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Öffentliche Übernahmen sind in den USA einfacher als in Deutschland

In den USA erholt sich der Markt für die Übernahme börsennotierter Unternehmen spürbar. Im Vergleich dazu ist die Situation in Europa, abgesehen von einigen Highlights, eher ruhig. Woran liegt das?

Öffentliche Übernahmen sind in den USA einfacher als in Deutschland

Öffentliche Übernahmen sind in den USA einfacher als in Deutschland

Das gestufte Verfahren aus Kauf und anschließender Integration erschwert Deals hierzulande

Von Leah R. Sauter und Heiko Gotsche *)

Kaum ein Land hat aktuell so gute Wirtschaftsaussichten wie die USA. Auf die dortige geopolitische Stabilität und das Preisniveau für Energie schauen insbesondere die Deutschen voller Ehrfurcht. Der Inflation Reduction Act mit seinen großzügigen Subventionen, ein gesunder Arbeitsmarkt und eine starke Binnennachfrage tragen zusätzlich zum wirtschaftlichen Optimismus bei.

All dies spürt man auch auf dem M&A-Markt. Die Rekorde aus dem Jahr 2021 sind zwar noch in weiter Ferne, aktuelle Zahlen machen den Marktteilnehmern allerdings Hoffnung und sorgen wieder für bessere Stimmung bei Investmentbanken und Beratern. Für den Aufschwung mitverantwortlich sind dabei auch hiesige Investoren. So haben Dax-Konzerne in jüngerer Zeit große Deals in den USA vollzogen. Und aus der eigenen Praxis wissen wir, dass weitere deutsche Unternehmen aktiv nach geeigneten US-Targets schauen.

Viele Börsenneulinge

Das positive Dealklima erstreckt sich ebenfalls auf den Bereich öffentlicher Übernahmen und Zusammenschlüsse, also den Bereich „Public M&A“ mit börsennotierten Targets. Alle Indikatoren deuten hier auf eine spürbare Markterholung hin. Im Vergleich dazu ist die Situation in Europa, abgesehen von einigen Highlights, eher ruhig. Woran liegt das? Jedenfalls nicht nur an der Wirtschaftslage, denn den Abstand gab es bereits zu konjunkturellen Hochzeiten.

Zunächst einmal ist in den USA die Zahl potenzieller Targets mit Börsennotierung vergleichsweise hoch. Angesichts der Stärke und Anziehungskraft des US-Kapitalmarkts gehört ein IPO für viele Unternehmen zum Standard-Repertoire an Wachstumsbeschleunigern und ist entsprechend häufig. Darüber hinaus sind die rechtlichen Rahmenbedingungen für Public-M&A-Transaktionen einladend. So gibt es in den USA grundsätzlich keine Regelungen zu einem Mindestpreis oder einer nachträglichen Pflicht zur Preiserhöhung (abgesehen von einem Diskriminierungsverbot). Wer 30% oder mehr an einem gelisteten Target erwirbt, muss den übrigen Aktionären nicht zwangsläufig eine Pflichtangebot unterbreiten, hat also mehr Flexibilität beim Beteiligungsaufbau. Zudem sind „Share for Share“-Deals, bei denen der Bieter Aktien statt Geld als Gegenleistung anbietet, nicht ungewöhnlich – in Deutschland hingegen sind sie aufgrund komplexer Anforderungen an die angebotenen Anteile die Ausnahme.

Voller Zugriff

Darüber hinaus kann ein Bieter in den USA mit der richtigen Transaktionsstruktur und einem Angebot, das die (häufig einfache) Mehrheit der Aktionäre überzeugt, vollen Zugriff auf das erworbene Unternehmen erlangen. In Deutschland erfordert dies mehr Geduld, denn auch eine erfolgreiche Übernahme verschafft einem Bieter noch keinen solchen Zugriff. Dafür sind in einem zweiten Schritt Integrationsmaßnahmen notwendig, also der Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags bzw., ab einer 90/95%-Beteiligung, ein Squeeze-out.

Prämien in den USA deutlich höher als hierzulande

Viele solcher Unterschiede lassen sich in Teilen auf ein abweichendes Marktverständnis zurückführen. In den USA besteht traditionell großes Vertrauen in die Rationalität der Marktteilnehmer, sofern sie hinreichend informiert sind (was über strenge Publizitätsanforderungen sichergestellt wird). Wenn also ein Bieter eine Mehrheit der Aktionäre überzeugen will, wird er schon aus eigenem Antrieb eine attraktive Gegenleistung anbieten, ohne dazu gesetzlich verpflichtet werden zu müssen. Und für die Aktionäre scheint sich dieser marktbezogene Ansatz durchaus zu lohnen, denn die Prämien, also die Aufschläge auf die aktuellen Börsenkurse, sind bei Übernahmen in den USA im Durchschnitt deutlich höher als hierzulande.

Bei diesen Maßnahmen erhalten die Minderheitsaktionäre, die das ursprüngliche Angebot nicht angenommen hatten, eine erneute Verkaufsmöglichkeit zu einem neu zu ermittelnden Preis. Dieser wiederum wird in praktisch allen Fällen Gegenstand langjähriger gerichtlicher Verfahren, die zwar die Integration nicht aufhalten, aber aufwendig werden können. Dieser besondere Schlenker im deutschen Recht ruft regelmäßig auch Hedgefonds auf den Plan, die nach Veröffentlichung der Übernahmepläne opportunistisch in Zielgesellschaften investieren und darauf spekulieren, spätestens im zweiten Schritt – auch aufgrund einer großzügigen Verzinsung – ihren Schnitt zu machen.

Vergleichsweise anstrengend

Das gestufte Verfahren aus Übernahme und anschließender Integration hat eigentlich das Ziel, Minderheitsaktionäre zu schützen. Mit Blick auf die Hedgefonds und weitere professionelle Anleger als vornehmliche Nutznießer birgt das eine gewisse Ironie. Gleichwohl ist festzuhalten, dass öffentliche Transaktionen in Deutschland erfolgreich durchgeführt werden. Das zeigen die jüngeren Beispiele um Vantage Towers, Software AG, Zooplus und die Aareal Bank. Hier hat sich aber auch bewahrheitet, dass eine gute Vorbereitung und professionelle Beratung der Beteiligten essenziell sind.

Soll sich nun der Gesetzgeber stärker an US-Ansätzen orientieren, um Public M&A in Deutschland zu fördern? Dazu wäre ein breiter rechts- und wirtschaftspolitischer Konsens nötig. Vorschläge gibt es, oft verbunden mit Hinweisen auf die Vorteile für die breite Masse der Aktionäre, um deren Interesse es am Ende ja eigentlich geht. Bis es dazu kommt, bleibt Public M&A in Deutschland möglich, aber auch vergleichsweise anstrengend.

*) Leah R. Sauter ist Partnerin von Latham & Watkins in New York und Dr. Heiko Gotsche Partner der Kanzlei in Düsseldorf.

Leah R. Sauter ist Partnerin von Latham & Watkins in New York und Dr. Heiko Gotsche Partner der Kanzlei in Düsseldorf.

*) Leah R. Sauter ist Partnerin von Latham & Watkins in New York und Dr. Heiko Gotsche Partner der Kanzlei in Düsseldorf.

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