GastbeitragQuellensteuererstattungen

Kann die neue FASTER-Richtlinie helfen?

Die Europäische Union hat jüngst die FASTER-Richtlinie beschlossen. Sie soll die rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für Quellensteuererstattungen verbessern.

Kann die neue FASTER-Richtlinie helfen?

Es liegt in der Natur von börsennotieren Aktien, dass sie international gehandelt werden, also nicht nur von Steuerinländern, sondern auch von Investoren aus einer Vielzahl anderer Länder gehalten werden. insbesondere ausländische Banken als Investoren in deutsche Aktien sehen sich seit Jahren einem Generalverdacht durch das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) ausgesetzt, wenn sie rechtmäßig einen Teil der erhobenen Quellensteuer (25%) beispielsweise aufgrund eines anwendbaren Doppelbesteuerungsabkommens (DBA) erstattet bekommen wollen.

Fangen wir vorne an: Streubesitzdividenden ausländischer Investoren aus börsennotierten Aktien unterliegen der beschränkten Quellensteuerpflicht. Nach den jeweiligen Doppelbesteuerungsabkommen des Anlegers mit dem Quellenstaat kann das Besteuerungsrecht eingeschränkt oder ausgeschlossen sein. Für Streubesitzdividenden liegt der Steuerabzug nach den Abkommen in der Regel bei 15%. Die Erstattung ist im Fall von Deutschland beim Bundeszentralamt für Steuern zu beantragen.

Vorschriften sind wirksam

Es ist mittlerweile unbestritten, dass der Steueranspruch des Fiskus durch Aktiengeschäfte um den Dividendenstichtag (insbesondere Cum/Ex) nach Einführung des Zahlstellenprinzips durch das OGAW-IV-Umsetzungsgesetz nicht mehr gefährdet ist (keine Steuerbescheinigungen ohne Steuerabzug). Dies gilt nach der Einführung von zusätzlichen Voraussetzungen für die Anrechnung bzw. Erstattung von Kapitalertragsteuern auch für Cum/Cum-Transaktionen (vgl. § 36a, 50j EStG).

Das Bundesministerium für Finanzen hat zudem erst im April diesen Jahres in ihrem Zwischenbericht zur „Evaluation des Gesetzes zur Reform der Investmentbesteuerung“ ausgeführt, dass die Wirksamkeit der genannten Vorschriften als hoch eingeschätzt wird. Für Zeiträume nach 2016 seien auch keine Cum/Cum-Gestaltungen bekannt. Aufgrund der aktuellen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) können Cum/Cum-Geschäfte auch nicht mehr als gestaltungsmissbräuchlich qualifizieren. Dies gilt auch vor Einführung von § 36a EStG.

Lange Bearbeitungszeiten

Vor diesem Hintergrund ist es fragwürdig, dass ausländische Investoren bei Beantragung einer Quellensteuerreduktion auf den DBA-Regelsatz für Dividenden in Höhe von 15% seitenlange Fragenkataloge vom Bundeszentralamt für Steuern zum wirtschaftlichen Eigentum der den Dividenden zugrundeliegenden Aktien erhalten. Es liegt auf der Hand, dass Bearbeitungszeiten bei Erstattungsverfahren bei gegenwärtig von mehr als 615 Tagen (Drucksache 20/10898) rechtsstaatliche Zweifel aufwerfen.

Bedenklich ist es zudem, wenn die Finanzverwaltung von ausländischen Investoren Informationen abverlangt (bspw. zur Haltedauer, Risiko einer Wertveränderung und zu einer etwaigen Weitergabeverpflichtung der Kapitalerträge), die der Gesetzgeber nur vorsieht, wenn der Steuerausländer eine abkommensrechtliche Reduzierung der Quellensteuer auf unter 15% möchte. Mit dieser Ausnahme soll die Norm auf die „risikobehafteten und fiskalisch relevanten Fälle“ konzentriert werden. Gänzlich nicht mehr zu erklären sind dann Sachverhalte, bei denen die Finanzverwaltung vergleichbare Informationen beispielsweise zu Wandelanleihen verlangt, bei denen der aus Deutschland gezahlte Zins einer Quellensteuer unterlag und das Abkommen eine Reduktion vorsieht. Darin ist zudem eine europarechtlich rechtswidrige Diskriminierung zu sehen.

