GastbeitragM&A-Transaktionen

EU-Verordnung über Drittstaatensubventionen im Praxistest

Die EU Foreign Subsidies Regulation (FSR) findet seit Oktober 2023 Anwendung. Eine erste Bilanz der Praxis fällt durchwachsen aus. Das Regelwerk hat jedenfalls Kosten und Aufwand für Unternehmen erhöht. 

EU-Verordnung über Drittstaatensubventionen im Praxistest

EU-Verordnung zu Drittstaatensubventionen im Praxistest

Regelwerk erhöht Kosten und Aufwand für Unternehmen

Von Ulrich Soltész *)

Im Transaktionsgeschäft ist die EU Foreign Subsidies Regulation (FSR) in aller Munde. Die neue EU-Verordnung gibt der Europäischen Kommission weitreichende neue Befugnisse, um gegen Wettbewerbsverzerrungen vorzugehen, die durch Subventionen aus Nicht-EU-Staaten verursacht werden. Im Zentrum stehen neue Anmeldepflichten und Vollzugsverbote für M&A-Transaktionen, wenn diese durch Drittstaaten finanziell unterstützt werden. Die Vorschriften zielen zwar primär auf drittstaatliche Unternehmen. Allerdings können auch EU-Unternehmen betroffen sein, wenn sie Zuwendungen aus Nicht-EU-Staaten bekommen.

Die Grundidee der FSR ist überzeugend. Sie soll eine Regelungslücke schließen, die sich daraus ergibt, dass die EU-Mitgliedstaaten den strengen Grenzen des EU-Beihilferechts unterliegen, wenn sie in der EU tätige Unternehmen fördern, während für von Drittstaaten gewährte Subventionen keine vergleichbare Beihilfekontrolle besteht.

Neue Instrumente für die Kommission

Die neuen Vorschriften geben der Kommission drei weitreichende Instrumente an die Hand, um gegen drittstaatliche Subventionen vorzugehen:

  • Am Wichtigsten ist das sogenannte „M&A tool“. Hiernach unterliegen M&A-Transaktionen einer zusätzlichen FSR-Anmeldepflicht bei der Kommission. Bis zur Freigabe gilt ein Vollzugsverbot. Man nennt das auch „Fusionskontrolle 2.0“.
  • Nach dem „Procurement tool“ müssen Bieter bei der Vergabe großvolumiger öffentlicher Aufträge eine Anmeldung zu drittstaatlichen Zuwendungen machen.
  • Unabhängig von diesen Anmeldepflichten kann die Kommission im Rahmen des dritten Instruments („ex officio tool“) drittstaatliche Subventionen von Amts wegen untersuchen.

Formulare, Formulare, Formulare …  

Dies alles wird natürlich von umfangreichen Meldepflichten flankiert. Wie es sich für Brüsseler Gesetzgebung gehört, gibt es eine schwer verdauliche Durchführungsverordnung mit ausführlichsten Formblättern, die bei Anmeldungen unter dem M&A tool und dem Procurement tool auszufüllen sind. Im Übrigen bestehen die Anmeldepflichten unabhängig von anderen regulatorischen Verfahren, wie z. B. unter der EU-Fusionskontrollverordnung (FKVO) oder der Investitionskontrolle (FDI).

Unternehmen müssen also häufig parallele Anmeldungen vorbereiten und zeitgleich Verfahren im Rahmen verschiedener Rechtsinstrumente mit unterschiedlichen Fristen und Vollzugsverboten bewältigen. Das kann den Zeitplan einer Transaktion gehörig durcheinanderbringen, vor allem weil das FSR-Verfahren eine relativ langatmige Angelegenheit ist. Es umfasst ein informelles, aber de facto obligatorisches Pränotifizierungsverfahren von oft mehreren Wochen vor Anmeldung. Hinzu tritt selbst in einfachen Fällen eine Mindestdauer von 25 Arbeitstagen für den offiziellen Teil, ohne Beschleunigungsmöglichkeit.

Licht und Schatten

Die gute Nachricht: die Kommission hat zugehört. Der ursprüngliche Entwurf der Durchführungsverordnung war von den Stakeholdern aufs heftigste kritisiert worden. Dies betraf vor allem die realitätsfremden Vorgaben zur Offenlegung drittstaatlicher Zuwendungen. Die Kommission hat die massiven Bedenken ernst genommen und zumindest teilweise ausgeräumt. Es müssen nun also deutlich weniger Informationen offengelegt werden als zunächst geplant war.

Gleichzeitig hat aber die rechtliche und faktische Komplexität der Informationsbeschaffung zugenommen. Die zahlreichen Verweise auf komplexe Rechtsbegriffe und das vielschichtige System von Ausnahmen und Gegenausnahmen für „drittstaatliche finanzielle Zuwendungen“ (engl. „Foreign financial contributions – FFCs“) macht die Anwendung der FSR für Unternehmen in mancher Hinsicht noch anspruchsvoller. Vor allem ist der Begriff der meldepflichtigen FFCs extrem weit. Er umfasst auch eine Vielzahl von Maßnahmen, die – z.B. mangels einer selektiven Begünstigung – gar kein Subventionselement beinhalten.

