Bau-Aufträge

Firmen können sich mit Preisgleitklauseln schützen

Lieferengpässe und stark steigende Materialpreise fordern Baubranche und Bauherren heraus. Grundsätzlich gelten Vertragspreise als kalkulatorisches Risiko des Unternehmers.

Firmen können sich mit Preisgleitklauseln schützen

Von Christine Weyand*)

Die Preise für Baustoffe gehen derzeit durch die Decke. Hinzu kommen steigende Energiekosten, Deponieknappheiten und Lohnerhöhungen. Durch die globale Pandemie wird diese Situation noch verschärft. Bauunternehmen beklagen vermehrt Lieferengpässe. Baumaterialien können teilweise nicht mehr bestellt werden. Baustopps und Bauunterbrechungen sind als Folge nicht mehr auszuschließen.

Die Ursachen hierfür sind vielfältig. Mit einer Stabilisierung der Lage ist kurzfristig nicht zu rechnen. Branchenvertreter fürchten gar eine Pleitewelle bei Baubetrieben. Preiserhöhungen können bei abgeschlossenen Verträgen i.d.R. nicht von Bauunternehmen an Bauherren weitergegeben werden. Bei der vertraglich vereinbarten Vergütung handelt es sich grundsätzlich für die Dauer der Vertragslaufzeit um einen Festpreis, der sich nicht erhöht. Egal ob Pauschalpreis-, Einheitspreis- oder Stundenlohnvertrag. Preiserhöhungen sind allenfalls bei zusätzlichen oder geänderten Leistungen oder geänderter Bauzeit möglich.

Kalkulatorisches Risiko

Bereits in der Vergangenheit wurde im Rahmen von erheblichen Materialkostensteigerungen z.B. bei Stahlpreisen diskutiert, ob gravierende Kostenerhöhungen zu Vertragspreisanpassungen wegen „Störung der Geschäftsgrundlage“ (§313 BGB) führen müssten. In der obergerichtlichen Rechtsprechung (so z.B. OLG Hamburg Urt. v. 28.12.2005 – 14 U 124/05) wurde jedoch eine Preisanpassung u.a. mit der Begründung abgelehnt, die Auftragnehmer hätten sich vorausschauend eindecken oder Preisgleitklauseln vereinbaren können.

Grundsätzlich gelten Vertragspreise daher als kalkulatorisches Risiko des Bauunternehmers, sodass eine Weitergabe der Preiserhöhungen an den Bauherrn nach Vertragsschluss schwierig ist. Ohne hinzutretende besondere Umstände führen daher auch erhebliche Preissteigerungen nicht zu einem Anspruch auf Vergütungsanpassung, so das Urteil des OLG Hamburg.

Hohe Anforderungen

Eine Preisanpassung auf Basis des §313 BGB kommt allenfalls dann in Betracht, wenn der Bauunternehmer seine Preiskalkulation vor Vertragsabschluss hinsichtlich der jeweils relevanten Materialbeschaffung zur Geschäftsgrundlage gemacht hat. Die Anforderungen hierfür sind jedoch hoch. Selbst eine offengelegte Kalkulation (z.B. im Rahmen eines Pauschalvertrags) wird nicht automatisch zur gemeinsamen Geschäftsgrundlage.

Bauherren können angesichts dieser Situation aber keinesfalls erleichtert aufatmen. Denn die Bauunternehmen werden auf den Preismarkt entsprechend reagieren müssen. Derartige Preissprünge lassen jede Kalkulation zu einem unberechenbaren Risiko für Bauunternehmen werden. Bei zukünftigen Verträgen werden Bauherren damit rechnen müssen, dass sich Bauunternehmen neben entsprechenden Risikoaufschlägen durch Preisgleitklauseln gegen Preisschwankungen auf dem Rohstoffmarkt abzusichern versuchen. Dabei handelt es sich um eine vertragliche Regelung, die den Bauherrn bei der Erhöhung definierter Kostenarten an der Preissteigerung beteiligen. Denkbar sind sowohl Material-Preisgleitklauseln als auch Lohngleitklauseln oder Preisgleitklauseln nur für bestimmte Materialien wie z.B. Holz oder Metalle.

Zudem könnte der Bauablauf im Hinblick auf bestehende Lieferengpässe verzögert werden oder zum Baustopp führen. Zwar liegen auch Beschaffung und Lieferung der Materialien grundsätzlich im Risikobereich des Auftragnehmers, sodass der Auftraggeber einen Schadensersatzanspruch für verzögerungsbedingt entstandene Kosten haben könnte. Sowohl die VOB/B (Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen – Teil B) als auch der BGB-Werkvertrag setzen hierfür jedoch eine schuldhafte Pflichtverletzung voraus. Daran fehlt es, wenn die fehlende Beschaffung des Materials auf „höhere Gewalt“ zurückzuführen ist. Nach §6 Abs. 2 Nr. 1 c) VOB/B werden bei einem VOB/B-Vertrag zudem die Ausführungsfristen verlängert.

Auftraggeber beteiligen

Von „höherer Gewalt“ kann man jedoch nur dann ausgehen, wenn das jeweilige Material tatsächlich nicht lieferbar ist. Materialknappheit darf also nicht auf mangelhafte Planung oder unzureichende Bestellung zurückzuführen sein. Außerdem dürften fehlende Materialien auch nicht zu einem höheren Preis – was dem Auftragnehmer aufgrund der Risikozuweisung zumutbar wäre – zu beschaffen sein. Nach obergerichtlicher Rechtsprechung fallen selbst exorbitante Preissteigerungen in die Risikosphäre des Auftragnehmers.

Bei künftigen Verträgen werden Bauherren auch hier mit entsprechenden Abreden rechnen müssen, nach denen der Bauherr zumindest teilweise an diesem Risiko beteiligt wird. Dies könnte z.B. durch eine entsprechende Festlegung im Vertrag als „höhere Gewalt“ geschehen.

Neben den dargestellten juristischen Möglichkeiten kann aber auch anderweitig Vorsorge betrieben werden, z.B. durch rechtzeitige Beschaffung von liquiden Mitteln. Ebenso könnte eine Versicherung des Preisrisikos oder die Steigerung von Gewinnmargen durch digitalen Planungsprozess (Stichwort „BIM“) in Betracht gezogen werden.

*) Christine Weyand ist Fachanwältin für Bau- und Architektenrecht bei Taylor Wessing.