GastbeitragNGOs

Bankensektor droht Klimaklagewelle

NGOs erhöhen den Druck gegen die Finanzierung von fossilen Energieförderprojekten und ziehen auch vor Gericht. Ein erster Fall in Paris erschüttert den Bankensektor.

Bankensektor droht Klimaklagewelle

Bankensektor droht Klimaklagewelle

NGOs erhöhen den Druck gegen Finanzierung fossiler Energieförderprojekte – Erster Fall in Frankreich vor Gericht

Moritz Keller und Sunny Kapoor *)

NGOs haben jüngst die weltweit erste Klimaklage gegen eine Bank eingereicht. Diese Klimaklage könnte Vorbild für NGOs in anderen Ländern sein. Sie wirft daher die Frage auf, ob Banken nach deutschem Recht verpflichtet werden können, die Finanzierung von fossilen Energieförderprojekten wegen Klimaschutz einzustellen.

Der fortschreitende Klimawandel ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Dementsprechend groß ist der gesellschaftliche Druck hin zu einer schnellen energetischen Transformation. Dieser Druck richtet sich zunehmend auch gegen Banken, da sie bei der Finanzierung von Energieförderprojekten eine entscheidende Rolle in der Transformation spielen. Nicht weniger als 126 Banken aus der ganzen Welt haben sich daher der von der Finanz-Initiative des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP FI) initiierten „Net-Zero Banking Alliance“ angeschlossen, um bis zum Jahr 2050 eine auf netto null reduzierte CO2-Bilanz des gesamten Kredit- und Investmentportfolios zu erreichen.

An der Umsetzung der „Net zero“-Strategie von Banken entzündet sich gleichwohl Kritik. Bereits vor ca. einem Jahr hatten NGOs angekündigt, den Druck gegen Banken zu erhöhen und zivilrechtliche Klimaklagen anzustrengen.

Finanzierung in der Kritik

Diese Ankündigung haben nun drei NGOs wahr gemacht und jüngst die weltweit erste Klimaklage gegen eine Großbank vor einem Pariser Gericht erhoben. Die Kläger fordern von der Bank, die Finanzierung von Projekten zur Förderung von Gas und Öl einzustellen und einen konkreten Plan zum Ausstieg aus der Finanzierung von fossiler Energie vorzulegen.

Die französische Klimaklage könnte der Auftakt einer gegen Banken gerichteten Klagewelle in Europa sein. Gerüchten zufolge bereitet eine andere NGO bereits eine weitere Klage gegen eine Bank in den Niederlanden vor.

Die Entwicklung wirft die Frage auf, ob nach deutschem Recht eine Verpflichtung der Bank begründet werden kann, die Finanzierung von Projekten mit Bezug zu fossiler Energie einzustellen.
Zunächst lohnt ein Blick auf das Gesellschaftsrecht, wo der Deutsche Corporate Governance Kodex in seiner neusten Fassung den Blick auf die systematische Identifizierung und Bewertung von mit den Sozial- und Umweltfaktoren verbundenen Risiken und Chancen für das Unternehmen sowie die ökologischen und sozialen Auswirkungen der Unternehmenstätigkeit richtet.

Ermessensspielraum

Die Unternehmensstrategie soll neben langfristigen wirtschaftlichen Zielen auch ökologische und soziale Ziele angemessen berücksichtigen. Die Unternehmensplanung soll neben finanziellen Zielen auch nachhaltigkeitsbezogene Ziele umfassen. Wie die Formulierung unschwer erkennen lässt, handelt es sich dabei um eine reine Empfehlung für eine gute Unternehmensführung. Sie begründet keine Verpflichtung des Bankvorstands, ökologischen Belangen unbedingten Vorzug zu geben und dafür energieintensive Geschäftsbereiche einzustellen. Dem Vorstand steht vielmehr ein breiter Ermessensspielraum bei der Unternehmensführung zu, bei der er unterschiedliche ökonomische, soziale und ökologische Interessen austarieren darf.

Sofern also außenstehende Stakeholder die ökologische Bilanz einer Bank für unzureichend halten, bleibt ihnen nur der Weg über die allgemeinen zivilrechtlichen Unterlassungsansprüche. Für die Durchsetzung eines solchen Anspruchs müssten die Kläger eine gegenwärtige oder zukünftig drohende persönliche Rechtsverletzung darlegen.

In den bisherigen deutschen Klimaklagen haben die Kläger die persönliche Rechtsverletzung mit dem sogenannten „Budget-Ansatz“ zu begründen versucht. Bei diesem Ansatz wird, ausgehend von den Pariser Klimazielen, für jedes Unternehmen ein CO2-Budget berechnet. Die Überschreitung dieses arbiträren Budgets, so die Argumentation der Kläger, begründe die Gefahr, dass der Gesetzgeber zukünftig Klimaschutzmaßnahmen ergreifen werde. Diese Maßnahmen wiederum könnten die Freiheiten der Kläger einschränken.

