationen wurden bei Verabschiedung der FinDaGebV anscheinend nicht berücksichtigt. Es wurde folglich für ein aktuelles Gesetz auf veraltete Zahlen abgestellt – und die Preiserhöhungen treffen insbesondere die KMU. Aber auch die Gebühren für das Wertpapierinformationsblatt müssen hinterfragt werden. Für die Gestattung eines dreiseitigen Informationsblattes wird mehr als ein Drittel der Gebühr für die Billigung eines teilweise mehrere Hundert Seiten dicken Basisprospekts verlangt. Das wirft Fragen auf.

In der Gesetzesbegründung findet sich auch ein Hinweis auf die Kostenersparnis durch die FinDAGebV: Es kommt zu einer Verringerung der Gebühreneinnahmen um ca. 1,225 Mill. Euro. Diese dürften insbesondere auf dem verringerten Kostensatz für die Hinterlegung der endgültigen Angebotsbedingungen für Millionen von Banken emittierte Wertpapiere beruhen. Hier beträgt die Gebühr nicht mehr 1,55 Euro, sondern nur noch 0,05 Euro (pro hinterlegte endgültige Bedingungen im jeweils laufenden Quartal).

Konsequenz dieser Zahlen wird sein, dass die Anzahl der Emissionen von strukturierten Wertpapieren weiter steigen wird, wohingegen der Mittelständler sich sehr genau überlegen wird, ob er sich bei der vielfachen Gebührensteigerung noch über den Kapitalmarkt finanzieren möchte.

Wie ist die entsprechende Gebührenregelung im Großherzogtum Luxemburg? Hier wird weitaus mehr differenziert. Zum einen wird bei den Gebühren zwischen Equity- und Debt-Prospekten unterschieden. Bei den Prospekten für Schuldverschreibungen wird zudem bei den Gebührensätzen zwischen einem Basisprospekt, einem Standardprospekt und einem vereinfachten Prospekt differenziert.

Paradox

Fazit: Wenn der Kapitalmarkt für Mittelständler attraktiver gestaltet werden soll, sollte diese Verordnung sehr kurzfristig überarbeitet werden. Es ist geradezu paradox, auf europäischer Ebene die Marktteilnehmer im Hinblick auf einen vereinfachten Kapitalmarktzugang für KMU zu konsultieren und in Deutschland die Gebühren für KMU auf Basis alter Zahlen um ein Vielfaches anzuheben.

*) Ingo Wegerich, Präsident des Interessenverbandes kapitalmarktorientierter KMU und Partner der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft.

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