GastbeitragNeue Regelungen für Kryptoaktien

Elektronische Aktien können Effizienzvorteile bieten

Elektronische Aktien haben derzeit kaum praktische Bedeutung für börsennotierte Unternehmen. Mit den Regelungen zu Kryptoaktien hat der Gesetzgeber allerdings den Boden für praxisrelevante digitale Veränderungen bereitet.

Elektronische Aktien können Effizienzvorteile bieten

Seit dem 15. Dezember 2023 steht Aktiengesellschaften die Möglichkeit offen, neben unverbrieften und physisch verbrieften Aktien auch elektronische Aktien auszugeben. Die als Teil des Zukunftsfinanzierungsgesetzes in Kraft getretenen Neuerungen sollen einen Beitrag zur Digitalisierung am Kapitalmarkt leisten. Während elektronische Aktien jedenfalls in Teilbereichen großes Potenzial haben, ist ihre praktische Bedeutung noch überschaubar. Dieser Beitrag beleuchtet den Zweck und die praktischen Vorteile von elektronischen Aktien sowie die weiteren Erfordernisse, die für die Ausschöpfung ihres Potenzials erforderlich sind.

Unterschiedliche Varianten

Elektronische Aktien werden an Stelle einer physischen Verbriefung in ein elektronisches Wertpapierregister eingetragen. Sie bilden keine eigene Aktienart. Unter den Oberbegriff „elektronische Aktien“ fallen vielmehr eine Vielzahl unterschiedlicher Gestaltungsvarianten.

Sowohl Namens- als auch Inhaberaktien können als elektronische Aktien ausgegeben werden. Dabei können elektronische Namensaktien in ein zentrales Wertpapierregister oder in ein Kryptowertpapierregister eingetragen werden. In beiden Fällen kommt eine Einzel- oder eine Sammeleintragung in Betracht. Bei der Einzeleintragung wird der Aktieninhaber direkt im jeweiligen Register vermerkt, während bei der Sammeleintragung eine Wertpapiersammelbank oder ein Verwahrer als Treuhänder eingetragen werden.

Ein zentrales Register kann insbesondere von der Clearstream Banking AG als Wertpapiersammelbank geführt werden, ein Kryptowertpapierregister dagegen vom Emittenten selbst oder einer vom Emittenten benannten Stelle.

Fälschungssicherheit

Ein Kryptowertpapierregister muss auf einem fälschungssicheren Aufzeichnungssystem geführt werden, in dem Daten in der Zeitfolge protokolliert und gegen unbefugte Löschung sowie nachträgliche Veränderung geschützt gespeichert werden. Dafür kommen insbesondere Blockchain-Lösungen oder andere Distributed-Ledger-Technologien in Betracht.

Elektronische Inhaberaktien dürfen nicht als Kryptowertpapiere ausgegeben werden, denn insoweit gab es im Gesetzgebungsverfahren gesellschafts- und geldwäscherechtliche Bedenken.

Im Detail unterscheiden sich die Varianten elektronischer Aktien: So sind bisher beispielsweise nur Zentralregisteraktien in Sammeleintragung börsenfähig, während allein Kryptoaktien in Einzeleintragung dezentral (also ohne Beteiligung einer Wertpapiersammelbank oder eines Verwahrers) gehandelt werden können.

Vergleichbare Verkehrsfähigkeit

Das Aktiengesetz sieht nicht vor, dass Aktien verbrieft werden müssen; vielmehr bestehen die mitgliedschaftlichen Rechte und Pflichten unabhängig von der Verbriefung und unverbriefte Aktien können durch Abtretung dieser Mitgliedschaftsrechte übertragen werden. Die körperliche Verbriefung durch Ausstellung einer Aktienurkunde war allerdings bisher der einzige Weg, die Verkehrsfähigkeit der Aktie zu steigern. Die Verbriefung ermöglicht es dem Veräußerer, die Inhaberschaft der Mitgliedschaftsrechte nachzuweisen und einem gutgläubigen Erwerber, Aktien auch dann zu erwerben, wenn der Veräußerer nicht Inhaber der Aktie ist. Elektronische Aktien bieten nun erstmals eine vergleichbare Verkehrsfähigkeit wie Aktienurkunden, ohne dass die Aktien in einem körperlichen Gegenstand verbrieft werden müssen.

In der Praxis dominieren Gestaltungen, bei denen Aktienurkunden in den Hintergrund rücken, schon seit langem: Insbesondere börsennotierte Gesellschaften fassen ihre Aktien in Globalurkunden zusammen, die von der Clearstream Banking AG (als einzige deutsche Wertpapiersammelbank) verwahrt werden. Wenn Aktien solcher Gesellschaften übertragen werden, kommt es nicht zu der Übergabe einer Aktienurkunde. Vielmehr erfolgt lediglich eine Umbuchung zwischen verschiedenen Depotkonten. Dies vereinfacht die Abwicklung des vollelektronischen börslichen Aktienhandels auf Plattformen wie Xetra, dem elektronischen Handelsplatz der Deutschen Börse. Dieser ist seit 1997 in Betrieb und hat mittlerweile einen Marktanteil von rund 90 %.

