Einigung bei internationaler Besteuerung
Von Johannes Frey und
Florian Schmid*)
Die jüngst erzielte Einigung auf eine Reform des globalen Steuersystems führt zu grundlegenden Änderungen der deutschen Besteuerungsrechte. Unter den 132 Staaten herrschte Einigkeit, ca. 100 Unternehmen weltweit zu besteuern, obgleich die Details und Auswirkungen noch ungeklärt sind. Die zugrunde liegende Idee ist einfach: „Marktstaaten sollen zusätzliche Steuereinnahmen erhalten.“ Im Gegenzug sollen eine Mindestbesteuerung eingeführt und nationale Alleingänge wie Digitalsteuern gestoppt werden. In diesem Kontext bisher nicht diskutiert wurde erstaunlicherweise die deutsche Besteuerung von Auslandslizenzen, die seit eineinhalb Jahren Finanzbehörden und Unternehmen beschäftigt.
Worum geht es bei der Auslandslizenzbesteuerung? Das Bundesfinanzministerium (BMF) ist der Ansicht, Lizenzzahlungen zwischen zwei ausländischen Gesellschaften unterlägen der deutschen Besteuerung, soweit inländisch eingetragene Rechte umfasst seien. Dies betrifft insbesondere weltweite konzerninterne Lizenzverträge, bei denen neben einer Vielzahl ausländischer Rechte auch inländische Marken oder Patente überlassen werden. Diese Verträge haben abgesehen von der bloßen inländischen Registrierung keinerlei Bezug zu Deutschland. Eine deutsche Besteuerung derartiger Verträge erscheint kontraintuitiv und systemwidrig. Zu Recht: Die 1925/1934 eingeführte Regelung wurde über 85 Jahre nicht auf rein ausländische Lizenzverträge angewandt. Erstmals 2020 wurde sie seitens der Finanzverwaltung aus dem Hut gezaubert.
Spätestens seit der Entscheidung des indischen Supreme Courts im „Vodafone-Fall“ 2012 ist klar, dass eine Besteuerung extraterritorialer Ereignisse völkerrechtlich nur unter strengen Voraussetzungen möglich ist. Dies entspricht dem völkerrechtlichen „genuine link“-Erfordernis des Internationalen Gerichtshofs im Sinne von „Notteboohm“. Das Bundesverfassungsgericht fordert ebenfalls eine relevante Verknüpfung mit dem Inland (sog. Nexus). An einem solchen Nexus zu Deutschland fehlt es aber bei weltweiten Lizenzierungen z.B. eines chinesischen Konzerns an eine luxemburgische IP-Gesellschaft. Hier besteht außer der Rechteeintragung keine Verknüpfung zu Deutschland. Auch der Fiskus vertrat 2020 zunächst, dass der erforderliche „substanzielle Inlandsbezug“ fehle und wollte die Regelung abschaffen.
In der Praxis ist es der Verwaltung aufgrund der unzählbaren inländischen Eintragungen schlichtweg nicht möglich, alle Fälle solcher Lizenzen zu ermitteln. Derzeit scheint sie sich auf US-Konzerne zu fokussieren. Ein Herausgreifen einzelner Unternehmen ist allerdings aufgrund offener oder verdeckter Diskriminierungen verfassungsrechtlich äußert fragwürdig.
Schaden für den Standort
Unabhängig von diesen rechtlichen Fragen würde die deutsche Auslandslizenzbesteuerung dem Wirtschaftsstandort Deutschland schaden. Konzerne werden in Zukunft prüfen, ob eine inländische Registrierung überhaupt erforderlich ist oder ob etwa eine europäische Markenregistrierung genügt. Letztlich steht auch die Verlässlichkeit und Fairness der deutschen Besteuerungspraxis auf dem Spiel. Bei Investitionsentscheidungen sind gerade diese Faktoren von maßgeblicher Bedeutung. Ferner könnten andere Staaten ebenfalls erwägen, deutsche Unternehmen ähnlich zu besteuern.
Die Auslandslizenzbesteuerung widerspricht den jüngsten Einigungen zur Reform der globalen Besteuerung durch die sog. „Pillar One“ und „Pillar Two“. Pillar One soll für rund 100 der profitabelsten Unternehmen weltweit ein neues Besteuerungsrecht in den jeweiligen Marktstaaten einführen. Weltweit sollen so schätzungsweise 100 bis 150 Mrd. Dollar „umverteilt“ werden. Die Marktstaaten, in denen Umsätze erzielt werden, sollen ein Besteuerungsrecht erhalten, obgleich kein sonstiger Nexus besteht. Für Deutschland wird dies laut BMF zu Einnahmen von weniger als 1 Mrd. Euro führen. Je nach Ausgestaltung kann das Steueraufkommen sogar sinken.
Ob es gleichzeitig zu Mehrsteuern für deutsche Unternehmen führt, ist allerdings völlig offen. Klar ist nur, dass Pillar One sowie die als Pillar Two bekannte „globale Mindestbesteuerung“ zu immensem Aufwand für Unternehmen und Verwaltung führen werden.
Wie passen nun die deutsche Auslandslizenzbesteuerung und Pillar One zusammen? Im Ergebnis gar nicht. Pillar One führt als relevante Anknüpfung gerade nicht die inländische Registrierung ein, sondern Umsätze in Markstaaten. Insofern widerspricht diese Auslandslizenzbesteuerung Pillar One und würde zu einer unzulässigen Doppelbesteuerung führen. Denn Deutschland würde ausländische Lizenzzahlungen besteuern, selbst wenn diese in einem Marktstaat zusätzlich der Besteuerung unterlägen.
Es bleibt abzuwarten, wie Gerichte und andere Staaten auf den deutschen Alleingang reagieren werden. Der Gesetzgeber sollte dieses „Vehikel aus einer anderen Zeit“ schnellstmöglich abschaffen, auf „Teamplay“ schalten und das steuerliche Abseits aufheben.
*) Dr. Johannes Frey, Partner und Florian Schmid, Associate Tax bei Skadden Arps, Slate, Meagher & Flom.