Investments

Neuer Fondstyp für Kleinanleger wenig gefragt

Das offene Infrastruktur-Sondervermögen sollte das Anlagespektrum erweitern, doch es sind viele damit verbundene Themen unklar. Die Praxis ist gefordert, sich einen Weg durch das Dickicht zu bahnen.

Neuer Fondstyp für Kleinanleger wenig gefragt

Von Markus Wollenhaupt*)

Am 2. August 2021 wurde mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Stärkung des Fondsstandortes Deutschland der Startschuss für das offene Infrastruktur-Sondervermögen als neuem Fondstyp für Kleinanleger im Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) ge­geben. Gut ein halbes Jahr später scheint das Interesse der Marktteilnehmer an der Nutzung dieser Produktinnovation noch sehr verhalten zu sein. Bereits aufgelegte Fonds sind auf dem Markt nicht auszumachen.

Dies verwundert, da das Investoreninteresse an Alternative Assets hoch ist und die Assetklasse Infrastruktur auch bei Kleinanlegern an Bedeutung gewinnt. Die Möglichkeit, Investitionen privater Gelder in Infrastrukturprojekte zu verbessern, ist vor dem Hintergrund des enormen Finanzierungsbedarfs in diesem Bereich ein begrüßenswerter Ansatz.

Die energiepolitische Wende und die damit verbundenen Um- und Ausbaumaßnahmen im Bereich nachhaltiger Energieproduktion, Netzausbau sowie der Schaffung von Ladeinfrastruktur für die Elektromobilität verstärken die Notwendigkeit privater Investitionen in diesen Sektor. Gleichzeitig gelten Investitionen in Infrastruktur als Kapitalanlagen, die bei überschaubaren Risiken noch zufriedenstellende Renditen liefern können. Wie kommt es also, dass das offene Infrastruktur-Sondervermögen bisher offensichtlich nicht aus den Startblöcken gekommen ist?

Mit der Einführung des offenen Infrastruktur-Sondervermögens­­ verfolgt der Gesetzgeber das Ziel, die Produktpalette für Kapitalverwaltungsgesellschaften (KVG) zu erweitern und einen speziellen Fondstyp für Infrastrukturinvestitionen zur Verfügung zu stellen. Beim offenen Infrastruktur-Sondervermögen handelt es sich um ein sogenanntes Publikumsinvestmentvermögen, also um einen Investmentfonds, der sich in erster Linie an deutsche Privatanlegerrichtet und uneingeschränkt an diese vertrieben werden darf. Das Infrastruktur-Sondervermögen ist „offen“, das heißt, es hat keine feste Laufzeit. Anlegern, die ihre Anlage in dem Fonds beenden wollen, steht ein Rückgaberecht gegenüber der KVG zu.

Strukturell ist das offene Infrastruktur-Sondervermögen stark an das offene Immobilien-Sondervermögen angelehnt. Beide Fondstypen investieren in hoch illiquide Vermögensgegenstände, bieten aber den Anlegern gleichwohl ein Rückgaberecht an. Beim Infrastruktur-Sondervermögen ist Anlegern mindestens einmal jährlich und höchstens einmal halbjährlich zu bestimmten Rücknahmeterminen ein Rückgaberecht einzuräumen. Anleger des In­frastruktur-Sondervermögens sollten bezogen auf ihre Anteile eine Mindesthaltefrist von 24 Monaten sowie Rückgabeankündigungsfristen von zwölf Monaten einzuhalten haben. Anlegern und Vertriebsträgern werden diese Liquiditätseinschränkungen aus den Anlagen in offene Immobilien-Sondervermögen bekannt vorkommen. Die Vergleichbarkeit beider Fondstypen kann die Vermarktbarkeit des Infrastruktur-Sondervermögens erleichtern.

Um den Charakter als Infrastrukturinvestment zu verdeutlichen, muss das Infrastruktur-Sondervermögen mindestens 60% seines Wertes in sogenannte Infrastruktur-Projektgesellschaften, Immobilien und Nießbrauchsrechte an Grundstücken anlegen. Maximal darf das Infrastruktur-Sondervermögen bis zu 80% seines Wertes in sogenannte Infrastruktur-Projektgesellschaften investieren, wobei zu Zwecken der Risikodiversifikation nicht mehr als 10% des Wertes des Infrastruktur-Sondervermögens in eine einzige In­frastruktur-Projektgesellschaft angelegt werden dürfen. Daneben ist vorgesehen, dass eine Mindestliquidität von 10% in Form von Bankguthaben, Geldmarktinstrumenten oder Geldmarktfonds vorgehalten wird. Neu ist die Idee eines speziellen Infrastrukturfonds im deutschen Fondsrecht nicht. Vor einigen Jahren hat es im damaligen Investmentgesetz schon einen Versuch der Etablierung eines eigenen Fondstyps für Infrastruktur gegeben. Der damalige In­frastrukturfonds war jedoch aufgrund fehlender Akzeptanz bei den KVG bei der Einführung des KAGB im Jahr 2013 erst gar nicht mehr in dieses übernommen worden. Wesentlicher Schwachpunkt des alten Infrastrukturfonds war es, dass er ausschließlich in ÖPP in der Betreiberphase investieren durfte.

