EU-Kommission im Kampf gegen Briefkastenfirmen
Von Katharina Schiffmann und Corinna Schumacher *)
Der Ende 2021 veröffentliche Richtlinienvorschlag zur Bekämpfung der missbräuchlichen Nutzung von Briefkastenfirmen für Steuerzwecke („ATAD 3“) ist europaweit ein aktuell zentrales Thema. Dieser Beitrag umreißt den Anwendungsbereich Regelungen und erläutert mögliche Auswirkungen auf luxemburgische Fondsstrukturen und deren Holdinggesellschaften („SPV“).
ATAD 3 sieht eine Umsetzung in nationales Recht bis zum 30.6.2023 und ein Inkrafttreten ab dem 1.1.2024 vor. Die nachstehend beschriebene Selbsteinschätzung soll aber mit Bezug zu den beiden vorangegangenen Steuerjahren erfolgen. Nach aktuellem Zeitplan wären damit die Steuerjahre 2022 und 2023 für die Selbsteinschätzung heranzuziehen. ATAD 3 hätte daher bereits aktuell Auswirkungen.
Mehrstufige Prüfung
Sofern das Unternehmen nicht vom Anwendungsbereich ausgenommen ist, sieht ATAD 3 eine mehrstufige Prüfung vorgegebener Indikatoren vor, die zunächst im Rahmen einer Selbsteinschätzung und dann über die Steuererklärung (sog. Indikatoren für minimale Substanz) geprüft und erklärt werden müssen. Sollte ein Steuerzahler nicht in der Lage sein, die Indikatoren für minimale Substanz aufzuzeigen, wird widerleglich vermutet, dass er für das Steuerjahr keine minimale Substanz nachweisen kann.
Für die Widerlegung ebendieser Vermutung können die betroffenen Unternehmen Dokumente vorlegen, welche nachweisen, dass wirtschaftliche Gründe und nicht die Erlangung eines Steuervorteils für die Einschaltung des Unternehmens ursächlich sind.
Sofern eine Widerlegung der Vermutung nicht möglich ist, muss sowohl auf Ebene des betroffenen Unternehmens (Verwehrung des Zugangs zu Doppelbesteuerungsabkommen) als auch auf Ebene der Anteilseigner (Besteuerung des Einkommens der Briefkastengesellschaft so, als hätten die Anteilseigner dieses selbst erzielt) mit steuerlichen Konsequenzen gerechnet werden.
Ausdrücklich von der Meldepflicht bezüglich der Indikatoren für eine minimale Substanz ausgeschlossen, sind alternative Investmentfonds (AIFs), Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapiere (OGAW), sowie deren Verwaltungsgesellschaften bzw. Verwalter alternativer Investmentfonds (AIFM). Völlig offen bleibt die Behandlung von SPVs innerhalb dieser Strukturen. Auch der Verband der luxemburgischen Fondsindustrie (ALFI) sowie der Bundesverband der deutschen Fondsindustrie (BVI) sehen ATAD 3 kritisch und gehen von signifikanten Auswirkungen für SPVs aus. Die nachstehend dargestellten Lösungswege werden derzeit diskutiert.
Integrierter Ansatz
Aktuell sieht ATAD 3 vor, dass jedes Unternehmen in einer Struktur einzeln zu prüfen ist. Denkbar wäre daher ein integrierter Ansatz, bei dem die befreiten Fonds eine Schutzwirkung für die gesamte Struktur entfalten, so dass auch die zugehörigen SPVs unter die vorgenannte Ausnahme fielen. Aus unserer Sicht ist ein solcher Auslegungsansatz zu befürworten, da sich luxemburgische bzw. deutsche Fondsstrukturen regelmäßig an SPVs bedienen.
Ferner sind ausdrücklich Unternehmen mit Beteiligungen, die steuerlich in demselben Mitgliedstaat ansässig sind, wie ihre Anteilseigner, ausgenommen. Für eine Anwendung auf Fonds müsste dieser Anteilseigner des SPVs im Sinne von ATAD 3 sein. Bei einer direkten Beteiligung eines Fonds an einem SPV sollten sich gute Argumente finden lassen, dass dieses von ATAD 3 ausgenommen ist, sofern beide Unternehmen in Luxemburg steuerlich ansässig sind.
Für derzeit existierende SPVs ist in den meisten Fällen davon auszugehen, dass die Indikatoren für minimale Substanz nicht nachweisbar sein werden. Als Ausweg bliebe daher nur die Widerlegung der Vermutung von fehlender Substanz, wofür es aus unserer Sicht gut nachvollziehbare wirtschaftliche Gründe geben sollte.
Klarstellungen nötig
Mit ATAD 3 hat die EU-Kommission einen Vorschlag gemacht, der aus unserer Sicht aktuell zu Recht diskutiert wird. Für den Fondsstandort Luxemburg bleibt zu hoffen, dass sich im Gesetzgebungsverfahren klarstellende Änderungen für Fondsstrukturen ergeben, da diese in hohem Maße reguliert sind und direkt bzw. indirekt der Überwachung der luxemburgischen Finanzaufsichtsbehörde unterliegen.
Dies gilt umso mehr, da für die Zwischenschaltung von SPVs in den meisten Fällen nachvollziehbare wirtschaftliche Gründe vorliegen, so dass eine Widerlegung der Vermutung von fehlender Substanz in diesen Fällen denkbar ist.
Es bleibt jedoch abzuwarten, wie sich die EU-Kommission hinsichtlich der Behandlung von Fondsstrukturen positionieren wird.
*) Katharina Schiffmann und Corinna Schumacher sind Senior Associate der Kanzlei GSK Stockmann in Luxemburg.