GastbeitragCompliance

EU geht härter gegen Korruption vor

Aus dem Entwurf für ein Maßnahmenpaket der EU-Kommission zur Bekämpfung von Korruption ergibt sich Änderungsbedarf auch in Deutschland.

EU geht härter gegen Korruption vor

EU geht härter gegen Korruption vor

Neue Richtlinie soll bestehende Regelungen modernisieren und harmonisieren – Änderungsbedarf auch in Deutschland

Von Gerson Raiser und Arthur Leonhardt *)

Die Europäische Kommission hat am 3.5.2023 den Entwurf eines Maßnahmenpakets zur Bekämpfung von Korruption vorgestellt. Die vorgeschlagenen Maßnahmen sollen EU-weit die Korruptionsprävention stärken und eine Kultur der Integrität schaffen sowie die Bekämpfung von Korruptionsdelikten harmonisieren und verschärfen, auch über die EU-Grenzen hinaus. Als Ausgangspunkt des Maßnahmenpakets soll ein EU-Netz zur Korruptionsbekämpfung aus Strafverfolgungsbehörden, öffentlichen Stellen, Angehörigen relevanter Berufsgruppen, Vertretern der Zivilgesellschaft und anderen Interessenträgern ins Leben gerufen werden, das den Erfahrungsaustausch im Rahmen eines bereits bestehenden EU-Programms ausweiten soll. Zudem soll das EU-Netz die Europäische Kommission bei der Erfassung von Bereichen unterstützen, in denen EU-weit ein hohes Korruptionsrisiko besteht, und Leitlinien zur Korruptionsprävention erarbeiten.

Rechtsrahmen variiert

Das Kernelement des Maßnahmenpakets bildet der Vorschlag zur Verabschiedung einer Richtlinie über die Bekämpfung der Korruption, mit der die existierenden Regelungen auf EU-Ebene modernisiert und harmonisiert werden sollen. Hintergrund der Initiative ist insbesondere, dass der Rechtsrahmen für Korruption zwischen den Mitgliedstaaten erheblich variiert, was vor allem eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit bei der Korruptionsbekämpfung erschwert. Die bisher auf EU-Ebene insoweit verabschiedeten Regelwerke hatten lediglich fragmentarischen Charakter.

Indem die Mitgliedstaaten verpflichtet werden, wirksame Vorschriften über den Umgang mit Interessenkonflikten im öffentlichen Sektor, über die Offenlegung und Überprüfung von Vermögenswerten von Amtsträgern und zur Regelung der Interaktion zwischen dem privaten und dem öffentlichen Sektor zu schaffen, soll die Korruptionsprävention gestärkt und eine Kultur der Integrität geschaffen werden. Es bleibt abzuwarten, welche konkreten Maßnahmen in den Mitgliedstaaten jeweils zur Umsetzung dieser Verpflichtung erforderlich wären.

Nicht nur klassische Delikte

Im Hinblick auf Deutschland wurde in der Vergangenheit etwa kritisiert, Karenzregelungen für Wechsel aus der Politik in die Wirtschaft seien unzureichend und Lobbyregister würden nur für hohe politische Ebenen geführt. Lobbyregister existieren in Deutschland derzeit auf Bundestags- und Bundesregierungsebene, allerdings nur in manchen Bundesländern auch auf Landesparlaments- und Landesregierungsebene.

Die Richtlinie soll insbesondere auch die Definitionen von Straftaten harmonisieren, die EU-weit als Korruptionsdelikte verfolgt werden sollen. Diese Straftaten sollen nicht nur „klassische“ Korruptionsdelikte wie Bestechung und Bestechlichkeit, sondern auch Veruntreuung, Einflussnahme, Amts- und Funktionsmissbrauch durch Amtsträger und Beschäftigte in der Privatwirtschaft, Behinderung der Justiz sowie Bereicherung durch Amtsträger im Zusammenhang mit Korruptionsdelikten umfassen.

Compliance soll sich auszahlen

Insbesondere die Bereicherung aus Korruptionsdelikten stellt bislang in den allermeisten Mitgliedsstaaten keinen eigenen Straftatbestand dar – die Aufnahme als spezielles Korruptionsdelikt würde die Verfolgung von Korruptionstaten erleichtern, unabhängig davon, ob eine Beteiligung des Amtsträgers an der eigentlichen Korruptionstat nachgewiesen werden kann. In Deutschland kann ein solches Verhalten bisher nur unter besonderen Voraussetzungen als Geldwäsche verfolgt werden und zur Einziehung von Vermögenswerten führen. Auch der Straftatbestand der Einflussnahme (trading in influence) ist dem deutschen Strafrecht bisher fremd.