Standardisierte Ansässigkeitsbescheinigung

Die jüngst durch den Rat beschlossene FASTER-Richtlinie wird hier hoffentlich für eine erhebliche Verbesserung der rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sorgen. Die Richtlinie sieht eine standardisierte digitale Ansässigkeitsbescheinigung und eine verbesserte Quellensteuerentlastung für grenzüberschreitende Portfoliodividenden vor. Eine gemeinsame Berichterstattung bildet den Rahmen der neuen Regelungen. Dadurch sollen steuerliche Hindernisse für (Portfolio-)Investitionen in anderen Mitgliedstaaten beseitigt und zugleich Steuerbetrug und Missbrauch bekämpft werden.

Das EU-weite Quellensteuerentlastungsverfahren ist für Dividenden aus börsennotierten Aktien obligatorisch und für Zinszahlungen auf börsennotierte Anleihen optional anzuwenden.
Nach der neuen Richtlinie können die Mitgliedstaaten zwei Schnellverfahren vorsehen, die das bestehende Standardverfahren für die Erstattung von Quellensteuern ergänzen. Wichtig ist, dass die Mitgliedstaaten eines oder beide der folgenden Systeme anwenden müssen: ein Verfahren der „Steuererleichterung an der Quelle“, bei dem der entsprechende Steuersatz zum Zeitpunkt der Zahlung von Dividenden oder Zinsen angewandt wird; oder ein „Schnellerstattungssystem“, bei dem die Erstattung zu viel gezahlter Quellensteuer innerhalb von 60 Tagen gewährt werden muss.

Umsetzung bis 31. Dezember 2028

Nach der Richtlinie müssen die Mitgliedstaaten die neuen Verfahren jedoch nicht anwenden, wenn sie über ein umfassendes System der Steuererleichterung an der Quelle verfügen und ihre von der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) gemeldete Marktkapitalisierungsquote unter einem Schwellenwert von 1,5% liegt. Wird diese Quote jedoch in vier aufeinanderfolgenden Jahren überschritten oder ändert sich das System der Steuererleichterung an der Quelle derart, dass es nicht mehr umfassend genug ist, so werden alle in der Richtlinie vorgesehenen Vorschriften unwiderruflich anwendbar. Die Mitgliedstaaten müssen die Richtlinie bis zum 31. Dezember 2028 in nationales Recht umsetzen, die nationalen Vorschriften werden allerdings erst ab dem 1. Januar 2030 anwendbar.

Die große Frage für den deutschen Steuergesetzgeber wird nun sein, wie die nun beschlossenen Änderungen in die gerade in Umsetzung befindliche Systemänderung durch das Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetz einzubetten sind. Durch das nationale Reformgesetz sind nicht die Vorschriften zum Verfahren der Entlastung ausländischer Steuerpflichtiger von Abzugsteuern (§ 50c EStG) neu geregelt worden. Darüber hinaus sind die Angaben zu Steuerbescheinigungen und zum Steuerabzug ausgeweitet worden. Abgerundet wird das Ganze durch zusätzliche Übermittlungspflichten an das BZSt sowie eine verschärfte Haftung bei fehlerhaften Steuerbescheinigungen. Kenner sprechen von einem steuerlichen Lieferkettengesetz. Es bleibt zu hoffen, dass die Umsetzung einen Mittelweg findet, der nur lauten kann: Keine weiteren Bürokratiekosten, aber Effizienz bei der Erstattung.

Dr. Marcus Helios ist Partner im Bereich Financial Services Tax von Grant Thornton. Der Autor zählt zu den Referenten auf dem ersten Kapitalertragsteuertag von Börsen-Zeitung LIVE am 12. Juni.