Praktische Bedeutung von elektronischen Aktien

Zum jetzigen Zeitpunkt ergeben sich für börsennotierte Unternehmen aus einer Umstellung auf elektronische Aktien eher überschaubare praktische Vorteile. Für sie kommen momentan nur Zentralpapierregisteraktien in Sammeleintragung in Betracht. Im Vergleich zum Status Quo würden die Verwahrungskosten für eine Globalurkunde wegfallen, dagegen würden Kosten für die Registerführung und IT-Sicherheit sowie einmalige Kosten im Zusammenhang mit der Umstellung entstehen. Der Zugang zu vollelektronischen börslichen Handelsplätzen setzt (jedenfalls noch) keine elektronischen Aktien voraus.

Auch für kleinere Aktiengesellschaften mit überschaubarem Aktionärskreis, die kein weiteres Kapital aufnehmen wollen und deren Aktien nur selten gehandelt werden, werden die Vorzüge der elektronischen Aktie häufig den Umstellungsaufwand nicht rechtfertigen. Planen die Aktionäre solcher Gesellschaften, beispielsweise im Vorfeld eines Verkaufs des Unternehmens, die Verkehrsfähigkeit der Aktien zu steigern, dürfte eine klassische Verbriefung die naheliegendste und kostengünstigste Option bleiben.

Allerdings bergen Kryptoaktien in Einzeleintragung großes Potenzial für solche Gesellschaften, die neues Kapital aufnehmen wollen, für die ein Börsengang jedoch noch nicht in Betracht kommt.

Ohne Intermediär

Diese elektronischen Aktien können ohne einen Intermediär begeben werden, wodurch sich wesentliche Zeit- und Kosteneinsparungen ergeben können. Darüber hinaus sind sie wie Kryptowährungen dezentral, also auch abseits eines organisierten Marktes, handelbar und bieten eine hohe Transaktionssicherheit. Durch die Emission von Kryptoaktien könnten Aktiengesellschaften Zugang zu einer neuen Gruppe von Investoren erhalten, die vorwiegend in Kryptowährungen oder Non-Fungible Tokens (NFTs) investiert. Darüber hinaus können über Blockchain-Register vertragliche Gestaltungen durch sogenannte Smart Contracts automatisiert abgewickelt werden. Auch über die Auszahlung von Dividenden oder die Ausübung von Aktionärsrechten über die Blockchain wird bereits diskutiert.

Handelsplätze notwendig

Inwieweit dieses Potenzial von Kryptoaktien zukünftig realisiert wird, ist von einer Vielzahl von Entwicklungen abhängig.

Die Kapitalaufnahme durch Ausgabe von Kryptoaktien dürfte praktisch erst dann eine attraktive Option darstellen, wenn dafür Handelsplätze geschaffen und von Investoren genutzt werden. Dies setzt wiederum einen konstruktiven rechtlichen Rahmen voraus. Hierfür hat die EU bereits einen ersten Grundstein gelegt: Seit März 2023 läuft ein Pilotprojekt für Marktstrukturen, die auf Distributed-Ledger-Technologien basieren.

Das zeitlich befristete Projekt ist kapitalmäßig auf Emittenten mit einer Marktkapitalisierung von weniger als 500 Mill. Euro beschränkt. Im Rahmen des Pilot-Regimes könnten Kryptoaktien sogar in den Börsenhandel einbezogen werden, soweit die BaFin dies zulässt. Momentan ist noch unklar, ob bzw. in welcher Form die Pilot-Regelungen auch nach Ende des Projekts fortgelten. Dies könnte ein Hindernis für wesentliche Investitionen durch Betreiber von Handelsplätzen darstellen.

In diesem Zusammenhang wäre es förderlich, wenn etablierte Kryptobörsen wie Coinbase oder Bitpanda die Ausgabe und den Handel von Kryptoaktien auf ihren Plattformen zukünftig ermöglichen würden.

Gleichwohl müssten Aktiengesellschaften Kryptoaktien auch tatsächlich emittieren oder zumindest signalisieren, dass sie dafür offen sind (soweit die entsprechende Infrastruktur geschaffen wird). Es dürfte hilfreich sein, dass Aktiengesellschaften auch nur einen Teil ihrer Aktien elektronisch emittieren und somit die Vorteile von Kryptoaktien in begrenztem Umfang ‚am Markt‘ testen können.

Das auf Blockchain spezialisierte Technologieunternehmen Nyala Digital Asset AG hat als wohl erste deutsche Aktiengesellschaft im Januar 2024 Kryptoaktien ausgegeben. Vor allem außerhalb des Tech-Sektors scheint dagegen derzeit große Zurückhaltung zu herrschen. Insgesamt ist es allerdings noch zu früh, um eine aussagekräftige Bilanz zu ziehen.

Echter Mehrwert

Die Einführung der elektronischen Aktie war überfällig und ist zu begrüßen. Zwar haben elektronische Aktien momentan kaum praktische Bedeutung für börsennotierte Unternehmen und den börslichen Handel. Insbesondere mit den Regelungen zu Kryptoaktien hat der Gesetzgeber allerdings den Boden für praxisrelevante digitale Veränderungen bereitet, die echten Mehrwert in der Form von Kosteneinsparungen, Effizienzgewinnen und zusätzlichen Finanzierungsmöglichkeiten für Unternehmen bieten können – soweit die benötigte Infrastruktur geschaffen und der rechtliche Rahmen in konstruktiver Weise weiterentwickelt wird.

Dr. Julius Simon ist Rechtsanwalt, Dr. Jens Eggenberger ist Rechtsanwalt und Partner bei Flick Gocke Schaumburg.