GastbeitragKarenzentschädigungen

Nachvertragliche Wettbewerbsverbote sollten gut überlegt sein

In den USA und in Großbritannien versuchen Behörden und Gesetzgeber nachvertragliche Wettbewerbsverbote einzuschränken. Dies könnte nach Deutschland ausstrahlen.

Nachvertragliche Wettbewerbsverbote sollten gut überlegt sein

Nachvertragliche Wettbewerbsverbote sollten gut überlegt sein

Sind Unternehmen ihren Konkurrenten bald schutzlos ausgeliefert?

Von Nadine Kramer und Maximilian Schunder *)

Ist der Konkurrenzschutz bald passé? In den USA und in Großbritannien versuchen Behörden und Gesetzgeber nachvertragliche Wettbewerbsverbote einzuschränken. Hat dies Bedeutung für uns?

Nachvertragliche Wettbewerbsverbote sind (im hier relevanten Kontext) Klauseln in Arbeitsverträgen, die es Arbeitnehmern verbieten, nach Ablauf des Arbeitsverhältnisses für eine bestimmte Zeit für ein konkurrierendes Unternehmen tätig zu werden. Am 23. April 2024 erließ die US-amerikanische Federal Trade Commission („FTC“) – in einer durchaus umstrittenen Entscheidung – ein weitreichendes Verbot nachvertraglicher Wettbewerbsverbote.

USA ziehen die Zügel an

Die für die Durchsetzung der zivilrechtlichen Regelungen in den Bereichen Wettbewerbsrecht und Verbraucherschutz zuständige FTC ist der Ansicht, dass solche (häufig ausbeuterischen) Wettbewerbsverbote „unlautere Wettbewerbsmethoden“ darstellen und aufgrund ihrer weiten Verbreitung wettbewerbsschädigende Wirkungen entfalten (insbesondere sollen sie zu einem niedrigeren Lohnniveau und geringeren Sozialleistungen führen sowie Innovationen behindern). Verbände samt US-Handelskammer griffen das Verbot bereits gerichtlich an.

In einer Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutz setzte ein Gericht in Texas (United States District Court for the Northern District of Texas) die Vollziehung aus (allerdings nur mit Wirkung zwischen den Parteien des Verfahrens). Bei der Hauptsachentscheidung des Gerichts (erwartet bis Ende August) wird es wohl nicht bleiben. Die weitere Entwicklung (auch bezüglich der Reichweite der Entscheidung) ist ungewiss. Über die USA hinaus hat das Thema Brisanz und Aktualität in Großbritannien. Dort plante die vergangene Regierung eine Reform zu Wettbewerbsverboten, konkret eine Laufzeiteinschränkung auf drei Monate, die die arbeitnehmer-freundliche neue Labour-Regierung unter der Führung von Starmer wohl kaum aufgibt.

Nationale Situation

Bislang gibt es in Deutschland keine vergleichbaren Bestrebungen. Dies dürfte insbesondere auf Folgendem beruhen: In Deutschland (wie auch auf europäischer Ebene) findet das Kartellrecht auf solche zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern vereinbarten Wettbewerbsverbote nur eingeschränkt (über das Verbot des Missbrauchs von Marktmacht) Anwendung.

Auch sind nachvertragliche Wettbewerbsverbote in Deutschland nicht so verbreitet wie in den USA, die dortigen Erwägungen können nicht einfach übertragen werden. Darüber hinaus unterliegen nachvertragliche Wettbewerbsverbote jedenfalls in Deutschland bereits heute strengen arbeitsrechtlichen Regelungen. Beachten die Parteien diese arbeitsrechtlichen Anforderungen nicht, ist das Verbot unverbindlich oder unwirksam (wenn keine Karenzentschädigung zugesagt ist).

Wahlrecht

Unverbindlich bedeutet, es besteht ein Wahlrecht, ob man das Verbot einhält. Wenn man das tut, besteht der Anspruch auf Karenzentschädigung. Unwirksam bedeutet, dass das Verbot nicht gilt, Wettbewerb also zulässig ist. Die wichtigsten Grundsätze sind: (i) Die maximale Dauer ist zwei Jahre. (ii) Als Gegenleistung für die Wettbewerbsenthaltung hat der Arbeitgeber eine Karenzentschädigung zu zahlen, die für jedes Jahr des Verbots mindestens die Hälfte der zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen erreichen muss. Hierzu zählen die Festvergütung, variable Bestandteile sowie geldwerte Leistungen. (iii) Für Organmitglieder gelten abweichende Prinzipien (iv) Der Arbeitgeber kann nur bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf das nachvertragliche Wettbewerbsverbot mit schriftlicher (!) Erklärung verzichten, wenn dies eine Wirkung haben soll (nämlich die, dass die Pflicht zur Zahlung der Karenzentschädigung mit dem Ablauf eines Jahrs seit der Erklärung entfällt).

Nachvertragliche Wettbewerbsverbote sind teuer und einmal vereinbart, kommt man nur schwer wieder von ihnen los. Vor diesem Hintergrund sind Arbeitgeber auf der Basis deutschen Arbeitsrechts gut beraten, die Vor- und Nachteile eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots abzuwägen.

Kein Massenphänomen

Nachvertragliche Wettbewerbsverbote sind hierzulande auch aufgrund der gerade genannten Aspekte kein „Massenphänomen“, weitere Restriktionen sind nicht erforderlich. Unternehmen, die bestrebt sind, weltweit einheitliche Standards zu etablieren, stehen aufgrund der gravierenden Unterschiede in den einzelnen Jurisdiktionen vor Herausforderungen. Alternativen können etwa in differenzierten und möglichst umfassenden Geheimhaltungsvereinbarungen und/oder IP-Klauseln zum Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen sowie des geistigen Eigentums bestehen.

Darüber hinaus ist denkbar, zumindest im nationalen Kontext, zusätzliche monetäre Leistungen für Schlüsselkräfte und das Management an die Einhaltung nachvertraglicher Wettbewerbsenthaltung zu knüpfen und bei Verstößen diese Anreize (partiell) entfallen zu lassen.

*) Dr. Nadine Kramer ist Of Counsel von Covington & Burling und Head der Employment Praxis in Frankfurt, Maximilian Schunder ist dort Associate.

Dr. Nadine Kramer ist Of Counsel von Covington & Burling LLP und Head der Employment Praxis in Frankfurt, Maximilian Schunder ist dort Associate.