Nachhaltigkeit

Lieferketten­gesetz verlangt größte Umsicht

Die neuen regulatorischen Vorgaben zur Einhaltung von Standards für Umweltschutz und Menschenrechte fordern die Konzerne heraus. Kritisch kann speziell die Beziehung zu mittelbaren Zulieferern sein.

Lieferketten­gesetz verlangt größte Umsicht

Von Patrick Späth und

Felix Werner *)

Bei Nachrichten über Menschenrechtsverletzungen oder Umweltverschmutzungen im Ausland werden neben Regierungen und der internationalen Staatengemeinschaft häufig auch deutsche Unternehmen in der Verantwortung gesehen. Es wird die Frage gestellt, was Unternehmen tun, um in globalen Lieferketten Menschenrechtsverletzungen oder Umweltverschmutzungen zu verhindern. Praktisch stellt dies Unternehmen vor große Herausforderungen. Die Lieferkette besteht aus zahlreichen Gliedern. Es ist sehr aufwendig, die Herkunft der Bestandteile eines Produkts und dessen Vorprodukte nebst Produktionsbedingungen verlässlich zu erfassen. Diese Umstände liegen oft außerhalb des eigenen Einfluss- und Erkenntnisfeldes. Dies gilt umso mehr für Umstände in der Sphäre mittelbarer Zulieferer, zu denen keine Vertragsbeziehungen bestehen.

Ob und welche Maßnahmen ein Unternehmen ergreift, wurde bisher primär als Reputationsthema und Aspekt freiwilliger Corporate Social Responsibility gesehen. Der Geschäftsführung stand nach der Business Judgement Rule ein weites Ermessen zu. Durch das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) hat sich in Deutschland jedoch ein Paradigmenwechsel vollzogen, der das Ermessen stark einschränkt. Es wurde ein komplexes System sanktionsbewehrter Sorgfaltspflichten installiert, das deutsche Unternehmen mit mindestens 3000 Mitarbeitern ab dem Jahr 2023 (ab 2024: 1000 Mitarbeiter) zu beachten haben. Verstöße gegen das LkSG können als Ordnungswidrigkeiten geahndet werden. Die Geschäftsführung ist persönlich verantwortlich. Bei Unternehmen reicht der Bußgeldrahmen bis zu 8 Mill. Euro oder gegebenenfalls bis zu 2% des weltweiten Konzernjahresumsatzes.

Das LkSG verlangt größte Umsicht. Denn die „Lieferkette“ umfasst alle Produkte und Dienstleistungen eines Unternehmens sowie Schritte im In- und Ausland, die zu deren Herstellung erforderlich sind – von der Rohstoffgewinnung bis zur Lieferung an den Endkunden. Sie erfasst das Handeln der Niederlassungen und Tochtergesellschaften sowie aller unmittelbaren und mittelbaren Zulieferer.

Streitpunkt

Einer der Streitpunkte auf dem Weg zum LkSG war, welche Pflichten gegenüber mittelbaren Zulieferern gelten sollen. Als Kompromiss entschied sich der Gesetzgeber für ein abgestuftes System. Unternehmen müssen zum einen dauerhaft ein Beschwerdesystem für Hinweise auf Verletzungshandlungen mittelbarer Zulieferer einrichten. Zum anderen treffen sie anlassbezogen Sorgfaltspflichten, u.a. zur Durchführung einer Risikoanalyse sowie zu Maßnahmen zur Verhinderung, Beendigung und Minimierung der Verletzungshandlungen bei mittelbaren Zulieferern. Hierzu muss sich das Unternehmen generell mit vorhandenen Informationen, die es außerhalb des Beschwerdesystems erhält, befassen.

Angesichts der Flut von Informationen, die in Medien und Internet zirkulieren, ist von zentraler Bedeutung, wann diese anlassbezogenen Sorgfaltspflichten entstehen. Das LkSG bestimmt hierzu, dass bei „sub­stantiierter Kenntnis“ unverzüglich zu handeln ist. Dies soll der Fall sein, wenn das Unternehmen „tatsächliche Anhaltspunkte“ hat, die „eine Verletzung einer menschenrechtsbezogenen oder einer umweltbezogenen Pflicht bei mittelbaren Zulieferern möglich erscheinen lassen“. Hier ist Vorsicht geboten. Tatsächliche Anhaltspunkte können aus verschiedensten Informationsquellen stammen. Persönliche Wahrnehmungen oder zufällige mittelbare Informationen etwa aus Gesprächen mit anderen Marktteilnehmern kommen ebenso in Betracht wie Hinweise aus dem Beschwerdeverfahren oder von Behörden, NGOs, Medien oder aus dem Internet. Nach der Gesetzesbegründung müssen die tatsächlichen Anhaltspunkte lediglich überprüfbar und ernst zu nehmen sein. Stellt man auf die Schwere der möglichen Verletzung ab, könnten die Schwelle umso niedriger sein, je schwerer die mögliche Verletzung wiegt.

Im Widerspruch zum Wortlaut sollen nach der Gesetzesbegründung Pflichten bereits durch allgemeine Informationen über Risiken in einer Region, in der mittelbare Zulieferer tätig sind, ausgelöst werden. Wir bezweifeln, dass dies mit dem Wortlaut des LkSG und dem Konzept reduzierter Sorgfaltspflichten gegenüber mittelbaren Zulieferern vereinbar ist. Das LkSG verlangt eine (mögliche) Verletzungshandlung „bei“ dem mittelbaren Zulieferer, grenzt sie also auf dessen unmittelbare Umgebung ein.

Klare Verantwortlichkeiten

So unbestimmt die Regelungen des LkSG bezüglich mittelbarer Zulieferer auch sein mögen: Die Geschäftsführung sollte rechtzeitig organisatorische Vorkehrungen für ein risikobasiertes System zur Erfassung und rechtlichen Bewertung von Anhaltspunkten für derartige Verletzungshandlungen treffen. Hierzu gehören klare Verantwortlichkeiten und Prozesse, Berichts- und Eskalationspflichten sowie Richtlinien und Schulungen für Mitarbeiter, damit im Einzelfall Informationen adäquat bewertet werden. Wird die Schwelle substantiierter Kenntnis überschritten und unterbleiben die vom LkSG vorgeschriebenen Maßnahmen, drohen Bußgelder.

*) Patrick Späth ist Partner Litigation, Felix Werner Associate Litigation von Morrison & Foerster.

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