GastbeitragImmobilienfonds

Folgenreiches Urteil für Investmentfonds

Der Europäische Gerichtshof hat die deutsche Fondsbesteuerung für europarechtswidrig erklärt. Die Auswirkungen des Urteils sind gravierend.

Folgenreiches Urteil für Investmentfonds

Folgenreiches Urteil für Investmentfonds

Deutsche Fondsbesteuerung 2004 bis 2017 nicht mehr haltbar – Ausländische Adressen können Steuererstattungen verlangen

Von Konrad Rohde *)

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit Urteil vom 27. April 2023 erstmalig zur deutschen Fondsbesteuerung entschieden – diese ist europarechtswidrig und darf so in den Jahren 2004 bis 2017 nicht mehr angewendet werden. Konkret entschied der EuGH in der Rechtssache L Fund (Aktenzeichen: C-537/20), dass es nicht europarechtskonform sei, dass nur deutsche Spezialimmobilienfonds – nicht aber auch ausländische Spezialimmobilienfonds – mit ihren Einkünften von der deutschen Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer befreit sind.

Klare Begründung

Der zugrundeliegende Sachverhalt ist überschaubar: Ein Luxemburger Fonds investierte in deutsche Immobilien und erzielte Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sowie aus der Veräußerung der Immobilien. Aufgrund seiner Struktur wurde der ausländische Fonds aus deutscher Sicht als ausländischer Spezialimmobilienfonds nach dem deutschen Investmentsteuerrecht behandelt und wurde als solcher mit seinen inländischen Immobilieneinkünften mit deutscher Körperschaftsteuer besteuert.

Der Fonds wehrte sich gegen die Besteuerung unter anderem mit der Begründung, dass im Vergleich inländische Spezialimmobilienfonds in Deutschland von der Körperschaftsteuer befreit seien. Die Versagung dieser Steuerbefreiung für ausländische Spezialimmobilienfonds widerspreche europäischem Recht.

Kapitalverkehrsfreiheit beschränkt

Nach erfolgloser Klage vor dem Finanzgericht kam der Bundesfinanzhof im Revisionsverfahren zu dem Schluss, dass der klagende ausländische Spezialimmobilienfonds nach deutschem Recht eigentlich mit seinen Immobilieneinkünften in Deutschland zu besteuern wäre. Er hatte jedoch Zweifel, ob dieses Ergebnis im Einklang mit europäischem Recht stünde. Da er eine unzulässige Beschränkung der europarechtlich gewährleisteten Kapitalverkehrsfreiheit nicht ausschließen konnte, legte der Bundesfinanzhof den Fall dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung vor.

Kein Rechtfertigungsgrund

Der Europäische Gerichtshof kam mit Urteil vom 27. April 2023 zu dem Ergebnis, dass eine unzulässige Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit vorliege. Die Kapitalverkehrsfreiheit sei beschränkt, da ausländische Spezialimmobilienfonds im Gegensatz zu inländischen Spezialimmobilienfonds mit ihren inländischen Immobilieneinkünften besteuert würden. Das gelte selbst dann, wenn man die Anlegerebene in diese Betrachtung mit einbeziehe.

Der Sachverhalt eines ausländischen Spezialimmobilienfonds sei auch mit dem eines deutschen Spezialimmobilienfonds vergleichbar. Beide Fondstypen könnten deutsche Anleger haben und konzeptionell verfolge die Investmentbesteuerung bei beiden Fonds das Ziel, eine Anlage über einen Investmentfonds einer Direktanlage steuerlich gleich zu stellen.

Bemerkenswerte Aussagen

Der Europäische Gerichthof sah die Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit im vorliegenden Fall mangels Rechtfertigung durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses als unzulässig an. Selbst wenn man davon ausginge, dass die bestehende Regelung notwendig sei, um die Kohärenz des deutschen Steuersystems zu wahren, ginge eine Ungleichbehandlung ausländischer und deutscher Fonds im bestehenden Besteuerungssystem aber über das hinaus, was hierfür erforderlich sei.

Auch könne die Beschränkung nicht mit der Wahrung der ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten gerechtfertigt werden. Dieser Rechtfertigungsgrund scheide aus, wenn die inländischen Einkünfte deutscher Fonds von der Steuer befreit wären.

Die EuGH-Entscheidung bewegt sich auf der Linie seiner bereits bestehenden Rechtsprechung zur Fondsbesteuerung in anderen europäischen Ländern. Mit Blick auf die deutsche Fondsbesteuerung ist hervorzuheben, dass ein direkter Zusammenhang zwischen der Steuerbefreiung eines inländischen Investmentfonds und der Besteuerung der Anleger angenommen wurde.