Nach der Definition des Amtsträgerbegriffs im Richtlinienvorschlag sollen ferner für alle Angehörigen der Legislative die gleichen Korruptionstatbestände gelten wie für Beamte. Dies ist in Deutschland bislang anders. Vorteilsgewährungen an sogenannte Mandatsträger, wie Abgeordnete oder Gemeinderäte, können derzeit nur dann als Korruption strafbar sein, wenn sie im Gegenzug für Handlungen „bei der Wahrnehmung des Mandats“, also letztlich für Handlungen „im Parlament“, erfolgen. Die bezahlte Nutzung von Kontakten durch Mandatsträger, um etwa Auftragsvergaben oder sonstige Entscheidungen zu beeinflussen, fällt nicht darunter. Die Regelungen in der Richtlinie zur Einflussnahme und zu Mandatsträgern würden daher in Deutschland zu einer erheblichen Verschärfung führen.

Ein weiterer Aspekt der vorgeschlagenen Richtlinie ist die EU-weite Vereinheitlichung der für Korruptionsdelikte vorgesehenen Strafen und Verjährungsfristen. Hier gehen die Regelungen in den Mitgliedstaaten teilweise erheblich auseinander. Amtsträgerbestechung etwa kann derzeit je nach Land mit Freiheitsstrafen von zwischen bis zu 3 Monaten und 15 Jahren geahndet werden.

Eine bedeutende Verschärfung ist bei den Sanktionen für juristische Personen im Zusammenhang mit Korruptionsdelikten vorgesehen. So sollen Geldbußen von bis zu 5 % des weltweiten Jahresumsatzes von juristischen Personen (einschließlich verbundener Unternehmen) festgesetzt werden können. Allerdings sollen vor oder nach Tatbegehung implementierte effektive Antikorruptions-Compliance-Programme für juristische Personen sanktionsmildernd berücksichtigt werden. Auch eine unverzügliche Selbstanzeige soll sanktionsmildernd wirken.

Zusätzlich sollen die Mitgliedstaaten zur Gewährleistung einer wirksamen grenzüberschreitenden Strafverfolgung verpflichtet werden, klare Mechanismen zur Immunitätsaufhebung bei Korruptionsermittlungen und regierungsunabhängige Korruptionsbekämpfungsstellen zu schaffen. Zudem stellt der Richtlinienvorschlag Korruptionsdelikte im Hinblick auf die zur Aufklärung zulässigen Ermittlungsmaßnahmen mit organisierter Kriminalität gleich, womit beispielsweise ein Abhören von Telefonen und ähnliche Maßnahmen in der EU künftig überall zulässig sein sollen.

Neues Sanktionsregime

Darüber hinaus hat der Hohe Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik ebenfalls am 03.05.2023 die Einführung eines neuen Sanktionsregimes vorgeschlagen, das der EU ermöglichen soll, Sanktionen gegen Drittstaatenangehörige im Zusammenhang mit schweren Korruptionsdelikten zu verhängen – unabhängig davon, wo sie begangen werden. Solche Sanktionen zur weltweiten Korruptionsbekämpfung würden Verfügungs- und Bereitstellungsverbote (insbesondere das Einfrieren von Vermögenswerten) und Einreiseverbote für gelistete Personen umfassen. Bisher sind korruptionsbezogene Sanktionen auf EU-Ebene lediglich in den Verordnungen in Bezug auf Moldau und den Libanon vorgesehen. Im Zusammenhang mit der EU-Sanktionsverordnung im Bereich der Menschenrechte aus dem Jahr 2020 war von vielen Seiten erfolglos gefordert worden, entsprechend etwa dem US Global Magnitsky Act auch Korruptionsdelikte in die Liste sanktionierbarer Taten aufzunehmen. Nun soll dafür ein eigenes Sanktionsregime geschaffen werden. Insbesondere Bestechung oder Bestechlichkeit von Amtsträgern und die Veruntreuung von Vermögenswerten durch Amtsträger sollen sanktionierbare schwere Korruptionsdelikte darstellen.

Wichtiges Signal

Zwar waren die EU-Gremien zuletzt selbst von einem Korruptionsskandal betroffen (“Katargate“), doch ist das Maßnahmenpaket ein klares und wichtiges Signal der EU. Die vorgeschlagenen Rechtsakte müssen nun auf EU-Ebene erörtert und angenommen werden. Insbesondere das vorgeschlagene neue Sanktionsregime wird wohl von einigen Mitgliedstaaten skeptisch angesehen. Unabhängig davon ist allerdings bereits davon auszugehen, dass die Korruptionsbekämpfung in der EU auch bei Strafverfolgungsbehörden verstärkt in den Fokus rücken wird. Viele EU-Bürger betrachten das Thema mit Sorge: Einer Eurobarometer-Umfrage zufolge waren 2022 rund 68% der Europäer der Ansicht, dass Korruption in ihrem Land weitverbreitet ist, nur 31% hielten die Antikorruptionsmaßnahmen ihrer Regierung für wirksam.

*) Gerson Raiser ist Counsel, Dr. Arthur Leonhardt Associate in der Praxisgruppe „White Collar, Regulatory & Compliance“ von Clifford Chance in Frankfurt.

Gerson Raiser ist Counsel, Dr. Arthur Leonhardt ist Associate in der Praxisgruppe „White Collar, Regulatory & Compliance“ der Kanzlei Clifford Chance in Frankfurt.

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