Unternehmenskäufe

Investitionskontrolle gewinnt für M&A an Bedeutung

Die Investitionskontrolle betrifft schon lange nicht mehr nur die Prüfung von M&A-Deals im Verteidigungssektor. Mittlerweile geraten auch viele Zielunternehmen anderer Sektoren ins Visier, was Transaktionen erschwert.

Investitionskontrolle gewinnt für M&A an Bedeutung

Investitionskontrolle gewinnt für M&A an Bedeutung

Hohe Komplexität der Analyse durch eine Vielzahl nationaler Regelungen – Fehlende Harmonisierung trotz EU-Verordnung

Jana Dammann de Chapto und
Nicolas Jung*)

Angesichts jüngster geopolitischer Entwicklungen haben die Sicherheitsinteressen in Deutschland, Europa und weltweit an Bedeutung gewonnen. Kaum ein grenzüberschreitender Unternehmenserwerb kommt im Jahr 2023 noch ohne eine umfassende Investitionskontrollprüfung aus. Hierbei werden Transaktionen auf etwaige Gefahren für die nationale Sicherheit oder Ordnung durchleuchtet. Die anwendbaren Rechtsnormen sind komplex und unterscheiden sich von Land zu Land erheblich. Ihre Auslegung und Anwendung erfordern nicht selten eine sehr genaue Kenntnis nationaler Be- und Empfindlichkeiten. Ungenauigkeiten oder mangelndes Problembewusstsein bei der Identifizierung von Anmeldepflichten und der voraussichtlichen Verfahrensdauer können Investoren Zeit und Geld kosten und im schlimmsten Fall die Finanzierung und sogar die gesamte Transaktion zum Scheitern bringen.

Enorme Dynamik

Die Investitionskontrolle (auch als Foreign Direct Investment/FDI Screening bezeichnet) ist ein hochdynamisches Rechtsgebiet. Schon lange geht es nicht mehr nur um die Prüfung von Unternehmenskäufen im Verteidigungssektor. Vielmehr können mittlerweile auch vermeintlich sicherheitsrechtlich unverdächtige Zielunternehmen im Software-, Gesundheits- oder Lebensmittelsektor Investitionskontrollverfahren auslösen. Bei einem Verstoß gegen bestehende Anmeldepflichten droht neben Bußgeldern je nach Fall auch eine strafrechtliche Verfolgung der Handelnden – darüber hinaus trifft alle Beteiligten die Unwirksamkeit der zugrundeliegenden Kaufverträge.

In den vergangenen Jahren hat die Investitionskontrolle immer stärker an Bedeutung gewonnen. Eine zunehmende Zahl an Ländern prüft Unternehmenskäufe auf potenzielle Gefahren für ihre nationale Sicherheit – entsprechend dem globalen Trend zu zunehmenden Protektionismus im internationalen Handel. Auch wenn die bisher bekannt gewordenen Untersagungsentscheidungen meist chinesische Investoren betrafen, belasten die formellen Anmeldepflichten und der damit verbundene Aufwand Investoren unabhängig von ihrer Herkunft gleichermaßen.

Zahlreiche Fälle

Das bereits lange existierende US-amerikanische Investitionskontrollregime CFIUS ist schon seit geraumer Zeit nicht mehr das einzige FDI-Regime, das bei grenzüberschreitenden M&A-Transaktionen Aufmerksamkeit erfährt. Dies zeigen auch die Zahlen. Im letzten Jahr wurden in den USA 272 Mitteilungen (notices) und 164 Erklärungen (declarations) bearbeitet. In Deutschland wurden im Vergleich hierzu in den Jahren 2021 und 2022 jeweils knapp über 300 Transaktionen gemeldet. Hinzu kamen weitere 240 beziehungsweise 264 Unternehmenskäufe, die in anderen EU-Mitgliedstaaten angemeldet und dem Bundeswirtschaftsministerium über den europäischen Kooperationsmechanismus zur Kenntnis gebracht wurden. Im Vergleich: 2018 waren es in Deutschland noch weniger als 80 Transaktionen.

Eine Vielzahl der im vergangenen Jahr in Deutschland gemeldeten Transaktionen betraf Investoren aus den USA (110), dem Vereinigten Königreich (40) und Kanada (14). Chinesische Investoren, die vom Wirtschaftsministerium bekanntermaßen sehr kritisch gesehen werden, wurden in 37 Verfahren überprüft.
Während die Anzahl der Verfahren in den letzten Jahren also anstieg, sind die Zahlen bei der Einleitung von vertieften Prüfverfahren (Phase II), Untersagungen oder erwerbsbeschränkende Maßnahmen in Deutschland rückläufig. 2021 hat das Ministerium noch 40-mal eine Phase II eingeleitet und es wurden 14 Fälle untersagt oder mit erwerbsbeschränkenden Maßnahmen freigegeben (4,5%). Im Jahr 2022 waren es hingegen nur noch 25 Phase-II-Verfahren und nur sieben Fälle (2%), in denen ein Verfahren nicht ohne Weiteres freigegeben wurde. Es bleibt abzuwarten, ob es sich hierbei um allgemeine statistische Schwankungen handelt oder ob die aktuelle Bundesregierung bei Untersagungen und Auflagen zurückhaltender ist, als die große Koalition es war.

