GastbeitragInternationales Steuerrecht

Globale Mindeststeuer in Deutschland greifbar nahe

Die Umsetzung der Vorschläge für eine globale Mindestbesteuerung rückt näher. Hohe Komplexität und Regelungsdichte stellt Unternehmen vor enorme Herausforderungen.

Globale Mindeststeuer in Deutschland greifbar nahe

Globale Mindeststeuer in Deutschland greifbar nahe

Mittel gegen unfairen Steuerwettbewerb zwischen Staaten – Erhöhte Haftungsrisiken für Unternehmen – Enorme Regelungsdichte

Von Georg Bestelmeyer und Sven Kluge *)

Auf OECD-Ebene wird bereits seit einiger Zeit der Versuch unternommen, internationale Steuerstandards zu harmonisieren und aggressive Steuergestaltungsmodelle zu verhindern. Mit dem „Anti Base Erosion and Profit Shifting Projekt“ (Projekt zur Verhinderung von Gewinnkürzung und Gewinnverlagerung, kurz BEPS-Projekt) stand bisher die Vermeidung von Gewinnverlagerungen großer, multinationaler Konzerne in allseits bekannte Steueroasen im Fokus. Da kleine und mittelständische Unternehmen derartige Möglichkeiten oftmals nicht nutzen können, dient das BEPS-Projekt nicht nur dem Wettbewerb der Unternehmen untereinander, sondern insbesondere der Stärkung bzw. dem Erhalt des inländischen (deutschen) Steueraufkommens. In dieser Tradition steht auch der jüngst veröffentlichte Referentenentwurf zur Einführung einer globalen Mindeststeuerung für international tätige Großkonzerne.

Problem der Doppelbesteuerung

Aggressive Strategien zur Steuervermeidung sind – zumindest bei deutschen Unternehmen – eher die Ausnahme, zumal die in Deutschland seit Jahrzehnten etablierte Hinzurechnungsbesteuerung effektiv diskussionswürdige Gestaltungen verhinderte. Da die weltweiten Steuersysteme nicht harmonisiert sind, kommt es des Öfteren zum gegenteiligen Problem der Doppelbesteuerung. Die Einführung der globalen Mindestbesteuerung beseitigt diese Problematik jedenfalls nicht.

Ein nicht minder wichtiges Ziel der BEPS-Initiative ist es, unfairen Steuerwettbewerb zwischen einzelnen Staaten zu vermeiden, wofür die globale Mindestbesteuerung durchaus als politisch probates Mittel erscheint. Die globale Mindestbesteuerung stellt die zweite Säule der von der OECD verfolgten Zwei-Säulen Strategie dar und betrifft einmalmehr vornehmlich weltweit agierende Großkonzerne mit einem Umsatzvolumen über 750 Mill. Euro. Mit der globalen Mindestbesteuerung soll sichergestellt werden, dass die Einkünfte der betroffenen Unternehmen länderweise einer effektiven Besteuerung von mindestens 15% unterliegen. Mangels eigener Gesetzgebungskompetenz der OECD, verbleibt die Umsetzung bei den Nationalstaaten. Nachdem sich in der EU zunächst ein längeres Tauziehen um die Einführung der auf OECD-Ebene erarbeiteten Regelungen andeutete, wurden sich die EU-Mitgliedsstaaten schließlich doch noch einig und verpflichteten sich mit einer entsprechenden EU-Richtlinie im Dezember 2022 zur nationalen Umsetzung und Anwendung ab 2024.

Viele Spezialfälle

Entsprechend hat das Bundesministerium der Finanzen (BMF) am 7. Juli 2023 nun seinen offiziellen Referentenentwurf für ein deutsches Umsetzungsgesetz veröffentlicht. Bereits im März stellte das BMF einen ersten Diskussionsentwurf zur Verfügung, zu welchem bereits umfangreiche Eingaben gemacht wurden. Der aktuelle Referentenentwurf ist im Vergleich zum nur drei Monate jüngeren Diskussionsentwurf nochmals gewachsen und beinhaltet auf rund 290 Seiten nunmehr 95 Paragrafen eines vollständig neuen Steuergesetzes zur Umsetzung der Regelungen für eine globale Mindestbesteuerung in Deutschland – und zwar zusätzlich zu den von der OECD sowie der EU auf bisher über 600 Seiten veröffentlichten Regelungen und Anwendungshinweisen.

Allein die schiere Masse an Regelungen und offensichtlich notwendigen Erläuterungen stehen im starkem Kontrast zu dem gewünschten Bürokratieabbau und der Vereinfachung der Steuergesetze. Andererseits erscheint die Fülle der bisher veröffentlichten Regelungen und Anwendungshinweise wohl notwendig. Denn das grundlegende Problem besteht darin, dass die Regelungen einer Vielzahl von Spezialfällen der teilnehmenden Länder gerecht werden müssen.

Hoher Aufwand

Für Unternehmen bedeutet dies einen erheblichen Bürokratiemehraufwand und hohe Rechtsunsicherheit. Durch die nun noch einmal enorm gestiegene Komplexität werden Missverständnisse und Fehlinterpretationen in der Auslegung zunehmend wahrscheinlicher. Umso unverständlicher ist es, dass Begrifflichkeiten und Definitionen auf OECD, EU und nationaler Ebene teils nicht vollständig deckungsgleich sind. Hier drohen in der Tat neue Besteuerungskonflikte und zusätzliche Doppelbesteuerung. Inwieweit dies noch in Relation zu den zusätzlich erwarteten Steuereinnahmen steht, erscheint zumindest fraglich.