Selbst ein solcher direkter Zusammenhang reichte aber nicht aus, um eine volle Besteuerung ausländischer Investmentfonds zu rechtfertigen. Ausländischen Investmentfonds hätte nämlich – als milderes Mittel zur streitigen Regelung – eine Steuerbefreiung unter dem Vorbehalt des Nachweises der Anlegerbesteuerung eingeräumt werden müssen.

Quellensteuerabzug unerheblich

Nicht erheblich war für den Europäischen Gerichtshof die Tatsache, dass der klagende ausländische Fonds nur ausländische Anleger hatte. Es reichte aus, dass ein ausländischer Spezialimmobilienfonds auch inländische Anleger haben könne.

Ebenso wenig war erheblich, dass inländische Immobilienerträge bei ausländischen Anlegern eines inländischen Spezialimmobilienfonds als unmittelbar bezogene Immobilieneinkünfte galten und einem Quellensteuerabzug unterlagen.

Gesetzgeber reagiert

Der Gesetzgeber hatte bereits ab dem Jahr 2018 das in den Jahren 2004 bis 2017 geltende Investmentsteuerrecht aufgrund europarechtlicher Bedenken geändert. Seitdem sind sowohl inländische als auch ausländische Investmentfonds grundsätzlich steuerbefreit und beide Fondstypen unterliegen lediglich mit bestimmten inländischen Einkünften der Besteuerung.

Die Auswirkungen des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 27. April 2023 sind jedoch erheblich, da die Finanzverwaltung verpflichtet ist, einen europarechtskonformen Zustand für die Jahre 2004 bis 2017 herzustellen. Dies betrifft ausländische Fonds, die in den Jahren 2004 bis 2017 als Investmentfonds nach damals geltendem Investmentsteuerrecht anzusehen waren, die direkte Anlagen im Inland getätigt hatten und deren Steuerfestsetzungen für die Jahre 2004 bis 2017 noch verfahrensrechtlich änderbar sind.

Fallgruppen

Folgende Fallgruppen lassen sich unterscheiden: Europäische Spezialimmobilienfonds sind aufgrund des Urteils des Europäischen Gerichtshofs mit ihren inländischen Immobilieneinkünften in den Jahren 2004 bis 2017 in Deutschland grundsätzlich steuerbefreit. Sie können die Rückzahlung von auf Immobilienerträge gezahlten Körperschaftsteuern und Gewerbesteuern verlangen.

Gleiches muss für europäische Investmentfonds mit anderen inländischen Erträgen, zum Beispiel Dividenden aus deutschen Beteiligungen, in den Jahren 2004 bis 2017 gelten. Europäische Investmentfonds wurden in den Jahren 2004 bis 2017 direkt mit ihren beschränkt steuerpflichtigen inländischen Einkünften in Deutschland besteuert, inländische Investmentfonds waren hingegen steuerbefreit.

Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 27. April 2023 ist direkt auf diese Fälle übertragbar, da sich die Begründung des Urteils weder spezifisch auf Immobilienanlagen noch auf die Besonderheiten der Besteuerung ausländischer Anleger von inländischen Spezialimmobilienfonds bezieht. Europäische Investmentfonds, die nicht als Spezialimmobilienfonds anzusehen sind, müssen folglich ebenfalls von der deutschen Besteuerung befreit werden. Insbesondere kann eine Erstattung von auf Kapitalanlagen einbehaltenden und abgeführten Kapitalertragsteuern verlangt werden.

Unklare Rechtslage

Für Investmentfonds aus Drittstaaten ist nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 27. April 2023 die Rechtslage noch nicht geklärt. Unklar ist, ob die sogenannte Stand-Still-Klausel eingreift und damit die eigentlich bestehende Beschränkung des freien Kapitalverkehrs im Drittstaatenkontext doch zulässig ist.

Bei Anlagen in Beteiligungen unter 10% sollte die Stand-Still-Klausel nicht eingreifen, bei Immobilieninvestments ist dies unsicher. Hierüber wird gegebenenfalls weiter Streit bestehen.

Verbindliche Regel nötig

Zu wünschen wäre, dass das Bundesministerium der Finanzen das Urteil des EuGH vom 27. April 2023 schnell aufnimmt und für die Praxis die Umsetzung verbindlich für alle Finanzbehörden regelt. Damit können die betroffenen Investmentfonds kurzfristig und rechtssicher eine Rückzahlung der europarechtswidrig gezahlten Steuern erreichen.

Dr. Konrad Rohde ist Partner im Frankfurter Büro von DLA Piper

*) Dr. Konrad Rohde ist Partner im Frankfurter Büro von DLA Piper.
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