Verfehlter Ansatz

Ein solcher Ansatz ist allerdings verfehlt, weil es nach verfassungsgerichtlicher Rechtsprechung schon keine CO2-Budgets für die Bundesländer gibt, so dass erst recht kein individuelles Budget für einzelne Unternehmen begründet werden kann.

Selbst wenn ein solches Budget mit hinreichender Sicherheit ermittelt werden könnte, wäre unklar, ob, wann und auf welche Weise der Gesetzgeber auf eine vermeintliche Budgetüberschreitung einzelner Unternehmen reagieren wird.

Spekulativ erscheint außerdem, ob es infolge der legislativen Maßnahmen überhaupt zu einer Beeinträchtigung Einzelner kommen wird.

Darüber hinaus dürfte der Unterlassungsanspruch an den strengen haftungsrechtlichen Kausalitätsanforderungen scheitern, weil die Kläger konkret beweisen müssen, dass die behauptete Beeinträchtigung kausal darauf zurückzuführen ist, dass die Bank fossile Energieförderprojekte finanziert. Schließlich ist die Vergabe von Geldmitteln an sich kein klimaschädlicher Vorgang, da die Projektfinanzierung als solche – abgesehen von energieinduzierten Überweisungsvorgängen – keinerlei Emissionen verursacht. In Betracht kommt daher allenfalls die Begründung einer mittelbaren Kausalität.

Auch diese ist gleichwohl zweifelhaft, weil die von der Bank vergebenen Geldmittel zur Realisierung des avisierten Projekts, zum Beispiel für Infrastruktur oder Mitarbeitervergütung, genutzt werden und nicht für die Verbrennung des jeweils geförderten fossilen Energieträgers, die die eigentlichen Treibhausgasemissionen verursacht. Bis zur tatsächlichen Verbrennung der fossilen Energieträger durch die Endverbraucher sind unzählige weitere Handlungen von verschiedenen Akteuren zwischengeschaltet, auf deren Entscheidungen die finanzierende Bank kaum bis keinen Einfluss hat.

In die Bewertung muss vor allem auch einfließen, dass Klimaklagen wie die gegen die französische Großbank zumindest nach deutschrechtlicher Betrachtung einen systemischen Bruch darstellen. Dies gilt allgemein für direkte Klimaklagen, in denen ein einzelnes Unternehmen für den Klimawandel und dessen Folgen verantwortlich gemacht wird. Konsequenterweise habe die Landgerichte die gegen die deutschen Automobilhersteller gerichteten direkten Klimaklagen allesamt abgewiesen. Denn solche Klimaklagen blenden vor allem wichtige Abwägungsentscheidungen aus, die in einem demokratischen System dem Gesetzgeber obliegen. Allein er ist dazu berufen, die sich widerstreitenden Interessen auszutarieren und zu entscheiden, ob und inwiefern gegen Banken gerichtete Verbote zur Finanzierung fossiler Energieprojekte angemessen und gerechtfertigt sind.

So muss bei der Abwägung berücksichtigt werden, dass sich die energetische Transformation gerade vollzieht, aber noch lange nicht vollendet ist. Dies gilt für Europa und Deutschland und mehr noch für die globale Weltgemeinschaft. Eine gegen zentrale Akteure im Finanzwesen erfolgreiche Klage auf Unterlassung der Finanzierung von fossilen Energieprojekten könnte unter Umständen nachteilige Folgen für die Energieversorgung haben, vor allem wenn sich die Suche nach alternativen Kreditgebern in die Länge zieht oder gänzlich scheitert.

Ein solches Verbot könnte zum Beispiel auch die zurzeit dringend benötigte LNG-Infrastruktur in Deutschland betreffen und die Energiesicherheit in Frage stellen. Das Verbot wäre wohl auch wegen möglicher Leakage-Effekte kaum effizient, weil die von einzelnen deutschen Banken hinterlassene Finanzierungslücke schnell von anderen Marktteilnehmern aufgefüllt würde.

Hohe Unsicherheit

Die ausschließliche Kompetenzzuweisung an den Gesetzgeber ist vor allem unerlässlich, um einem Chaos wahlloser Klagen gegen einzelne Banken und der damit verbundenen Gefahr unterschiedlicher Gerichtsentscheidungen vorzubeugen. Sie ist außerdem wichtig, um einem auf dem Rücken von Banken ausgetragenen gegensätzlichen Regulierungswettbewerb zwischen den Staatsgewalten vorzubeugen. So versucht die in einigen US-Bundesstaaten zu beobachtende sogenannte Anti-ESG Bewegung Banken von ihrem ESG-Fokus abzubringen.

Sollte nun eben diesen Banken auf der anderen Seite im Rahmen von Klimaklagen gerichtlich untersagt werden, in fossile Energieprojekte zu investieren, ist die kompetenzielle Gemengelage vorgezeichnet. Eine derartige Situation schafft Unsicherheiten für Unternehmen und gefährdet auch den Wirtschaftsstandort Deutschland.

*) Dr. Moritz Keller ist Partner, Dr. Sunny Kapoor Senior Associate bei Clifford Chance.

Dr. Moritz Keller ist Partner, Dr. Sunny Kapoor Senior Associate bei Clifford Chance.