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Geplante Verzugsverordnung beschränkt geübte Zahlungspraktiken

Ein Verordnungsentwurf der EU-Kommission beschränkt die maximale Zahlungsfrist auf 30 Tage. Das ist ein gravierender Eingriff in den Grundsatz der Vertragsfreiheit.

Geplante Verzugsverordnung beschränkt geübte Zahlungspraktiken

Geplante Verzugsverordnung beschränkt geübte Zahlungspraktiken

EU-Kommission legt Entwurf vor – Bürokratie wird ausgebaut

Von Wolf Stumpf *)

Bisher sind nach deutschem Recht im Geschäftsverkehr auch längere Zahlungsziele zulässig. Die Zahlungsverzugsverordnung vom 12. September könnte gravierende Änderungen für bislang etablierte Zahlungspraktiken bedeuten.

Die Bekämpfung von Zahlungsverzögerungen zum Schutz von kleineren und mittleren Unternehmen verfolgt die EU-Kommission seit Jahren. Bereits mit der Zahlungsverzugsrichtlinie hatte sie versucht, das Ausmaß der Zahlungsverzögerungen im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und im Verkehr zwischen Unternehmen und öffentlichen Stellen als Schuldnern zu verringern. Da dies aus ihrer Sicht nicht den gewünschten Erfolg gebracht hat, soll die Zahlungsverzugsrichtlinie durch die wesentlich strengere Zahlungsverzugsverordnung ersetzt werden.

Maximale Frist von 30 Tagen

Bereits die Richtlinie sah eine Begrenzung von Zahlungszielen vor. Nach aktuell geltendem Recht ist es jedoch möglich, Zahlungsziele von über 60 Tagen zu vereinbaren, soweit dies mit Blick auf die Belange des Gläubigers nicht grob unbillig ist. Diesem Konzept erteilt die Europäische Kommission eine Absage und setzt anstelle dessen im Verordnungsentwurf auf eine maximale Zahlungsfrist von 30 Tagen; vertragliche Regelungen mit längeren Zahlungszielen sind unwirksam.

Soweit die Leistung des Gläubigers – etwa beim Werkvertrag – einer Abnahme bedarf, sieht der Entwurf einen Zeitraum für die Abnahme von maximal 30 Tagen vor. Für Verzugszinsen ist nunmehr eine „automatische“ Fälligkeit und die EU-weite Vereinheitlichung des Verzugszinssatzes (der in der Zahlungsverzugsverordnung definierte Bezugszinssatz zzgl. 8%) vorgesehen.

Neu ist die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, sogenannte Durchsetzungsbehörden einzurichten, die den Vollzug der Verordnung überwachen und über umfangreiche Befugnisse verfügen. Diese Behörden werden von Amts wegen oder aufgrund von Beschwerden tätig. Sie dürfen Untersuchungen und Ermittlungen durchführen und können in deren Rahmen auch unangekündigte Nachprüfungen vor Ort vornehmen. Durchsetzungsbehörden sind auch zur Verhängung von Sanktionen (beispielsweise Bußgelder) gegen Unternehmen befugt, die gegen die Zahlungsverzugsverordnung verstoßen haben; diese Sanktionsentscheidungen können öffentlich gemacht werden. Ebenso sind sie berechtigt, Schuldner zur Zahlung von Verzugszinsen zu verpflichten.

Eingriff in Vertragsfreiheit

Die Regelungen des Entwurfs stellen teilweise einen gravierenden Eingriff in den das Zivilrecht prägenden Grundsatz der Vertragsfreiheit dar. Insbesondere die undifferenzierte Vorgabe eines maximal zulässigen Zahlungsziels von 30 Tagen gefährdet etablierte Zahlungspraktiken im Handel, die als Ergebnis kaufmännischer Verhandlungen häufig längere Zahlungsfristen vorsehen. Eine einzelfallbezogene Bewertung über 30 Tage hinausgehender Zahlungsziele wird im Anwendungsbereich der Zahlungsverzugsverordnung nicht mehr möglich sein.

Damit schießt die EU-Kommission weit über ihr Ziel des Schutzes kleinerer und mittlerer Unternehmen vor Zahlungsverzögerungen hinaus, da beispielsweise auch Zahlungsvereinbarungen zwischen auf Augenhöhe miteinander verhandelnden Großunternehmen mit einem Zahlungsziel über 30 Tage unzulässig wären. Als Kollateralschaden nimmt die Verordnung auch Auswirkungen auf Supply-Chain-Finance-Modelle in Kauf, bei denen ein im Lager des Schuldners stehender Finanzierer dem Gläubiger dessen Forderung abkauft und ihm somit sofortige Liquidität zur Verfügung stellt, währenddessen der Schuldner längere Zahlungsziele für die Erfüllung der an den Finanzierer abgetretenen Forderung nutzen kann. Häufig wird hierbei zwischen Gläubiger und Schuldner bereits das längere Zahlungsziel vereinbart. Ein sachlicher Grund, in dieser Konstellation das Zahlungsziel bei 30 Tagen zu deckeln, ist nicht ersichtlich. Auch kleinere und mittlere Unternehmen profitieren infolge des sofortigen Liquiditätszuflusses, der Bilanzverkürzung und der Verlagerung des Ausfallrisikos des Schuldners von diesem Modell.

Die in der Zahlungsverzugsverordnung vorgesehene Einführung von Durchsetzungsbehörden erscheint angesichts des allseits propagierten Bürokratieabbaus aus der Zeit gefallen und dürfte eher zu einem Ausbau der Bürokratie führen. Ob es einer Geschäftsbeziehung zweier Unternehmen gut tut, wenn die Behörde von Amts wegen Ermittlungen anstellt, ist ebenso fraglich, zumal offenbar keine Möglichkeit vorgesehen ist, dass auf Wunsch des Schuldners die Ermittlungen einzustellen sind; Letzterem ist es nach dem Entwurf sogar versagt, auf Verzugszinsen zu verzichten.

Differenzierung erforderlich

Das Anliegen der EU-Kommission zur Bekämpfung des Zahlungsverzuges ist berechtigt. Die Verhältnisse im Geschäftsleben sind indes vielfältig und erfordern eine differenzierende Betrachtung. Dies gewährleistet der Entwurf der Zahlungsverzugsverordnung jedoch nicht, sondern führt zu erheblichen Eingriffen in die Privatautonomie und beschränkt geübte Zahlungspraktiken sowie die Nutzung bewährter Mechanismen zur Liquiditätssicherung wie das Reverse Factoring. Es ist zu hoffen, dass der Entwurf im weiteren Verlauf der Abstimmung zwischen den beteiligten Institutionen Nachbesserungen erfährt.

*) Wolf Stumpf ist Partner der Kanzlei Noerr.

Wolf Stumpf

Partner der Kanzlei Noerr

*) Wolf Stumpf ist Partner der Kanzlei Noerr.

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