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Rettungschancen für insolvente Unternehmen sind gering

Die Wahrscheinlichkeit, dass auf den Insolvenzantrag die endgültige Firmenschließung folgt, ist gestiegen. Denn potenzielle Investoren tun sich schwer mit einer Übernahme des Geschäftsbetriebs. Doch zugleich werden Ressourcen frei, die gesunde Unternehmen nutzen können.

Rettungschancen für insolvente Unternehmen sind gering

Geringe Rettungschancen für insolvente Unternehmen

Konkursanträge nehmen zu – Investitionsbereitschaft schwindet – Nur knapp einer von drei Betrieben kann über die Sanierung neu ausgerichtet werden

Von Rainer Eckert *)

In Deutschland steigt die Zahl der Unternehmensinsolvenzen, während parallel dazu die Rettungschancen bei Firmenpleiten stetig sinken. Allein in der ersten Hälfte des Jahres 2024 sollen laut Datenerhebungen unterschiedlicher Beratungsunternehmen und Forschungsinstitute die Insolvenzanträge um rund 30% im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gestiegen sein – bei den Unternehmen mit Umsätzen ab 10 Mill. Euro, sogenannten Großinsolvenzen, waren es sogar rund 40% mehr Anträge als ein Jahr zuvor.

Die Experten sind sich einig, dass dies noch nicht das Ende des Trends ist. Zahlreiche Studien stützen die These und zeichnen ein düsteres Bild: Die Investitionsbereitschaft auf dem Markt schwindet, besonders wenn es um Übernahmen geht. Denn auch die potenziellen Investoren spekulieren, dass die Talfahrt wohl noch nicht vorbei sein kann.

Die Statistiken zeigen, dass die Rettungschancen von Unternehmen seit 2020 extrem zurückgegangen sind. Konnte im ersten Corona-Jahr noch mehr als jeder zweite Geschäftsbetrieb über die Sanierung für die Zukunft neu ausgerichtet werden, so waren es im vergangenen Jahr 2023 nur noch knapp einer von drei Antragstellern. Dieser Trend beschleunigt die Schließung von Unternehmen und verschlechtert im ersten Moment die ohnehin angeschlagenen gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen weiter. In diesem multikomplexen Zusammenspiel aus unterschiedlichen sich bedingenden wirtschaftlichen Faktoren ist allerdings langfristig mit Erholung und Erneuerung zu rechnen.

Investoren vorsichtig

Ein Blick auf die aktuelle Lage zeigt, dass die Bereitschaft großer Kapitalanleger und Geldgeber zu investieren fast auf dem Nullpunkt angekommen ist. Schwer berechenbare Märkte und globale Unsicherheiten, die Abkehr von der Nullzinspolitik und geopolitische Spannungen lassen Investoren zögern. Wer sein Geld noch riskiert, tut dies mit äußerster Vorsicht – immer öfter passiert das allerdings gar nicht mehr. Internationale Investoren machen derzeit häufig einen großen Bogen um Deutschland – nicht zuletzt wegen hoher Energiekosten und der überbordenden Bürokratie.

Banken halten sich zurück

Die Folge: Geld fließt kaum noch in neue Projekte, und der Markt stagniert zusehends. Auch der Fachkräftemangel und steigende Rohstoffkosten tragen dazu bei, dass Investoren sich zurückhalten. Unternehmen sehen sich mit explodierenden Energie- und Rohstoffpreisen konfrontiert, während die Unsicherheiten in globalen Lieferketten anhalten.

Auch die Banken halten sich zurück. Die Zeit, in der Kreditvergaben großzügig waren, ist längst vorbei. Stattdessen haben die Finanzhäuser die Zügel angezogen und die Anforderungen an Bonität und Belastbarkeit von Geschäftsmodellen drastisch verschärft. Unternehmen, die früher problemlos Kredite erhielten, müssen nun strenge Auflagen erfüllen und können sich nicht mehr auf einfache Finanzierungsquellen verlassen.

Gleichzeitig sind die Märkte volatil, und der Euro hat an Wert verloren, in der Folge werden Importe teurer. Während die Finanzierungsmöglichkeiten schwinden, steigen die Verbraucherpreise und Löhne weiter, wenn auch nicht so schnell wie im vergangenen Jahr.

Ausweg Geschäftsaufgabe

Das Ergebnis ist eine Zunahme von Unternehmensschließungen. Ohne Investitionen und mit steigenden Betriebskosten sehen viele Unternehmer keinen anderen Ausweg als die Geschäftsaufgabe. Auch wenn es dann kaum Hoffnung für das unternehmerische Einzelschicksal gibt, so birgt jede dieser Krisen auch Chancen für die allgemeine Wirtschaftsentwicklung: Mit den Schließungen werden Ressourcen frei – Kapital, Fachkräfte, Marktanteile –, die von neuen, innovativen Unternehmen genutzt werden können.

Hier liegt die Möglichkeit für einen wirtschaftlichen Neustart, für die Neuausrichtung der Märkte. Diese Anpassungen können zu einer effizienteren Nutzung von Ressourcen führen, da neue Unternehmen mit modernen Geschäftsmodellen und Technologien in die entstandenen Lücken stoßen. Es besteht auch die Möglichkeit, dass Branchen sich stärker spezialisieren und dadurch wettbewerbsfähiger werden.

Gleichzeitig kann die Konsolidierung innerhalb von Branchen, etwa durch Fusionen oder Übernahmen, zur Schaffung größerer, stabilerer Marktteilnehmer führen, die global wettbewerbsfähig sind.