Dagegen sind die Investitionsmöglichkeiten des neuen offenen Infrastruktur-Sondervermögens wesentlich weiter. Infrastruktur-Projektgesellschaften können rein privatwirtschaftlich ausgestaltet sein. Die Notwendigkeit einer Kooperation zwischen der öffentlichen Hand und der Privatwirtschaft ist entfallen, ebenso wie die Einschränkung auf Investments, die sich bereits in der Betreiberphase befinden. Also wurden für das offene Infrastruktur-Sondervermögen hier aus den Fehlern der Vergangenheit die richtigen Lehren gezogen. Wie lässt sich die Zurückhaltung am Markt aber dann erklären? Das KAGB verweist für die Verwaltung von offenen Infrastruktur-Sondervermögen weitgehend auf die Vorschriften für offene Immobilien-Sondervermögen. So einleuchtend diese Verweisungstechnik im ersten Moment wegen der strukturellen Ähnlichkeit beider Arten von Fonds erscheinen mag, bei genauerer Betrachtung wirft die entsprechende Anwendung der Vorschriften über Immobilienfonds viele Fragen auf. Auch die BaFin hat sich bisher zu ihrer Sicht auf die Dinge noch nicht offiziell geäußert.

So stellt sich die Frage, wie die Definition der Infrastruktur-Projektgesellschaft zu verstehen ist. Nach der gesetzlichen Definition sind darunter Gesellschaften zu verstehen, die nach dem Gesellschaftsvertrag oder der Satzung gegründet wurden, um dem Funktionieren des Gemeinwesens dienende Einrichtungen, Anlagen, Bauwerke oder jeweils Teile davon zu errichten, zu sanieren, zu betreiben oder zu bewirtschaften.

Nicht ganz einfach zu beantworten, ist die Frage, ob „dem Funktionieren des Gemeinwesens dient“, was ausschließlich im öffentlichen Interesse liegt, aber nicht der Erfüllung öffentlicher Aufgaben dient, also zum Beispiel der Betrieb eines Alten- oder Pflegeheims. Ebenso wenig scheint eine eindeutig auszumachende Grenze zwischen Immobilienanlagen und Infrastrukturprojekten zu verlaufen. Diese Unterscheidung ist aber notwendig, weil das Infrastruktur-Sondervermögen nicht mehr als 30% seines Wertes in Immobilien anlegen darf.

Ebenfalls nicht zweifelsfrei geregelt ist die Kreditaufnahmemöglichkeit für das Infrastruktur-Sondervermögen. Durch den Verweis auf die entsprechenden Normen bei den offenen Immobilien-Sondervermögen sollte eine langfristige Kreditaufnahme von 30% möglich sein. Dass sich die 30-%-Grenze richtigerweise auf den Verkehrswert aller vom In­frastruktur-Sondervermögen gehaltenen Infrastruktur-Projektgesellschaften und Immobilien beziehen muss und nicht nur auf den Verkehrswert von gegebenenfalls gehaltenen Immobilien, liegt zwar nah, ist aber nicht eindeutig angeordnet.

Hindernislauf

Ebenfalls offen ist, ob eine Infrastruktur-Projektgesellschaft auch mittelbar durch zwischengeschaltete Holdinggesellschaften gehalten werden darf. Die Zulässigkeit von mehrstufigen Haltestrukturen scheint geboten, um einen Gleichlauf mit dem Immobilien-Sondervermögen zu erreichen, welches ebenfalls mehrstufige Haltestrukturen verwenden darf. Eine eng damit zusammenhängende Frage ist die der Innenfinanzierung über die Vergabe von Gesellschafterdarlehen an Infrastruktur-Projektgesellschaften. Auch hier sind Detailthemen bisher ungeklärt.

Da der Gesetzgeber durch die von ihm gewählte pauschale Verweistechnik viele Fragen offengelassen hat, bleibt es nunmehr der Praxis überlassen, sich einen Weg durch die unklaren Themen zu bahnen. Dieser Prozess gleicht eher einem Hindernislauf durchs Gelände. Es ist daher nicht verwunderlich, dass noch kein offenes Infrastruktur-Sondervermögen auf der Zielgeraden zu sehen ist. Ob das offene Infrastruktur-Sondervermögen schlussendlich erfolgreich über die Ziellinie geht, wird sich auch daran entscheiden, ob das Investmentsteuergesetz noch weiter als bisher angepasst wird, um die steuerliche Attraktivität dieses Fondstyps vergleichbar mit der des Immobilien-Sondervermögens zu machen.

*) Markus Wollenhaupt ist Partner von Linklaters in Frankfurt.

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