Nachhaltigkeit

ESG-Finance-Frameworks für Banken

Eine verbindliche Definition, was ein nachhaltiges Finanzprodukt ist, fehlt bisher. Daher setzen manche Banken selbst ein Regelwerk auf. Welche Kriterien ein ESG-Finance-Framework erfüllen sollte.

ESG-Finance-Frameworks für Banken

Von Miriam Bouazza*)

Mit dem Interesse an nachhaltigen Finanzprodukten wächst auch die Aufmerksamkeit für Greenwashing – Nachhaltigkeitsversprechen, die nicht eingelöst werden. In Ermangelung einer einheitlichen Definition für nachhaltige Finanzprodukte entwerfen Banken immer häufiger eigene ESG-Finance-Frameworks. Inhaltlich können sie sich dabei an Initiativen internationaler Kreditverbände orientieren und damit öffentlichkeitswirksam ein Nachhaltigkeitsstatement setzen.

Nachhaltigkeitsfinanzierungen sind ein schnell wachsendes Geschäftsfeld. Banken sehen sie als Differenzierungsmerkmal und nutzen ihr Engagement in diesem Bereich auch in ihrer Kommunikation. Unternehmen wiederum fragen nachhaltige Kredite an, um ihr eigenes Nachhaltigkeitsprofil zu verbessern. Auch vor dem Hintergrund nach wie vor niedriger Zinsen sind Unternehmensfinanzierungen mit Nachhaltigkeitskomponente als margenträchtiges Geschäft attraktiv für Banken und können ein strategisch wichtiger Schritt zur Gewinnung neuer Kunden sein. Ein schöner Nebeneffekt ist, dass eine tatsächlich nachhaltige Unternehmensführung auch das allgemeine Risikoprofil des finanzierten Unternehmens verbessern kann.

Andere Marktteilnehmer und Vertragspartner erwarten von Kreditinstituten, dass ihre eigenen Geschäftsmodelle ebenfalls von Nachhaltigkeit geprägt sind, was diese unter anderem durch das Anbieten nachhaltiger Kredite untermauern können. Jedenfalls verhelfen Nachhaltigkeitsfinanzierungen als fester Bestandteil des eigenen Produktportfolios einer Bank zu einer Verbesserung der eigenen Reputation am Markt.

Eine mögliche Herabsetzung der regulatorischen Eigenkapitalunterlegungsanforderungen für grüne Finanzierungen, ein sogenannter Green Supporting Factor, bedeutet eine weitere Motivation. Ob sie kommt, bleibt allerdings abzuwarten. Zudem ist sie umstritten, denn selbstverständlich sind nachhaltige Kredite nicht per se risikoärmer. Die European Banking Authority hat hierzu frühestens für 2022 ein Diskussionspapier angekündigt.

Eine anschließende Verbriefung von ausgereichten Nachhaltigkeitsdarlehen in sogenannte Sustainable Securitisations kann der Bank schließlich eine interessante Ausweitungsmöglichkeit ihrer Refinanzierungsoptionen eröffnen.

Der Greenwashing-Vorwurf

In dem Maß, in dem das Angebot an ESG-Produkten zunimmt und Finanzinstitute ihre Nachhaltigkeitsbemühungen in ihre Eigendarstellung einbinden, wächst das Misstrauen, es sei vielleicht nicht alles grün, was auf den ersten Blick grün glänzt. Der Vorwurf des Greenwashing wird oft mit einem Täuschungsvorwurf verknüpft. Eine Verteidigung dagegen ist allein deshalb schwer möglich, weil bislang keine verbindliche Definition regelt, was ein nachhaltiges Finanzprodukt ist und was nicht. Anstatt auf eine solche Vorgabe zu warten, setzen deshalb manche Banken selbst ein Regelwerk für das eigene Haus auf.

Ein solches ESG-Finance-Framework wirkt einerseits nach innen, bietet eine Orientierungshilfe für Zweifelsfragen und hilft dabei, ein konsistentes Handeln quer durch die gesamte Organisation sicherzustellen. Es kann bei der Entwicklung neuer Produkte ebenso die Richtung vorgeben wie bei der regelmäßigen Überprüfung bereits bestehender Produkte auf ihre fortbestehende Vereinbarkeit mit den Nachhaltigkeitszielen des Hauses und des Marktes.

Das Framework kann aber auch Wirkung nach außen entfalten, wenn die Bank es veröffentlicht und so Transparenz über ihre Regeln und Entscheidungsparameter schafft. Schließlich stellt die Bank damit auch einen Standard auf, an dem sie sich und ihre Produkte in der Zukunft messen lassen muss. In jedem Fall verhilft es der Bank dabei, sich als Ansprechpartner für nachhaltige Finanzprodukte zu etablieren.