Die hohe Komplexität und Regelungsdichte der globalen Mindestbesteuerung stellt Unternehmen vor neue Herausforderungen und verlangt einen interdisziplinären Ansatz in der Implementierung. Im Vordergrund steht hierbei die enge Abstimmung von Steuer- und Konzern-Bilanzierungsabteilungen. Denn Unternehmen verfügen oftmals noch nicht über die ausweichend detaillierte Datengrundlage. Um die technischen Voraussetzungen zur Erhebung und Verarbeitung relevanter Datenpunkte zu schaffen, wird weiterhin regelmäßig die IT-Abteilung einzubeziehen sein. Zudem müssen Unternehmen vor dem Hintergrund eines Tax Compliance Management Systems sowie drohender Bußgelder entsprechende Compliance-Prozesse einführen. Alles in allem ist daher mit erheblichen internen und externen Kosten für Unternehmen zu rechnen.

Sanktionen konkretisiert

Der aktuelle Referentenentwurf konkretisiert auch die Bußgeldvorschriften. Wer - vorsätzlich oder leichtfertig - seine Mindeststeuerpflicht nicht, nicht fristgerecht, nicht richtig oder nicht vollständig erfüllt, handelt ordnungswidrig und kann mit hoher Geldbuße belegt werden. Zwar soll für eine Übergangszeit hiervon abgesehen werden können, dies erfordert jedoch, dass angemessene Maßnahmen zur Sicherstellung der ordnungsgemäßen Abgabe ergriffen wurden. Für Unternehmen bedeutet dies einmal mehr, dass unternehmensinterne Prozesse angepasst, ergänzt oder gar neu eingeführt werden müssen. Zusammengefasst: Es wird ein effektives und effizientes Tax Compliance Management System benötigt, durch welches Deklarationsfehler frühzeitig erkannt und behoben werden können.

Zweite Säule der Besteuerung

Die Mindeststeuer soll als eine eigenständige Steuer von Einkommen und Ertrag neben die Einkommens- und Körperschaftssteuer treten. Damit wird tief in das bestehende Besteuerungssystem eingegriffen und – quasi über Nacht – eine zweite Säule der Besteuerung für Unternehmensgewinne eingeführt. Um Widersprüche zu der bestehenden Steuersystematik zu vermeiden, ist mit weiteren Änderungen der bestehenden Steuergesetze zu rechnen. Die Komplexität der Steuergesetzgebung wird weiter zunehmen, um die parallele Erhebung der globalen Mindestbesteuerung zu ermöglichen.

Nicht nur auf Unternehmensebene ist mit erheblichem Mehraufwand zu rechnen. Auch die Finanzverwaltung muss Know-how aufbauen und entsprechende Prozesse einführen. Für eine gewisse Vereinfachung soll die Zentralisierung beim Bundeszentralamt für Steuern sorgen, was im Referentenentwurf positiv als Bürokratieabbau ausgewiesen wird. Inhaltlich ist jedoch vor allem problematisch, dass die globale Mindestbesteuerung in weiten Zügen auf der (internationalen) Konzernrechnungslegung basiert. Derartige Kompetenz wird klassischerweise unternehmensseitig in der Konzern-Bilanzierungsabteilung vorgehalten, das heißt insbesondere in den Konzernrechnungslegungsabteilungen von börsennotierten Großunternehmen, die Konzernabschlüsse nach IFRS aufstellen. IFRS-Abschlüsse sind bislang jedoch für die Besteuerung irrelevant. Behördenseitig gilt es nun, diesen Wissensvorsprung aufzuholen und vertiefte Kenntnisse in der (internationalen) Konzernrechnungslegung aufzubauen.

Die Zeit drängt

Neben den rein technischen Fragen zur Umsetzung auf Unternehmens- und Finanzverwaltungsebene wird auf internationalem Parkett schnellstmöglich zu klären sein, wie mit Konflikten bei unterschiedlicher nationaler Auslegung der Regelungen zur globalen Mindestbesteuerung umzugehen ist. Auch für Unternehmen bleibt nun nicht mehr viel Zeit. Ab Januar 2024 müssen besteuerungsrelevante Daten erhoben und verarbeitet werden können. Daher gilt es nun schnellstmöglich geeignete Prozesse einzuführen und die Auswirkungen der globalen Mindestbesteuerung im Konzern zu prüfen.

Da die Folgen der Einführung der Mindestbesteuerung ab 1. Januar 2024 schon im ersten Quartalsabschluss 2024 gezogen werden müssen, sind die Konzernsteuerabteilungen bereits jetzt gezwungen, Projekte auf vorläufigen Gesetzesentwürfen zu starten, um die notwendigen Daten durch stabile Prozesse rechtzeitig generieren zu können. Diese Aufgaben werden die Steuerabteilungen in den Unternehmen die nächsten Monate und Jahre intensiv fordern.

*) Dr. Georg Bestelmeyer und Dr. Sven Kluge sind Steuerberater und Partner der Anwaltssozietät Flick Gocke Schaumburg.

Dr. Georg Bestelmeyer und Dr. Sven Kluge sind Steuerberater und Partner der Anwaltssozietät Flick Gocke Schaumburg.