GastbeitragUmweltstrafrecht

Grenzüberschreitende Bekämpfung von Umweltkriminalität nimmt Fahrt auf

Eine Kooperation von Interpol, WWF und Bundesumweltministerium geht international gegen Umweltstraftaten vor. Der Kampf läuft gegen ein lukratives Geschäft der organisierten Kriminalität mit bislang geringen Aufdeckungsquoten.

Grenzüberschreitende Bekämpfung von Umweltkriminalität nimmt Fahrt auf

Bekämpfung von Umweltkriminalität nimmt Fahrt auf

Allianz aus Interpol, WWF und Bundesumweltministerium geht international gegen organisiertes Verbrechen vor

Von Julia Baedorff
und Margarete Weiß *)

Mit gebündelten Kräften soll die Bekämpfung organisierter Umweltkriminalität vorangetrieben werden: Das Bundesumweltministerium (BMUV) will gemeinsam mit Interpol und dem World Wide Fund For Nature (WWF) durch ein dreijähriges Projekt grenzüberschreitende Straftaten aufdecken und unterbinden, die erhebliche schädliche Auswirkungen auf Klima, Biodiversität und Umwelt haben. Ganze 5 Mill. Euro stellt das BMUV dafür zur Verfügung, wie Anfang des Jahres in einer gemeinsamen Pressekonferenz bekanntgegeben wurde.

Schwer aufzudecken

Unter dem Begriff Umweltkriminalität werden verschiedenste illegale Handlungen verstanden, durch die Ökosysteme, Tiere oder Pflanzen sowie das Klima geschädigt werden. Dabei gilt Umweltkriminalität neben dem Drogen-, Waffen- und Menschenhandel als eine der Haupteinnahmequellen der organisierten Kriminalität. Sie findet typischerweise grenzüberschreitend statt.

Dass die Dimensionen nicht zu unterschätzen sind, ist keine neue Erkenntnis: Bereits in einem Bericht aus Januar 2021 hatte Interpol unter Bezugnahme auf Eurojust von jährlichen Gewinnen in Höhe von bis zu 258 Mrd. Dollar gesprochen – mit rasant steigender Tendenz.

Diese hohen Gewinne erzielen Täter bisher bei vergleichsweise geringem Aufdeckungsrisiko: Umweltkriminalität ist schwer aufzudecken, zu verfolgen und zu bestrafen. Das liegt immer wieder auch an den an Staatsgrenzen endenden Kompetenzen der Strafverfolgungsbehörden.

Kriminelle Netzwerke operieren zudem oft nicht nur international, sondern auch in verschiedenen kriminellen Geschäftsfeldern wie Geldwäsche, illegalem Handel, Korruption, Menschen-, Waffen- oder Drogenhandel.

In der Pressekonferenz zu dem neuen Projekt mit Interpol und WWF sprach Bundesumweltministerin Steffi Lemke von einer Verschärfung der „planetare(n) Dreifachkrise – Artenaussterben, Klimakrise und Vermüllung.“ Die Schäden durch kriminelle Organisationen für die natürlichen Lebensgrundlagen seien erheblich. Kriminelle Organisationen würden etwa vom Aussterben bedrohte Tiere töten und mit ihnen handeln, wichtige CO2-Speicher und Lebensräume wie Waldgebiete kahlschlagen oder Landschaften durch das illegale Ablagern von Abfall vergiften und unbewohnbar machen. Jedes Jahr würden Kriminelle so illegale Milliardengewinne erzielen. Umwelt und Natur müssten vor diesem Raubbau bewahrt und das Klima geschützt werden.

Die Kooperation solle nun Kräfte bündeln und einen wichtigen Beitrag im Kampf gegen grenzüberschreitende Umweltkriminalität leisten. Letztlich solle auch das Bewusstsein anderer Akteure für Umweltstraftaten und deren Auswirkungen geschärft werden, etwa das der internationalen Finanzmärkte für die Konsequenzen von illegalem Goldabbau mit Quecksilber für die Menschen vor Ort sowie für den Amazonas.

Übergeordnetes Ziel

Als übergeordnete Ziele setzt sich das gemeinsame Projekt von BMUV, Interpol und WWF die Stärkung grenzüberschreitender Kooperationen von Strafverfolgungsbehörden sowie den Schutz zivilgesellschaftlicher Organisationen bei der Aufdeckung und Verfolgung von Umweltstraftaten. Die Kooperation erstreckt sich dabei auf Umweltkriminalität in den Bereichen Fischerei, Waldrodung, Bergbau, Umweltverschmutzung und Wildartenhandel. Die vom BMUV für das gemeinsame Projekt zur Verfügung gestellten 5 Mill. Euro stammen aus der seit 2008 bestehenden Internationalen Klimaschutzinitiative (IKI), einem zentralen Programm der internationalen Klima- und Biodiversitätsförderung der Bundesregierung.

Durch das gemeinsame Projekt soll laut Interpol-Generalsekretär Valdecy Urquiza ein Beitrag zum Aufbau von Kapazitäten geschaffen werden. Insbesondere die Informationsbeschaffung soll verbessert und so auch der operative Erfolg wirksam unterstützt werden. Konkret ist ein koordinierter Informationsaustausch in Echtzeit unter Verwendung bereits bestehender Interpol-Datenbanken geplant. Es soll eine Plattform geschaffen werden, auf der Umweltstraftaten weltweit aufgelistet werden, um beispielsweise zu verhindern, dass der illegale Abbau eines Rohstoffs nach Entdeckung durch die Behörden vor Ort im Nachbarland von derselben kriminellen Organisation fortgeführt werden kann.

