Zweigstellen

Harmonisierung im Bankenmarkt kommt voran

Noch herrschen in der EU erhebliche Unterschiede in der Aufsicht der Zweigstellen von Banken aus Drittstaaten, hier gibt es nun Bemühungen zur Vereinheitlichung.

Harmonisierung im Bankenmarkt kommt voran

Von Mathias Hanten*)

Am 23. Juni hat die European Banking Authority (EBA) einen Vorschlag veröffentlicht zur Vereinheitlichung europäischen Rechts, das auf Zweigstellen von Banken aus Nicht-EWR-Staaten (Drittstaatenzweigstellen oder DSZ) Anwendung findet. Sowohl die EBA, als auch die EZB und die EU-Kommission streben eine weitgehende Vereinheitlichung des europäischen Bankenmarktes an, die nicht nur auf institutionellen Einrichtungen und Verfahren, sondern auch auf materiellem Recht beruhen soll.

Das materielle Europarecht befasste sich bislang nur sehr fragmentarisch mit der Errichtung und Beaufsichtigung von DSZ. Die Capital Requirements Directive (CRD) beschränkt sich im materiellen Recht darauf, anzuordnen, dass DSZ nicht besser behandelt werden dürfen als Niederlassungen von Instituten mit Sitz im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR). Diese fragmentarische Regelung lässt erkennen, dass DSZ (1) je nach Mitgliedstaatsrecht sehr unterschiedlich behandelt werden können, (2) nicht der Aufsicht der EZB im Rahmen des Single Supervisory Mechanism (SSM) unterworfen sind und (3) je nach Mitgliedstaatsrecht den Konvergenzbemühungen der EBA nicht zugänglich sind.

Die letzte Änderung der CRD aus dem Jahre 2019 sah in Art. 21b vor, dass Drittstaateninstitute ihre Tätigkeiten im EWR über ein zwischengeschaltetes EU-Mutterunternehmen zu konsolidieren haben. Ziel der Regelung war es, sicherzustellen, dass mehrere CRR-Institute mit gleicher Mutter im EWR konsolidiert werden, um deren Gruppenüberwachung im EWR zu ermöglichen. Die Bilanzsummen der DSZ wurden in der Bemessungsgrundlage für die Ermittlung der Notwendigkeit eines Intermediate Parent Undertaking (IPU) zwar berücksichtigt, die DSZ werden allerdings nicht selber in die Konsolidierung einbezogen.

Dass dies nicht das letzte Wort des Gesetzgebers gewesen sein sollte, ergibt sich aus Art. 21 Abs. 10 CRD; darin wurde die EBA beauftragt, der EU-Kommission und dem Europäischen Parlament einen Bericht dazu vorzulegen, wie im Rahmen des nationalen Rechts der Mitgliedstaaten mit DSZ verfahren werden soll. Auf der Grundlage des Berichts, so das Gesetz weiter, wird die EU-Kommission einen Gesetzgebungsvorschlag vorlegen.

Starke Unterschiede

Der Report der EBA kommt zu­nächst zu interessanten wirtschaftlichen Ergebnissen: Die Gesamtzahl der DSZ ist mit 106 in 17 Mitgliedstaaten substanziell. Es gibt sechs bedeutende Aufnahmestaaten, nämlich Belgien (6), Deutschland (25), Frankreich (22), Italien (8) und Luxemburg (14) mit einem Gesamtvermögen von 510 Mrd. Euro, wovon sich 86% auf Belgien, Frankreich, Deutschland und Luxemburg konzentrieren. Die am häufigsten mit DSZ vertretenen Drittstaaten sind China (18), UK (15), Iran (10), USA (9) und Libanon (9). Mehrere Drittstaaten sind mit mehreren DSZ im EWR vertreten; einige Drittstaaten unterhalten sowohl DSZ als auch erlaubnistragende Tochtergesellschaften. Inhaltlich musste sich der Bericht der EBA mit mindestens drei Fragen befassen: Wie unterscheidet sich die Aufsichtspraxis für DSZ nach nationalem Recht? Führt eine unterschiedliche Behandlung in den Mitgliedstaaten zu Aufsichtsarbitrage? Ist eine (weitere) Harmonisierung der nationalen Regelungen zu DSZ erforderlich?

Gesetzgebung und Aufsichtspraxis in Bezug auf DZW unterscheiden sich in den jeweiligen Mitgliedstaaten stark. Einige Mitgliedstaaten behandeln DSZ wie Tochtergesellschaften und unterwerfen sie den für diese geltenden Vorschriften; andere schaffen ein Sonderregime mit einer vereinfachten Behandlung der DSZ und knüpfen oft an den Beaufsichtigungsstandard im Herkunftsstaat an.

Die EBA bejaht die Gefahr einer Aufsichtsarbitrage; zwar können DSZ nicht vom Europäischen Pass Gebrauch machen. Allerdings kann die Nutzung verschiedener Aufsichtsregime zu Asymmetrien führen. Darüber hinaus erfolgt mangels materieller Einbeziehung in das IPU-Re­gime keine Konsolidierung der den DSZ zuzuordnenden Vermögensgegenstände.