Staatshilfen

Es gibt durchaus zahlreiche Unternehmen, die einen erhaltenswerten Kern besitzen – sei es technisches Know-how, spezialisierte Arbeitsplätze oder eine zentrale Position in der Lieferkette. Wenn solche Firmen fallen, zieht das oft weite Kreise. Dennoch sind staatliche Rettungsversuche in der Vergangenheit oft fehlgeleitet gewesen.

Allzu häufig wurden Firmen mit Geld am Leben gehalten, deren Geschäftsmodelle längst überholt waren. Die Folge: Wertvolle Ressourcen wurden in wirtschaftliche „Zombie-Unternehmen“ gepumpt, die die notwendige Erneuerung auf dem Markt blockierten. Dabei gibt es auch bei der Geschäftsaufgabe dieser Unternehmen eine positive Seite: Schließungen setzen Kräfte frei, die in effizientere und wettbewerbsfähigere Unternehmen fließen können. Dieser Prozess ist ein natürlicher und damit notwendiger Motor für Fortschritt und Wohlstand.

Galeria und Meyer Werft

Staatliche Eingriffe waren in der jüngeren Wirtschaftsgeschichte der Bundesrepublik rückblickend selten erfolgreich. Geraten prominente Unternehmen in Schwierigkeiten, scheint die Versuchung für die Politik groß, Staatshilfen zu gewähren. Anders als zu Beginn der Corona-Pandemie besteht nunmehr eine strukturelle Krise und keine durch ein externes Ereignis hervorgerufene Schocksituation.

Trotz massiver Hilfen geriet die Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof bereits zum dritten Mal in ein Insolvenzverfahren. Ob es jetzt gelingt, ein Geschäftsmodell aufrecht zu erhalten, das anscheinend nicht mehr die heutige Nachfrage bedient, bleibt abzuwarten.

Ob es gelingen wird, mit Milliarden-Hilfen die Schiffbauindustrie in Deutschland aufrecht zu erhalten, wird sich zeigen. Im Rahmen der Überwindung der Krise der Meyer Werft hatten private Investoren kein Interesse an dem Geschäftsmodell gezeigt, auch der Staat sollte sich fragen, ob das gewählte Konzept für die Zukunft potenziell nachhaltig ist.

Innovationsstau

Insbesondere wenn man berücksichtigt, dass z.B. Banken auch die ökologische Nachhaltigkeit eines Geschäftsmodells bei der Kreditvergabe beurteilen müssen. Dies dürfte sicherlich eine nicht ganz einfache Abwägung für die Produktion von gigantischen Kreuzfahrtschiffen mitten im Binnenland bedeuten.

Mit der Erfahrung der vergangenen Jahre ist es jedenfalls diskussionswürdig, ob in Deutschland weiterhin an nicht wettbewerbsfähigen Geschäftsmodellen festgehalten werden sollte. Die zur Rettung verwendeten Mittel könnten alternativ dafür genutzt werden, die vernachlässigte Infrastruktur in Deutschland wieder wettbewerbsfähig zu machen. Straßen, Bahnstrecken und Krankenhäuser bedürfen Investitionen in Milliardenhöhe. Das eingesetzte Geld würde sowohl kurz- als auch langfristig Arbeitsplätze schaffen. Auch die bürokratischen Hürden müssen drastisch abgebaut werden: Genehmigungsverfahren und Gerichtsprozesse dauern teilweise so lange, dass die Institutionen im europäischen und internationalen Vergleich im Extremfall nicht mehr als funktionierend wahrgenommen werden.

Neue Chancen

In meiner Eigenschaft als Co-Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht & Sanierung im Deutschen Anwaltverein erlebe ich ständig neue politische Regulierungen. Damit deckt sich auch mein Eindruck aus der Praxis, dass die konkrete Realisierung von Vorhaben so viel Zeit in Anspruch nimmt, dass sie in der Wahrnehmung der Beteiligten nicht zur Umsetzung gelangt. In der Restrukturierungsbranche wünscht man sich vor allem mehr handfeste und anwendbare Ansätze, um Verfahren insolventer Unternehmen zu vereinfachen.

Bis es so weit ist, wird sicherlich noch einige Zeit vergehen, die, zunächst geprägt von noch deutlich drastischeren wirtschaftlichen Krisen, schließlich zu einer Umkehr und neuen Chancen führen wird. Es bleibt damit die Perspektive und der positive Ausblick auf ein Land in einem investitionsfreundlichen, innovativen und zuversichtlichen Umfeld bestehen.

*) Dr. Rainer Eckert ist Gründungspartner der Kanzlei Eckert Rechtsanwälte, Lehrbeauftragter an der Leibniz Universität Hannover und seit 2022 Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht & Sanierung im Deutschen Anwaltverein.

Dr. Rainer Eckert ist Gründungspartner der Kanzlei Eckert Rechtsanwälte mit Hauptsitz in Hannover. Die Kanzlei, die mit Büros in 19 deutschen Städten vertreten ist, gehört zu den führenden deutschen Restrukturierungs- und Insolvenzkanzleien. Eckert ist Fachanwalt für Steuerrecht sowie für Insolvenz- und Sanierungsrecht mit den Tätigkeitsschwerpunkten Gesellschaftsrecht, Unternehmensverkäufe und Insolvenzrecht. Seine Promotion hat er im Insolvenzrecht abgelegt. Der 61-Jährige ist Lehrbeauftragter an der Leibniz Universität Hannover und seit 2022 Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht & Sanierung im Deutschen Anwaltverein. Foto: Eckert Rechtsanwälte
*) Dr. Rainer Eckert ist Gründungspartner der Kanzlei Eckert Rechtsanwälte, Lehrbeauftragter an der Leibniz Universität Hannover und seit 2022 Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht & Sanierung im Deutschen Anwaltverein.