Kein Kavaliersdelikt

Hinweise für die Plattform soll insbesondere der WWF liefern und so unter anderem mit Ortskenntnissen und guten Kontakten zur Bevölkerung zur Kooperation beitragen. Als Teil der Zivilgesellschaft sei er in vielen relevanten Gebieten vor Ort engagiert und habe so einen umfangreichen Überblick über Umweltschädigungen.

WWF und Interpol kooperierten bereits seit einigen Jahren miteinander. So habe man gemeinsam forensische Methoden entwickelt, um Produkte aus illegal geschlagenem Tropenholz in Deutschland und anderen europäischen Ländern zu identifizieren.

Laut Heike Vesper, Vorständin Transformation Politik und Wirtschaft beim WWF Deutschland, rückt das gemeinsame Projekt mit der Umweltkriminalität ein bisher stark unterschätztes Phänomen in den Fokus. Viel zu häufig gingen Umweltstraftäter straffrei aus. Die Zerstörung von Umwelt und Biodiversität aus Profitgier sei jedoch kein Kavaliersdelikt, sondern ein ernstzunehmendes Verbrechen mit lokalen wie globalen Konsequenzen für Mensch und Natur. Jedenfalls von einer Unterschätzung des Phänomens durch den europäischen Gesetzgeber kann wohl kaum mehr die Rede sein: Bereits vor einem knappen Jahr wurde eine EU-Richtlinie zur Bekämpfung von Umweltkriminalität verabschiedet, die am 20. Mai 2024 in Kraft getreten ist.

Die Zeit läuft

Nun muss die Umweltstrafrechtsrichtlinie innerhalb von zwei Jahren verbindlich von allen Mitgliedstaaten in nationales Recht umgesetzt werden. Sie löst eine Vorgängerrichtlinie aus dem Jahr 2008 ab, die in Deutschland zwar zu umfangreichen Gesetzesänderungen, aber nicht wirklich zu einer Verschärfung des Umweltstrafrechts geführt hatte. Das erklärte Ziel der neuen Richtlinie ist nun also die Verbesserung des Umweltschutzes durch die Harmonisierung der Regelungen innerhalb der Europäischen Union.

Die neue Richtlinie definiert Umweltkriminalität nicht nur genauer, sie nimmt auch neue Straftatbestände auf: Zwanzig umweltbezogene Handlungen müssen künftig von den EU-Mitgliedsstaaten unter Strafe gestellt werden – mehr als doppelt so viele wie nach der Vorgängerrichtlinie.

Dazu kommt ein sogenannter qualifizierter Tatbestand, der Fälle erfassen soll, die mit einem sogenannten Ökozid vergleichbar sind. Wenn Umweltstraftaten katastrophale Folgen wie gravierende Umweltverschmutzungen oder großflächige Waldbrände haben, müssen sie mit besonders hohen Strafen geahndet werden können. Auch für weniger gravierende Auswirkungen werden sich die angedrohten Sanktionen durch die Umsetzung der neuen Richtlinie massiv erhöhen. Das gilt nicht nur für Einzelpersonen, sondern auch für Unternehmen. Je nach Schweregrad des Delikts müssen Mitgliedsstaaten ermöglichen, dass Strafverfolgungsbehörden und Gerichte Geldbußen anordnen können, die im Höchstmaß bei mindestens 5% des jährlichen Gesamtumsatzes des Unternehmens oder mindestens 40 Mill. Euro liegen.

Kompensation von Schäden

Darüber hinaus kann auch die Wiederherstellung der geschädigten Umwelt oder der finanzielle Ausgleich des verursachten Schadens angeordnet werden. Auch sieht die neue Richtlinie Möglichkeiten für den Entzug von Genehmigungen, das Verbot des Zugangs zu öffentlichen Fördermitteln oder in Extremfällen sogar die Auflösung des Unternehmens vor. Zudem enthält sie Vorgaben zur Verbesserung und Koordinierung nationaler und grenzüberschreitender Ermittlungen und Strafverfolgungsmaßnahmen.

Bei der Verabschiedung der neuen Richtlinie im Rat der EU enthielt sich Deutschland zwar, alle anderen Mitgliedsstaaten stimmten jedoch zu. Das Projekt von BMUV, Interpol und WWF sowie die umfangreiche Förderung sind ein weiteres Beispiel für europäische Bestrebungen, Umweltschädigungen durch das Strafrecht effektiver zu bekämpfen – nun mit Unterstützung eines deutschen Bundesministeriums.

Auch für deutsche Firmen relevant

Dieser Trend ist auch für deutsche Unternehmen relevant. Vor dem Hintergrund der noch umzusetzenden Richtlinie und der zu erwartenden erheblichen Ausweitungen grenzüberschreitender Ermittlungen im Zusammenhang mit Umweltschädigungen sollten sie ihre relevanten Prozesse und Compliance Management Systeme frühzeitig kritisch in den Blick nehmen und bei Bedarf anpassen.

*) Dr. Julia Baedorff ist Partnerin, Margarete Weiß ist Associate in der Praxisgruppe „White Collar, Regulatory & Compliance“ von Clifford Chance in Frankfurt. 

Dr. Julia Baedorff ist Partnerin, Margarete Weiß ist Associate in der Praxisgruppe „White Collar, Regulatory & Compliance“ von Clifford Chance in Frankfurt.