Neue Vergütungsregeln für Wertpapierfirmen
Von Philipp Schäuble*)
Für Wertpapierfirmen galt bislang der gleiche regulatorische Rahmen wie für Banken, in Deutschland das Kreditwesengesetz (KWG). Anders als Banken nehmen Wertpapierfirmen allerdings keine Einlagen an, so dass von ihnen geringere Risiken für die Finanzmarktstabilität ausgehen. Passgenauere regulatorische Anforderungen für Wertpapierfirmen schafft daher nun das Wertpapierinstitutsgesetz (WPiG), welches am 28. Juni 2021 in Kraft getreten ist und die EU-Richtlinie 2019/2034 (IFD) und die EU-Verordnung 2019/2034 (IFR) umsetzt. Das WPiG hat unter anderem Auswirkungen auf die Vergütungssysteme der Wertpapierfirmen.
Fanden bislang im Wesentlichen die Regelungen für Kreditinstitute und damit auch die Institutsvergütungsverordnung (IVV) Anwendung, gilt künftig ein nach Größe abgestuftes Regime. Für große Wertpapierfirmen mit einer Bilanzsumme von mindestens 15 Mrd. Euro und CRR-Institute bleiben die Regelungen der Institutsvergütungsverordnung (IVV) anwendbar. Die zahlenmäßig größte Gruppe der kleinen Wertpapierfirmen, etwa 680 Firmen, hat dagegen nur noch die Regelungen der EU-Verordnung 2017/565 sowie die seitens der BaFin aufgestellten Mindest-Complianceanforderungen (MaComp) zu beachten. Kleine Wertpapierfirmen sind solche, die weder eine Bilanzsumme von mehr als 100 Mill. Euro, ein jährliches Bruttoeinkommen von über 30 Mill. Euro noch ein sonstiges Größenkriterium erfüllen.
Risikoträger betroffen
Für die ca. 70 mittleren Wertpapierfirmen, also diejenigen, die weder die Anforderungen an kleine noch große Wertpapierfirmen erfüllen, kommt es zur offenkundigsten Veränderung: Für sie soll künftig die Wertpapierinstitutsvergütungsverordnung (WVV) gelten. Das Konsultationsverfahren zu dem von der BaFin im Mai vorgelegten Entwurf ist bereits abgeschlossen, weshalb mit einem zeitnahen Inkrafttreten der WVV zu rechnen ist.
Die WVV lehnt sich inhaltlich stark an die IVV an und verpflichtet mittlere Wertpapierfirmen, ein angemessenes Vergütungssystem zu etablieren. Im Sinne einer Begrenzung des administrativen Aufwands wirkt zunächst positiv, dass die Bestimmungen der WVV wohl nur auf sogenannte Risikoträger anzuwenden sind, also etwa Geschäftsleiter oder sonstige Mitarbeiter, die hohe Risikopositionen eingehen können. Allerdings dürften die allermeisten Wertpapierfirmen, da sie die Schwellenwerte zur Einordnung als bedeutendes Institut (mindestens 15 Mrd. Euro Bilanzsumme) nicht erfüllen, bislang überhaupt keine Risikoträger ermittelt haben.
Malusregeln verpflichtend
Neu ist die ausdrückliche Anforderung zur geschlechtsneutralen Gestaltung des Vergütungssystems für alle Risikoträger. Eine vergleichbare Regelung soll auch in die IVV aufgenommen werden. Künftig haben mittlere Wertpapierfirmen in ihrem Vergütungsbericht damit zu erläutern, wie die Vergütung der Risikoträger geschlechtsneutral ausgestaltet wird. Ob hiermit angesichts bereits bestehender gesetzlicher Regelungen zur Gleichbehandlung auch konkrete Änderungen bei der Vergütung einzelner Risikoträger einhergehen werden, bleibt indes abzuwarten.
Hinsichtlich der variablen Vergütung begründet die WVV eine Vielzahl mehr oder weniger konkreter Anforderungen: Zunächst ist die variable Vergütung grundsätzlich nach der individuellen Leistung des Mitarbeiters, dem Erfolg des Geschäftsbereichs und dem Gesamterfolg der Wertpapierfirma zu ermitteln. Bei der individuellen Leistung sind sowohl finanzielle als auch nichtfinanzielle Kriterien zu berücksichtigen. Weiter setzt die variable Vergütung eine mehrjährige Bemessungsgrundlage voraus.
Angesichts des Umstandes, dass entsprechende Verpflichtungen bislang nur für bedeutende Institute galten und dort teilweise sogar nur auf Geschäftsleiterebene, begründen die vorgenannten Bestimmungen erhebliche Änderungen für mittlere Wertpapierfirmen.
