Marktsondierung

Neue Regeln für den Fondsvertrieb

Gesetzliche Änderungen bringen erhebliche Verschärfungen für Fonds speziell in der dem Vertrieb vorausgehenden Marktsondierung.

Neue Regeln für den Fondsvertrieb

Von Robert Kramer*)

Zur Vereinheitlichung und Erleichterung des grenzüberschreitenden Vertriebs von Investmentvermögen hat die EU schon im April 2019 Änderungen unter anderem der AIFM-Richtlinie beschlossen. Seit dem 2. August gelten diese nun auch auf nationaler Ebene. Grundlage ist das Fondsstandortgesetz, das neben einer Erweiterung der Angebotspalette für Fondsanbieter und bürokratischen Erleichterungen auch Neuerungen beim Vertrieb beinhaltet, insbesondere eine EU-einheitliche Festlegung zum Pre-Marketing. Verglichen mit der bisherigen Rechtslage und der Marktpraxis in Deutschland bringen diese gesetzlichen Änderungen jedoch zunächst deutliche Verschärfungen mit sich.

Die Idee eines Fonds beruht auf dem kollektiven Investieren über ein gemeinsames Vehikel. Üblicherweise wird ein Fonds von seinem regulierten Verwalter, der Kapitalverwaltungsgesellschaft (KVG), zunächst aufgelegt, um sodann mit Anlegergeldern gefüllt zu werden, die schließlich konzeptionsgemäß investiert werden sollen. Die Phase der Anwerbung der kollektiv investierenden Anleger wird als Vertrieb bezeichnet, der produkt- und anbieterseitig eigenen regulatorischen Anforderungen unterliegt. Ausgangspunkt ist dabei meist ein Vertriebsanzeige-, bzw. -genehmigungsverfahren.

Die dem Vertrieb vorangehende Phase der Marktsondierung war in dem Kundensegment der professionellen und semiprofessionellen Investoren, also unter Ausschluss von Privatanlegern, als sogenanntes Pre-Marketing bislang nicht reguliert. Hiernach konnten KVGs den Markt zu bestimmten Produktideen oder Strategien außerhalb des komplexen Vertriebsrechts befragen. Selbst maßgeschneiderte Spezialfonds wurden auf diese Weise gänzlich ohne offiziellen Vertriebsprozess aufgelegt, indem eine konkrete Investitionsgelegenheit mit einem ausgewählten Anlegerkreis zunächst sondiert, dann auf Basis eines Strukturkonzepts verhandelt und schließlich realisiert wurde.

Mit der Neuregelung, die das Pre-Marketing einem gesetzlichen Rahmen zuführt, entfällt die regulierungsfreie Variante der von der KVG veranlassten Investorenanbindung. Ab sofort tritt zwischen die weiterhin unregulierte Kommunikation zwischen Fondsanbietern und (semi-) professionellen Anlegern und den regulierten Vertrieb als Zwischenstufe das „semiregulierte“ Pre-Marketing. Vertriebliche Maßnahmen gegenüber diesen Kunden unterliegen damit deutlich früher einer Regulierung, als dies bisher der Fall war.

Für die Marktpraxis bringt das neue Pre-Marketing auf den ersten Blick nur die Einführung eines weiteren Verwaltungsverfahrens. Auch zukünftig bleiben Maßnahmen zur Marktsondierung bzw. die unmittelbare Aufnahme von Verhandlungen mit potenziellen Investoren im Hinblick auf eine konkrete Investmentidee möglich. Entsprechendes ist der Aufsichtsbehörde lediglich innerhalb von zwei Wochen mitzuteilen, wobei an diese Mitteilung keine mit einer Vertriebsanzeige vergleichbaren An­forderungen gestellt werden.

Der Gesetzgeber will allerdings ausschließen, dass es danach zu einem Beitritt von Anlegern ohne Vertriebsprozess kommt. Mit anderen Worten kann zwar auch zukünftig vorvertrieblich sondiert und verhandelt werden, am Ende kann die Investorenanbindung aber nur im Rahmen eines offiziellen Vertriebs erfolgen; dies gilt jedenfalls für einen Zeitraum von 18 Monaten seit Aufnahme des Pre-Marketings. Das damit verbundene Vertriebsanzeigeverfahren nimmt allerdings wertvolle Zeit in Anspruch und schränkt die Parteien so in ihrer bisherigen Flexibilität ein, auch mit einem eigens aufgelegten Fondsvehikel im Investorenrennen um attraktive Investitionsgelegenheiten, zum Beispiel im Immobilienmarkt, mithalten zu können. Für viele, insbesondere institutionelle Investoren bietet der Portfolioaufbau über einen regulierten Fonds jedoch nach wie vor wesentliche Vorteile im Vergleich zu einer Direktinvestition. Die zusätzlichen Verfahrensschritte müssen somit sorgfältig geplant und zum richtigen Zeitpunkt im laufenden Akquisitionsprozess ausgelöst werden.

Eine weitere, für die Praxis nicht unwesentliche Verschärfung erfährt das Pre-Marketing durch die Be­schränkung der hierfür zugelassenen Marktteilnehmer. Die nur mit einer gewerberechtlichen Erlaubnis als Finanzanlagenvermittler ausgestatten „freien“ Vertriebe sind zukünftig vom Prozess des Pre-Marketings ausgeschlossen. Künftig ist das Pre-Marketing lediglich den Kapitalverwaltungsgesellschaften selbst sowie regulierten Banken bzw. Finanzdienstleistern vorbehalten. Auch Assetmanager ohne eigene KVG-Erlaubnis, die ihre Fondsprodukte beispielsweise über Service-KVGs auflegen, können künftig nicht mehr ohne Weiteres mit potenziellen Kunden über geplante Konzepte sprechen oder eine Fondsdokumentation verhandeln.

Die Branche ist bereits dabei, für die Praxis geeignete Lösungen zu entwickeln, auf deren Grundlage auch die Aufsicht ihre Verwaltungspraxis neu definieren wird. Eine echte Erleichterung des Fondsvertriebs wird für den Fondsstandort Deutschland damit leider nicht einhergehen.

*) Robert Kramer ist Partner von GSK Stockmann in München.