Zusammenfassend hält die EBA eine Harmonisierung der nationalen Vorschriften zu DSZ deshalb für erforderlich. Hierbei sollte, so die EBA, eine zentrale, europäische Äquivalenzeinschätzung erfolgen und eine wirksame Aufsichtskooperation mit den Heimatlandaufsichtsbehörden sichergestellt werden. Auch müsse der Erlaubnisumfang in allen Mitgliedstaaten gleich geregelt sein und einheitliche aufsichtsrechtliche Anforderungen eingehalten werden. Letzteres gelte insbesondere für die Eigenmittel, die Liquidität, die interne Governance, die Geldwäscheprävention, die Berichterstattung, die bilanzielle Behandlung und die Abwicklungsplanung. Zur Absicherung und für den Krisenfall sollte auch – so die EBA weiter – ein Mechanismus eingeführt werden, der es ermöglicht, die DSZ in eine Tochtergesellschaft umzuwandeln.

Damit ist in absehbarer Zeit ein Kommissionsentwurf für die Harmonisierung der Behandlung von DSZ zu erwarten. Es ist abzusehen, dass die Kommission versuchen wird, DSZ der Behandlung von Tochtergesellschaften so weit wie möglich anzu­nähern. Nach Einschätzung des Verfassers steht zu erwarten, dass damit die Vorteile der DSZ, zum Beispiel mit Blick auf die Flexibilität der Eigenmittelverwaltung, stark eingeschränkt werden und es einen ge­setzgeberischen Anreiz geben wird, DSZ in Tochtergesellschaften umzuwandeln.

Lassen Sie uns damit kurz alle Modi für den Zugang in den EWR und deren Konvergenz einschätzen: Sowohl Bankengründung als auch Inhaberkontrolle sind europäisch, und zwar richtlinienrechtlich, harmonisiert. Auch wenn es sich nicht um eine Vollharmonisierung handelt, geben die entsprechenden Richtlinien der EBA den Takt an; zudem ist, jedenfalls für den Euroraum, die EZB die für die Frage der Institutsgründung und für die Frage der Inhaberkontrolle letztentscheidende Behörde. Auch der Zugang über EWR-Zweigniederlassungen oder über den Dienstleistungs­verkehr innerhalb des EWR ist harmo­nisiert. Wenn es zu einer von der EBA nahegelegten Gesetzesänderung kommt, wäre auch der Zugang über DSZ harmonisiert. Es verbliebe nur noch ein einziger Zugangsmodus, nämlich das grenzüberschreitende Betreiben von Bankgeschäften in den EWR hinein, der europarechtlich noch nicht geregelt wäre. Wenn man zugrunde legt, dass die EZB jüngst auch eine kritische Übersicht der noch bestehenden, konvergenzwidrigen gesetzlichen Wahlrechte in den Mitgliedstaaten angefertigt hat, steht zu erwarten, dass auch an diesen Stellen weiterer Harmonisierungsbedarf festgestellt wird.

Jetzt zu Deutschland: Der Report lässt die deutsche Lösung, Behandlung von DSZ „wie Kreditinstitute“, fast als Blueprint für eine Beseitigung aller Bedenken der EBA erscheinen. Wo könnte es noch haarig werden? Einen „Umwandlung-in-eine-Tochtergesellschaft-Mechanismus“ gibt es bislang nicht. Diese Frage berührt auch das nicht harmonisierte deutsche Gesellschaftsrecht und die kollisionsrechtliche Frage der Zulässigkeit einer solchen Umwandlung nach dem Sitzlandrecht der Hauptstelle. Auch eine Äquivalenzvoraussetzung oder „Memorandum-of-Understanding-(MoU-)Anforderung“ begründet Probleme. Weder gibt es bislang eine konvergente Äquivalenzfeststellung, noch lassen die bisherigen MoU der Bundesrepublik mit Drittstaaten erkennen, ob diese den Anforderungen der EBA entsprechen. Schließlich dürfte §53c KWG, der das BMF ermächtigt, DSZ von der Anwendung von Vorschriften des KWG freizustellen – so geschehen durch KWG-Freistellungsverordnungen – nicht in Einklang mit den Ergebnissen des Reports stehen.

Aversionen programmiert

Im Ergebnis würde die relative nationale Autonomie für die Behandlung von DSZ wegfallen. Das dürfte den Mitgliedstaaten nicht gefallen, die vielen DSZ Heimat bieten, also etwa Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien und Luxemburg. Auch dürften weder China, noch Japan, noch UK, noch die USA als wichtige Herkunftsländer sonderlich erfreut sein, weil sie sich einer neuen, nicht notwendigerweise günstigeren Re­gelung ausgesetzt sähen.

Der EWR ist auf bestem Wege, den Drittstaatenzugang in seinen Bankenmarkt zu harmonisieren. Über die Frage, ob verbleibende nationale Wahlrechte wirklich zu Aufsichtsarbitrage führen oder zu einem verbesserten Wettbewerb, muss man wohl streiten.

*) Dr. Mathias Hanten ist Partner von

Deloitte Legal.

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