So bietet das Framework auch eine Rechtfertigungsgrundlage für den Fall von Kritik an der ESG-Linie des Hauses dar, denn durch diese niedergelegten Regeln, deren regelmäßige Überprüfung die Bank ihren Kunden verspricht, manifestiert sie jedenfalls, gerade keinen Raum für Greenwashing zu belassen. Ein weiterer Schritt kann die Zertifizierung durch ein spezialisiertes, unabhängiges Unternehmen in Form einer sogenannten Second Party Opinion sein. Die Transparenz durch unabhängige Experteneinschätzungen ist ein wichtiges Element für die Glaubwürdigkeit von Versprechen.

Definition von Nachhaltigkeit

In allererster Linie allerdings muss ein Framework inhaltlich überzeugen. Dazu lohnt sich ein Blick auf die Arbeit der Organisationen, die aktuell dasselbe Ziel verfolgen und voraussichtlich entstehende Normen mitgestalten werden. Am prominentesten sind die Initiativen der internationalen Kreditverbände und der Europäischen Kommission. In einem erhöhten Standardisierungsgrad der Finanzierungsdokumentation wird die Chance gesehen, der Gefahr des Greenwashings einen Riegel vorzuschieben und damit das Vertrauen in diesen jungen und wichtigen Markt zu steigern.

Die Europäische Kommission ist dabei, durch verschiedene Gesetzesinitiativen den gesetzlichen Rahmen für eine verlässlichere Vergleichbarkeit nachhaltiger Finanzprodukte herzustellen. Mit der Offenlegungs- und Taxonomie-Verordnung wurden bereits zwei rechtsverbindliche EU-Vorschriften verabschiedet. Die technischen Screening-Kriterien zu den ersten beiden Umweltzielen (Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel) wurden bereits veröffentlicht. Es folgen weitere Kriterien zu den übrigen Umweltzielen sowie eine Reihe weiterer Initiativen. Die Loan Market Association in London, die Loan Synditions and Trading Association in New York und die Asia Pacific Loan Market Association in Hongkong haben gemeinsam am 21. März 2018 die Green Loan Principles veröffentlicht, kurz GLP. Sie bilden den Grundstein für eine Standardisierung der Vertragsdokumentation, die grünen und nachhaltigen Finanzprodukten zugrunde liegt. Ihre vier Grundprinzipien stellen den Rahmen dafür dar, wann eine Finanzierung als nachhaltig gelten darf:

Mittelverwendung: Die gewährten Darlehensmittel müssen für „grüne Projekte“ verwendet werden. Die GLP führen eine exemplarische Liste solcher Projekte auf.

Prozessbewertung und Auswahl: Das Unternehmen soll den Darlehensgebern die Umwelt- und Nachhaltigkeitsziele, den Prozess zur Bewertung, ob Projekte die Auswahlkriterien an grüne Projekte erfüllen, und schließlich auch die Auswahlkriterien, die es herangezogen hat, selbst erläutern.

Erlösverwaltung: Die gewährten Darlehensmittel müssen auf zweckgebundenen Konten gutgeschrieben oder anderweitig angemessen nachverfolgt werden. Die Rahmenbedingungen für eine ordnungsgemäße Verwendung der gewährten Darlehensmittel muss der Darlehensnehmer bereitstellen.

Reporting: Der Darlehensnehmer soll aktuelle Informationen zur Mittelverwendung, die auch regelmäßig zu überprüfen ist, vorhalten. Die GLB empfehlen, bestimmte Performance-Indikatoren festzulegen und die Prüfung der Erreichung dieser Performance-Indikatoren sowie die dabei angewandten Bewertungsmethoden offenzulegen.

Ebenfalls mit dem Ziel der Schaffung einer Standardisierung der Vertragsdokumentation haben die drei genannten Kreditmarktverbände ein Jahr darauf die Sustainability Linked Loan Principles, kurz SLLP, veröffentlicht. Sie stellen Nachhaltigkeitsprinzipien für Darlehensverträge dar, die den traditionellen „grünen“, also umweltspezifischen Finanzprodukten zwei weitere zentrale Aspekte beigesellen: Zum einen sollen neben Umweltthemen auch die beiden anderen ESG-Faktoren Social and Governance gefördert werden. Zum anderen richten sich die SLLP an alle Darlehensnehmer, unabhängig davon, welchem Zweck die gewünschte Finanzierung dienen soll, solange sich der Darlehensnehmer nur eine Verbesserung seiner Nachhaltigkeitsperformance zum Ziel gesetzt hat und dieses Ziel insoweit Bestandteil der Finanzierungsvertragsdokumentation geworden ist, dass die Zielerreichung oder -verfehlung einen unmittelbaren Einfluss auf die Konditionen der Finanzierung hat. So entsteht eine echte Verlinkung zwischen unternehmensseitig selbst gesetzten ESG-Zielen und der Unternehmensfinanzierung.

*) Miriam Bouazza ist Partnerin und Leiterin der Solution Line Legal Financial Services der KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft.

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