Ebenfalls neu ist, dass Malus- und Claw-back-Regelungen mit Risikoträgern zu vereinbaren sind, kraft derer die variable Vergütung gekürzt oder bei bereits erfolgter Auszahlung zurückgefordert wird, wenn ein Mitarbeiter etwa einen Verlust zu verantworten hat. Gerade Claw-back-Regelungen sind arbeitsrechtlich allerdings kaum durchsetzbar. Erst recht dürfte dies für Claw-backs gelten, die auf fehlende Sachkunde oder Zuverlässigkeit eines Mitarbeiters gestützt werden sollen. Denn die Begriffe sind reichlich unbestimmt.
Für das Verhältnis zwischen fixer und variabler Vergütung für Wertpapierfirmen gilt – anders als auf Grundlage des KWG – keine starre Obergrenze. Sofern die Anforderungen an die Vergütung im Übrigen beachtet werden, kann die variable Vergütung eines Mitarbeiters der Wertpapierfirma damit künftig höher als die fixe Vergütung sein und dies auch ohne die Zustimmung der Anteilseigner.
Zu den administrativ aufwendigsten Regelungen gehören die Non-Cash Instruments (NCIs) und Deferral-Vorgaben. Hiernach sind 50% der variablen Vergütung in NCIs auszuzahlen. Taugliche NCIs sind etwa Aktien der Wertpapierfirma oder Zahlungsinstrumente, welche die verwalteten Portfolios der Wertpapierfirma widerspiegeln. Zudem sind mindestens 40% der variablen Vergütung über drei bis fünf Jahre zurückzubehalten und zeitverzögert auszuzahlen, sofern sich die Erfolgsbeiträge des Mitarbeiters auch rückblickend als nachhaltig erweisen.
Positiv zu bewerten ist, dass diese Regelungen nur für die drei größten bzw. solche mittleren Wertpapierfirmen gelten sollen, die bestimmte wirtschaftliche Kennziffern überschreiten. Letztlich dürften die NCI- und Deferral-Vorgaben damit nur eine Hand voll Wertpapierfirmen betreffen. Vor diesem Hintergrund dürfte kaum ins Gewicht fallen, dass der WVV-Entwurf variable Vergütungen unter 50000 Euro jährlich nicht von den NCI- und Deferral-Vorgaben ausnimmt.
Im Kundeninteresse
Für kleine Wertpapierfirmen gelten bezüglich des Vergütungssystems die EU-Verordnung 2017/565 und die MaComp. Gleiches gilt für die Vergütungssysteme mittlerer Wertpapierfirmen für Mitarbeiter, die keine Risikoträger sind. Hiernach sind Vergütungsgrundsätze festzulegen, welche die Kundeninteressen angemessen berücksichtigen und auf eine nachhaltige Entwicklung hinwirken. Interessenkonflikte sind zu vermeiden. Die Vergütung darf nicht allein auf finanziellen Kriterien beruhen, sondern auch qualitative Faktoren wie etwa Kundenzufriedenheit müssen berücksichtigt werden.
Grundsätzlich darf die variable Vergütung nicht höher sein als die fixe Vergütung, es sei denn, die Anteilseigner billigen einen größeren Anteil (dann bis zu 200%). Dies ist widersprüchlich vor dem Hintergrund, dass auf Grundlage der WVV für Risikoträger mittlerer Wertpapierfirmen gerade keine starre Obergrenze gilt. Gleichwohl dürften sich für kleine und mittlere Wertpapierfirmen, soweit keine Risikoträger betroffen sind, durch das Herauswachsen aus dem Geltungsbereich der IVV administrative Erleichterungen ergeben.
Der Entwurf der WVV und der den neuen Regelungen zugrundeliegende europarechtliche Rahmen hinterlassen einen gemischten Eindruck. Auf die Vergütungssysteme vieler mittlerer Wertpapierfirmen kommen neue Anforderungen zu. Mit Blick auf ihre Größe und allgemeine Bedeutung fragt sich, ob die zusätzlichen Anforderungen angemessen sind.
Präzisierungen erwünscht
Vor Inkrafttreten der WVV wären an einigen Stellen Präzisierungen oder Änderungen wünschenswert, etwa mit Blick darauf, dass die WVV tatsächlich nur für Risikoträger gilt und dass eine Kürzung der variablen Vergütung nicht schon bei einer geringen Abschwächung der wirtschaftlichen Entwicklung der Wertpapierfirma erfolgen muss. Auch sollten, schon im Sinne einer Harmonisierung der Regelungen im europäischen Rechtsraum, Abweichungen oder gar Verschärfungen der europarechtlichen IFD und IFR nicht oder nur in Ausnahmefällen erfolgen. Die MaComp sollte im Verhältnis zur WVV kritisch durchleuchtet werden. Wünschenswert wäre nicht zuletzt eine angemessene Ausgestaltung der Anforderungen an die Vergütungssysteme kleiner Wertpapierfirmen sowie Nichtrisikoträger in mittleren Wertpapierfirmen im Verhältnis zur WVV.
*) Dr. Philipp Schäuble ist Partner von McDermott Will & Emery Rechtsanwälte Steuerberater in München.