Stephanie Birmanns, SZA

Neue Regeln für Fairness im Binnenmarkt

Die Europäische Union will verhindern, dass Subventionen aus Drittstaaten den Wettbewerb beeinträchtigen. Eine neue Verordnung erweitert die Pflichten in Übernahmen und Vergabeverfahren.

Neue Regeln für Fairness im Binnenmarkt

Frau Birmanns, knapp ein Jahr nach der Veröffentlichung des Weißbuchs zu Subventionen aus Nicht-EU-Staaten hat die Europäische Kommission ihren Vorschlag für eine Verordnung vorgelegt. Was ist der Hintergrund?

Die Kommission will den wettbewerbsverzerrenden Wirkungen drittstaatlicher Subventionen gezielt begegnen. Sie schlägt daher neue Instrumente vor, um für Fairness im Binnenmarkt zu sorgen. Nicht zuletzt soll auch die Transparenz für finanzielle Zuwendungen aus dem EU-Ausland erhöht werden.

Was kommt auf Unternehmen zu?

Konkret geht es um die Einführung von Anmeldepflichten für den Erwerb von EU-Unternehmen beziehungsweise für Angebote im Rahmen öffentlicher Vergabeverfahren. Darüber hinaus soll die Kommission von Amts wegen prüfen können, ob ausländische Subventionen einzelnen Unternehmen bei ihren wirtschaftlichen Aktivitäten in der EU einen ungerechtfertigten Vorteil verschaffen. Die neue Verordnung soll für alle Wirtschaftszweige gelten und wird voraussichtlich einen deutlichen Mehraufwand für Unternehmen und Investoren nach sich ziehen.

Das läuft neben der Fusionskon­trolle?

Die Anmeldepflicht nach der neuen Verordnung wird neben die Fusionskontrolle und die Investitionsprüfung nach dem Außenwirtschaftsrecht treten. Sie soll eingreifen, wenn die Kontrolle über ein Unternehmen erworben wird, das in der EU ansässig ist, hier mindestens 500 Mill. Euro Umsatz erwirtschaftet und wenn die beteiligten Unternehmen in den vergangenen drei Jahren Subventionen von über 50 Mill. Euro aus Drittstaaten erhalten haben. Solche Transaktionen werden erst nach Freigabe durch die Kommission vollzogen werden dürfen. Die Prüfungsfristen orientieren sich an denen der EU-Fusionskontrolle. Sie können also insbesondere bei Einleitung eines vertieften Verfahrens (Phase II) zu ganz erheblichen Verzögerungen führen. Die Kommission schätzt, dass jährlich rund 30 Zusammenschlüsse von der Neuregelung erfasst werden, in der Praxis dürfte die Zahl jedoch höher liegen.

Wie sieht die Meldepflicht in EU-Vergabeverfahren aus?

Diese greift ein, wenn der Auftragswert mindestens 250 Mill. Euro beträgt und der Bieter in den letzten drei Jahren finanzielle Zuwendungen aus Drittstaaten erhalten hat. Problematisch sind in diesem Zusammenhang insbesondere die langen Prüffristen: Während der ersten Prüfphase von 60 Tagen darf generell kein Zuschlag erteilt werden; schließt sich ein vertieftes Prüfverfahren an, ist der betroffene Bieter bis zu 200 Tage lang von der Auftragserteilung ausgeschlossen.

Unter welchen Umständen kann die Kommission von Amts wegen einschreiten?

Der Vorschlag räumt der Kommission weites Ermessen ein. Sie kann in sämtlichen Marktsituationen tätig werden, in denen sie eine wettbewerbsverzerrende Wirkung drittstaatlicher Subventionen befürchtet. Wichtig ist, dass die Kommission auch Unternehmenserwerbe oder öffentliche Vergabeverfahren unterhalb der genannten Schwellenwerte aus eigenem Antrieb prüfen kann. Bei unzureichender Auskunftserteilung durch das betroffene Unternehmen kann die Kommission eine Entscheidung auf Basis der verfügbaren Informationen treffen. Damit versucht die Kommission den absehbaren Schwierigkeiten bei der Informationsbeschaffung entgegenzutreten. Dies ist unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten sehr bedenklich.

Das Weißbuch war mit Blick auf zusätzlichen bürokratischen Aufwand und verbleibende Rechtsunsicherheit auf Kritik gestoßen. Hat die Kommission reagiert?

Die Kommission hat versucht, diese Kritik aufzugreifen. So hat sie etwa die Anmeldepflichten an konkrete Aufgreifschwellen geknüpft. Zudem hat sie einen „safe harbor“ für finanzielle Zuwendungen geschaffen, die während eines Dreijahreszeitraums unter 5 Mill. Euro bleiben. Ob diese Ergänzungen den Anwendungsbereich der neuen Regelungen tatsächlich auf eine überschaubare Anzahl von Fällen beschränken werden, erscheint jedoch äußerst fraglich. Auch die Kriterien der materiellen Bewertung bleiben vage. Dies ist umso problematischer, als der Kommission mit der Möglichkeit, weitgehende Auflagen und Verbote auszusprechen, ein scharfes Schwert an die Hand gegeben wird.

Dr. Stephanie Birmanns ist Counsel bei SZA Schilling, Zutt & Anschütz. Die Fragen stellte Sabine Wadewitz.