Erste Anklage wegen Cum-Cum-Geschäften
Erste Anklage wegen Cum-Cum-Geschäften
Die Staatsanwaltschaft Wiesbaden hat gegen ehemalige Manager der Deutschen Pfandbriefbank Anklage wegen Steuerhinterziehung im Zusammenhang mit Cum-Cum-Geschäften erhoben. Der Steuerschaden soll rund 37 Mill. Euro betragen. Das Landgericht Wiesbaden hatte die Anklage im Februar 2024 nicht zugelassen und die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt. Auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft hat das Oberlandesgericht Frankfurt nun die Anklage zugelassen, da nach den vorläufigen Ermittlungsergebnissen die Wahrscheinlichkeit der Verurteilung wegen Steuerhinterziehung überwiege. Diese Entscheidung dürfte für die strafrechtliche Aufarbeitung der Cum-Cum-Geschäfte erhebliche Signalwirkung haben.
Beim Bezug von Kapitalertragsteuer auf Dividenden aus Deutschland ist Kapitalertragsteuer in Höhe von 25% einzubehalten. Im Fall eines Steuerausländers verbleibt die Definitivsteuerbelastung unter Berücksichtigung der Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung in der Regel bei 15%. Bei Steuerinländern kommt hingegen eine Anrechnung oder Erstattung der Kapitalertragsteuer in Betracht.
Vermeidung von Kapitalertragsteuer
Cum-Cum-Gestaltungen sind dadurch gekennzeichnet, dass ein Steuerausländer die Definitivbelastung mit Kapitalertragsteuer auf Dividendenausschüttungen vermeidet, indem er seine inländischen Aktien vor dem Dividendenstichtag auf eine inländische Person überträgt, die Kapitalertragsteuer-anrechnungsberechtigt ist, und nach der Ausschüttung der Dividende wieder zurückübertragen bekommt.
Bei Cum-Cum-Gestaltungen sind steuerrechtlich insbesondere der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums auf den Steuerinländer sowie das Vorliegen eines Gestaltungsmissbrauchs problematisch. Bei der rechtlichen Beurteilung der Sachverhalte ist zu bedenken, dass sich eine finanzgerichtliche Rechtsprechung zu Cum-Cum-Gestaltungen erst über die Jahre entwickelt hat.
Die Finanzverwaltung vertritt seit dem BMF-Schreiben vom 9. Juli 2021 die Auffassung, dass der Steuerinländer bei Cum-Cum-Geschäften nicht wirtschaftlicher Eigentümer der Aktien wird, was aber Voraussetzung für die Anrechnung der Kapitalertragsteuer ist. In dem bis dahin geltenden BMF-Schreiben vom 17. Juli 2017 hat die Finanzverwaltung noch die gegenteilige Auffassung vertreten.
Die Staatsanwaltschaft wirft den Angeklagten vor, im Zusammenhang mit Cum-Cum-Geschäften gegenüber den Finanzbehörden (konkludent) erklärt zu haben, dass das wirtschaftliche Eigentum an den Aktien übergegangen ist, obwohl dies nicht der Fall gewesen sei.
Das Finanzgericht Hessen hat in dem der Anklage zugrundeliegenden Sachverhalt im Jahr 2020 entschieden dass das wirtschaftliche Eigentum nicht auf den Steuerinländer übergegangen ist.
Seinerzeit unklare Rechtslage
Zur Begründung der unrichtigen bzw. unvollständigen Angaben führt die Staatsanwaltschaft aus, dass gegenüber der Finanzverwaltung die Einbettung in eine umfassende vertragliche Gestaltung im Sinne eines Modells zur Steuervermeidung nicht erwähnt, geschweige denn dessen nähere Ausgestaltung dargestellt worden sei. Die Anklage betrifft die Veranlagungszeiträume 2004, 2005 und 2006.
Bei der strafrechtlichen Bewertung des Sachverhalts ist zu berücksichtigten, dass es seinerzeit keine klare Rechtslage und keine einheitliche Rechtsauffassung der Finanzverwaltung gab. Das Landgericht Wiesbaden hatte daher auch entschieden, dass zum Tatzeitpunkt ein anderer Maßstab anzulegen gewesen sei, als dies nach aktueller Rechtsprechung der Fall sei. Es sei insbesondere nicht nötig gewesen, das vertragliche Gesamtkonzept in allen Einzelheiten gegenüber der Finanzverwaltung darzulegen.
In der Hauptverhandlung wird demnach die Frage zu beantworten sein, welche Offenlegungspflichten bei Cum-Cum-Gestaltungen in der Vergangenheit bestanden. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bestehen diese, wenn die von dem Steuerpflichtigen zum Zeitpunkt der Abgabe der Steuererklärung vertretene Auffassung über die Auslegung von Rechtsbegriffen oder die Subsumtion bestimmter Tatsachen von der Rechtsprechung, Richtlinien der Finanzverwaltung oder der regelmäßigen Veranlagungspraxis abweicht.
Zahlreiche Ermittlungsverfahren
Bundesweit sind im Zusammenhang mit Cum-Cum-Gestaltungen zahlreiche Ermittlungsverfahren anhängig. In Nordrhein-Westfalen wurde eine elfköpfige Cum-Cum-Ermittlungskommission gegründet. Zudem wird derzeit ein eigenes Sachgebiet im Landesamt zur Bekämpfung der Finanzkriminalität mit zusätzlichem Personal eingerichtet. Weitere Ermittlungsverfahren und Anklagen im Zusammenhang mit Cum-Cum-Gestaltungen dürften also folgen.
Wer in der Vergangenheit an Cum-Cum-Geschäften beteiligt war, sollte prüfen, ob eine Anzeigepflicht gegenüber der Finanzverwaltung oder gar die Notwendigkeit der Abgabe einer strafbefreienden Selbstanzeige besteht. Die Finanzverwaltung selbst vertritt seit 2021 die umstrittene Auffassung, dass bei Cum-Cum-Geschäften unter gewissen Voraussetzungen eine strafbewehrte Anzeigepflicht bestehe. Solange noch keine Ermittlungen anhängig sind, kann durch die Abgabe einer vorsorglichen Selbstanzeige Straffreiheit erreicht werden.