Greenwashing als neue Herausforderung für die Wirtschaft
Greenwashing als neue Herausforderung für die Wirtschaft
ESG-Regulatorik und Rechtsprechung können neue Klagewelle auslösen
Von Sonja Hoffmann *)
Die CO2-Bilanz eines Produkts zählt seit einiger Zeit zu den wichtigsten Einflussfaktoren bei den Kaufentscheidungen von Verbrauchern. Das unternehmerische Streben nach Klimaneutralität und die darauf ausgerichteten Werbeversprechen gewinnen hierbei über alle Branchen hinweg wachsende Bedeutung.
Zunehmend sehen sich Unternehmen mit ihren grünen Werbeversprechen sogenannten „Greenwashing“-Vorwürfen ausgesetzt. Greenwashing beschreibt die Praxis, einen falschen oder jedenfalls irreführenden Eindruck dahingehend zu erwecken, dass die Produkte oder deren Herstellungsverfahren besonders umweltfreundlich bzw. nachhaltig sind.
Irreführende Bewerbung
Einfach ausgedrückt: Greenwashing liegt vor, wenn Unternehmen sich oder ihre Produkte grüner darstellen als sie sind. Gleiches gilt für „Pinkwashing“ bei behaupteter LGBTQ-Freundlichkeit (Lesbisch, Schwul, Bisexuell, Transgender und Queer), „Bluewashing“ für das Vortäuschen sozialen Engagements oder „Ethics-Washing“ für vermeintlich ethisch saubere Beschaffungen.
Auch Finanzdienstleister betroffen
Umwelt- und Verbraucherschutzverbände klagen bereits seit einiger Zeit gegen die aus Ihrer Sicht irreführende Bewerbung von Produkten mit Nachhaltigkeit, Klimaneutralität und anderen Umweltversprechen. Dies betrifft auch Finanzdienstleistungsunternehmen und Banken, deren grüne Finanzprodukte ebenso von Greenwashing-Vorwürfen betroffen sind bzw. sein können.
Ein Trend zur Kollektivklage ist aber nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Ländern wie Frankreich, England oder auch den USA zu beobachten. In den EU-Mitgliedsstaaten ist zu erwarten, dass der Klagetrend durch EU-Gesetzesänderungen im Verbraucherschutz wie der „EU Green Claims Directive“ und der Einführung kollektiver Rechtsschutzinstrumente weiter an Aufschwung gewinnt.
Wegweisendes BGH-Urteil
In Deutschland läutete der Bundesgerichtshof (BGH) mit seinem Katjes-Urteil bereits vorab einen neuen Abschnitt im Kampf gegen Greenwashing ein. Mit seinem wegweisenden Urteil im Juni 2024 äußerte sich der BGH erstmals zum Thema Greenwashing und untersagte Weingummi-Hersteller Katjes die Bezeichnung der eigenen Produkte als „klimaneutral“. Der BGH urteilte, dass die Verwendung des Begriffs „klimaneutral“ zu Werbezwecken irreführend und damit unzulässig ist, wenn die Aussage nicht von Erläuterungen begleitet wird, ob die Produktion tatsächlich aufgrund von entsprechenden CO2-Einsparungen klimaneutral ist oder Klimaneutralität lediglich durch eine Kompensation der im Produktionsprozess anfallenden CO2-Emissionen erfolgt. Der Begriff „klimaneutral“ sei insofern für Verbraucher mehrdeutig und daher irreführend, da nach Ansicht des BGH die Reduktion und die Kompensation von CO2-Emissionen keine gleichwertigen Maßnahmen zur Herstellung von Klimaneutralität darstellen.
Maßstab verschärft
Interessant ist, dass einige Oberlandesgerichte bislang davon ausgingen, dass dem durchschnittlichen Verbraucher bekannt sei, dass mit der Verwendung des Begriffs „klimaneutral“ auch die Kompensation der anfallenden CO2-Emissionen gemeint sein kann und dementsprechend kein UWG-Verstoß (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb) vorliegt. Dies sah der BGH allerdings anders und nahm damit vorweg, was der deutsche Gesetzgeber aufgrund der Europäischen Richtlinie zur Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel ohnehin bis 2026 umsetzen muss: das Verbot, Produkte durch die Kompensation von Treibhausgasemissionen als klimafreundlich zu bewerben.
Green Claims Directive
Der Maßstab, an dem sich Unternehmen messen lassen müssen, wird somit vom EU-Gesetzgeber und auch von der Rechtsprechung erhöht. Und die nächste weit strengere Richtlinie zur Umsetzung des European Green Deal liegt mit der EU-„Green Claims Directive“ im Entwurf bereits vor. Werbeaussagen müssen künftig korrekt, also wahr und nicht irreführend, wissenschaftlich und extern verifiziert, belegbar sowie zielgruppenadäquat nachvollziehbar sein. Die Umsetzung der „Green Claims Directive“ ist derzeit für 2027 geplant.
Imagefaktor Nachhaltigkeit
Für Unternehmen haben diese neuen Vorgaben erhebliche Relevanz, insbesondere mit Blick auf potenzielle Reputations-, Compliance- und Haftungsrisiken und in Verbindung mit gestärkten kollektiven Rechtsschutzmöglichkeiten. Die durch Verbraucherschutzverbände bereits angestoßenen Klagen wegen Greenwashing dürften durch die Rechtsprechung des BGH und die anstehenden Umsetzungen von diversen EU-Richtlinien weiter Aufwind bekommen. Es ist davon auszugehen, dass zukünftige Werbeaussagen deutlich knapper ausfallen werden.
Aktuell ist bereits zu beobachten, dass Unternehmen nicht mehr produktbezogen, sondern bezüglich der Nachhaltigkeit des Unternehmens insgesamt werben, was zum einen auf die steigenden Anforderungen an produktbezogene Werbung und zum anderen auf das wachsende Interesse der Verbraucher an der Nachhaltigkeit eines Unternehmens in seiner Gesamtheit zurückzuführen sein dürfte.
*) Rechtsanwältin Dr. Sonja Hoffmann ist Partnerin von White & Case in Frankfurt.