Fest steht, dass trotz eines durch das allgemeine wirtschaftliche Umfeld bedingten Abwärtstrends im Transaktionsgeschäft die Anzahl der FDI-Verfahren in Deutschland gleich hoch geblieben ist beziehungsweise sogar leicht zugelegt hat. Eine Besserung der wirtschaftlichen Lage wird daher voraussichtlich zu einem weiteren Anstieg der Verfahren führen.

Zu weit gefasst?

Gleichzeitig kann angesichts der Zahlen zu Recht in Frage gestellt werden, ob die Tatbestände der deutschen Außenwirtschaftsverordnung, die eine Anmeldepflicht auslösen, nicht zu weit gefasst sind. Schließlich ergaben sich in 98% der im vergangenen Jahr gemeldeten Fälle keine sicherheitsrechtlichen Bedenken. Des Weiteren betraf der weit überwiegende Teil der Meldungen Investitionen aus politisch verbündeten Staaten. Dem gegenüber stehen der mit der Vorbereitung einer formellen Meldung oder eines Antrags auf Erteilung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung beim Bundeswirtschaftsministerium und dem anschließenden Verwaltungsverfahren vergleichsweise hohe zeitliche Aufwand sowie die mit dem Verfahren verbundenen (weiteren) Unsicherheiten im Transaktionsprozess.

Verschärfungen angekündigt

Eine ähnliche Entwicklung zeigt sich außerhalb Deutschlands auch in der Europäischen Union. Die meisten Mitgliedstaaten haben inzwischen ihre eigenen Investitionskontrollregime. Neue Regime sowie Gesetzesverschärfungen sind bereits angekündigt. Zu ersteren Gruppe zählen insbesondere Belgien, Irland, die Niederlande und Schweden, wo neue Regelungen voraussichtlich im Sommer 2023 in Kraft treten und auch auf Transaktionen anwendbar sein werden, die bereits vertraglich vereinbart, aber zum Zeitpunkt des Inkrafttretens noch nicht vollzogen sein werden. Daher sind diese Gesetzesänderungen bereits im jetzigen Transaktionsgeschäft zu antizipieren, was zu weiterer Komplexität in der Prüfung führt.

Insgesamt stellen sich die nationalen FDI-Regime in Europa jedoch alles andere als einheitlich dar, obwohl sie auf einer Verordnung der Europäischen Union fußen, mit der versucht wurde, einen umfassenden Rahmen für die Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen aus Grün-den der Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung zu schaffen und mit dem die Koordinierung und Zusammenarbeit in Europa sichergestellt werden sollte (EU-Screening-Verordnung).

Konkret wurde insbesondere der bereits erwähnte Kooperationsmechanismus auf Ebene der EU-Kommission eingeführt, den Mitgliedstaaten ebenso wie die EU-Kommission dazu nutzen, sich über sicherheitsrechtliche Aspekte der jeweiligen Transaktion (vertraulich) auszutauschen – allerdings ohne formale Beteiligung oder Anhörung der betroffenen Unternehmen. Stellungnahmen oder Kommentare der Mitgliedstaaten beziehungsweise der EU-Kommission in laufenden Prüfverfahren werden nur selten mit den betroffenen Unternehmen geteilt. Dieser Ausschluss der Beteiligten in einem wesentlichen Verfahrensschritt ist vor dem Hintergrund verfassungs- und europarechtlich verbürgter Verfahrensrechte fragwürdig.

Die Wirkung der Verordnung ist auch im Übrigen beschränkt. Die Mitgliedstaaten wenden weiterhin nationales Verwaltungsverfahrensrecht an und haben mitunter unterschiedliche Maßstäbe in Bezug auf Transparenz-, Anhörungs- oder Akteneinsichtsrechte.

Bereits die Frage, in welchem Verfahrensstadium Mitgliedstaaten den Kooperationsmechanismus auslösen, wird nicht einheitlich gehandhabt. Während etwa in Österreich der EU-Kooperationsmechanismus den ersten wesentlichen Schritt im Verfahren darstellt, notifiziert Deutschland die EU-Kommission und die Mitgliedstaaten erst im Fall eines vertieften Prüfverfahrens (Phase II).

Gerichtliche Entscheidungen zum Verhältnis von nationalem Verfahrensrecht und europäischen Verfahrensgarantien im Bereich der Investitionskontrolle existieren bislang nicht.

Fragwürdiger Verfahrensschritt

Die EU-Kommission wird in diesem Jahr das bisherige Regelungswerk der EU-Screening-Verordnung evaluieren. Auch in Deutschland steht eine weitere Novellierung des Rechtsrahmens für Investitionskontrollen an. Die nächsten Monate werden also Weichen für Rechtsentwicklung und zukünftige Praxis der Investitionskontrolle in Deutschland und Europa stellen. Es bleibt zu hoffen, dass Europa für wirtschaftlich erwünschte ausländische Investitionen auch weiterhin offenbleibt.

*) Dr. Jana Dammann de Chapto ist Counsel, Dr. Nicolas Jung ist Associate in der Kanzlei Latham & Watkins.

*) Dr. Jana Dammann de Chapto ist Counsel, Dr. Nicolas Jung ist Associate in der Kanzlei Latham & Watkins.