Zu den relevanten FFCs gehören Zuschüsse, Darlehen, Garantien, Kapitalzuführungen, steuerliche Anreize, der Ausgleich von Betriebsverlusten, Schuldenerlasse, Umschuldungsmaßnahmen, Debt/equity swaps, Abgabenverzichte und sogar die bloße Bereitstellung oder der Kauf von Waren oder Dienstleistungen, unabhängig davon, ob diese Transaktionen zu Marktbedingungen erfolgen oder nicht.

Hinsichtlich des Ursprungs gehören zu den von der FSR erfassten „staatlichen“ Zuwendungen nicht nur solche von drittstaatlichen Behörden, sondern auch alle öffentlichen und sogar privaten Einrichtungen, deren Handlungen dem Drittstaat irgendwie zugerechnet werden können, z.B. Geschäfte beliehener Förderbanken oder bestimmte Maßnahmen öffentlicher Unternehmen.

Wichtig ist auch, dass sämtliche „finanzielle Zuwendungen“ aus allen Drittstaaten, die in den letzten drei Jahren an die Unternehmensgruppe gewährt wurden, zusammengerechnet werden. Dies gilt unabhängig davon, ob sie direkt oder auch nur indirekt mit der betreffenden M&A-Transaktion bzw. dem Vergabeverfahren in Zusammenhang stehen.

Hohe Arbeitsbelastung 

Es bleibt abzuwarten, ob und wie die Kommission in der Lage sein wird, diese enorme, zusätzliche Arbeitsbelastung zu stemmen. Sie hat sich bei den Fallzahlen offenbar verschätzt. Bereits nach wenigen Monaten liegt sie weit über den ursprünglichen Prognosen von 30 Fällen pro Jahr. Und das, obwohl die letzten Monate nicht gerade von einer Fusionswelle geprägt waren.  

Die Stoßrichtung der Fragen der Kommission war bisher teilweise überraschend. Besonderes Interesse zeigte sie z.B. an der Eigentums- bzw. Finanzierungsstruktur von Unternehmen. Vor allem bei Private-Equity-Fonds will sie genau wissen, welche Verbindungen es zu Drittstaaten gibt. Dies kann aufwändig werden, denn zu den zahlreichen Investoren gehören oft solche aus dem staatsnahen Bereich (Sovereign wealth funds, Pensionskassen, Universitäten und staatsnahe Stiftungen, etc.). 

Andererseits hat sich noch nicht der Verdacht bestätigt, dass die Kommission bestimmte Länder, wie z.B. China und Russland, im Fokus hat. Diese werden dem Vernehmen nach nicht strenger angefasst. Und umgekehrt bekommen auch solche Drittländer, die nicht im Verdacht einer besonders üppigen Subventionspraxis stehen, keine De-Luxe-Behandlung.

Details zu Ausschreibungen

Besonders aufwändig wird es, wenn einer Transaktion eine Ausschreibung vorausgegangen ist. Hier will die Kommission Details zu den verschiedenen Geboten und dem Bieteruniversum haben, um herauszufinden, ob der erfolgreiche Erwerbsinteressent einen Vorteil durch Subventionen erlangt hat.

Eine ärgerliche Situation ergibt sich für die engeren Nachbarn der EU, vor allem für die EWR-Staaten und die Schweiz. Anders als von der Kommission angekündigt, gelten diese allesamt als Drittstaaten und unterfallen damit der FSR-Kontrolle. Dies gilt auch dann, wenn sie ein umfassendes Freihandelsabkommen mit der EU abgeschlossen haben, das Bestimmungen zur Beihilfekontrolle enthält. Ironischerweise unterliegen also gerade diejenigen Länder einer doppelten Subventionskontrolle, die besonders eng mit der EU verbunden sind. Das ist schwer zu verstehen und sendet falsche Signale.

Die eigentliche Bewährungsprobe steht noch aus. Die Kommission hat noch in keinem M&A-Fall eine vertiefte Prüfung eingeleitet. Wenn es dazu kommt, dann wird dies die Ressourcen der Kommission sowie der Unternehmen auf die Probe stellen. Und es wird sich zeigen, wie weit die Kommission sich in diesem hochsensiblen politischen Bereich vorwagen will.  

Ständiges Monitoring

Der mit der Anmeldung verbundene Informationserfassungsprozess ist zeitaufwändig und komplex. Es müssen umfassende Daten auf globaler und konzernweiter Basis für die letzten drei Jahre gesammelt werden. Da dies nicht kurzfristig möglich ist, haben sich zahlreiche Unternehmen entschieden, ein ständiges Monitoring-System einzurichten. Dieses wird meist regelmäßig aktualisiert, so dass diese Informationen im Falle einer meldepflichtigen Transaktion auf Knopfdruck erhältlich sind.

Für die Unternehmen ist dies eine Bürde. Die vielbeschworene „Deregulierung“ sieht jedenfalls anders aus.

*) Dr. Ulrich Soltész ist Partner bei Gleiss Lutz in Brüssel

Dr. Ulrich Soltész ist Partner bei Gleiss Lutz in Brüssel