GastbeitragKlage Hypo Real Estate

Recht auf Einlagensicherung?

Das Landgericht Berlin ist in der Klage der Hypo Real Estate gegen den Einlagensicherungsfonds ihrer Rechtsprechung ziemlich treu geblieben.

Recht auf Einlagensicherung?

Gibt es ein Recht
auf Einlagensicherung?

Landgericht Berlin bleibt im Fall Hypo Real Estate ihrer Rechtsprechung ziemlich treu

Von Mathias Hanten *)

Das Landgericht (LG) Berlin hatte sich vor Kurzem mit einer Klage der Hypo Real Estate Holding GmbH (HRE) gegen den Einlagensicherungsfonds beim Bundesverband deutscher Banken zu befassen. Sie fragen vielleicht: Na und? Könnte ich mal was Neues lesen? Das Urteil vom 4.4.2023 (Az. 21 O 352/21 (2)) und die dahinter liegende Rechtsprechung haben eine Geschichte, die sich zu lesen lohnt.

Vor über zehn Jahren – am 15.6.2010 – hatte das Gericht (10 O 360/09) schon einmal einen ähnlichen Fall zu entscheiden. Damals klagte eine Kapitalverwaltungsgesellschaft auf Entschädigung von Einlagen, die bei der Lehman Brothers Bankhaus AG geführt wurden.

Im aktuellen Fall klagte die HRE auf Entschädigung ihrer bei der insolventen Greensill Bank geführten Einlagen gegen den Einlagensicherungsfonds. Zudem klagte sie auf Entschädigung gegen die Entschädigungseinrichtung deutscher Banken GmbH (EdB), eine Tochtergesellschaft des Bundesverbandes deutscher Banken. Die EdB ist als gesetzliche Entschädigungseinrichtung beliehen worden und erfüllt damit staatliche Aufgaben.

Das Landgericht ist im aktuellen Urteil seiner Rechtsprechung, trotz vieler Änderungen im Statut des Einlagensicherungsfonds (SEF) und eines Kammerwechsels, ziemlich treu geblieben. Worum ging es damals und heute? Die jeweiligen Klägerinnen wollten ihre bei einer insolventen Bank geführten Einlagen entschädigt bekommen. Der Einlagensicherungsfonds beantragte in beiden Fällen die Abweisung der Klage, da die Entschädigungsvoraussetzungen nach dem SEF nicht vorlägen. Im damaligen Fall fehlte es – so der Einlagensicherungsfonds seinerzeit – tatbestandlich an der Einlage; im aktuellen Fall sei – so der Einlagensicherungsfonds – die Klägerin als Finanzinstitut und als Wertpapierfirma nach § 6 Absatz 2 SEF nicht entschädigungsberechtigt. Der Einlagensicherungsfonds, so das Gericht in beiden Fällen, schließe in alter und neuer Fassung einen Rechtsanspruch auf Entschädigung ausdrücklich aus. Deshalb könne die Frage offenbleiben, ob die sonstigen Voraussetzungen für eine Entschädigung aus dem Einlagensicherungsfonds vorlägen. Die Parteien könnten zwar über das Klagebegehren und den zur Entscheidung stehenden Tatsachenstoff verfügen, die rechtliche Beurteilung obliege aber ganz allein dem Gericht. Das SEF sei eben kein Tatsachenstoff.

Nun hat der aktuelle Berliner Fall aber noch eine kleine, aber interessante Volte. Weil die HRE neben ihrem Anspruch auf Entschädigung aus dem ESF im aktuellen Fall auch auf Zahlung aus der staatlichen Einlagensicherungseinrichtung geklagt hat und das einschlägige Einlagensicherungsgesetz (EinSiG), anders als das SEF, keinen Ausschluss des Rechtsanspruchs kennt, musste das Landgericht prüfen, ob die Voraussetzungen einer Entschädigung nach dem Einlagensicherungsgesetz vorliegen. Das hat das Landgericht bejaht und der Klage gegen die staatliche Entschädigungseinrichtung stattgegeben und die Klage gegen den Einlagensicherungsfonds abgewiesen.

Verlust an Glaubwürdigkeit

Recht besehen schadet die Rechtsprechung des Landgerichts Berlin beiden Parteien eher, als sie nützt. Denn das Landgericht durfte es offenlassen, ob die Voraussetzungen der Einlagensicherung vorliegen; es konnte die Klagen mit dem einfachen Hinweis auf einen im SEF ausgeschlossenen Rechtsanspruch abweisen. Der Einlagensicherungsfonds verliert damit, obwohl er immer gezahlt hat, wenn er meinte, dass die Entschädigungsvoraussetzungen vorliegen, an Glaubwürdigkeit. Auf der anderen Seite verstehen die Einlagengläubiger nicht, warum ausgerechnet sie nicht entschädigt werden sollen. Was kann man tun?Dass die Auslegung des Einlagensicherungsfonds gerichtlicher Überprüfung zugänglich gemacht werden sollte oder müsste, lässt sich auch damit begründen, dass die Frage, wer nach der neuen Fassung des SEF nicht von der Einlagensicherung umfasst sein soll, für den Gläubiger mit Bordmitteln schlicht nicht mehr bestimmbar ist. So sieht der hier relevante § 6 Absatz 4 SEF etwa ein paar Außen- und Innenverweisungen vor, nutzt Legaldefinitionen, will sich aber – etwa durch die Nutzung des Adverbs „insbesondere“ oder die Verwendung sehr weitgefasster Tatbestandsmerkmale – etwa „vergleichbare Unternehmen“ – nicht daran binden lassen.

Allen, nicht nur den Prozessparteien, wäre geholfen, wenn sich das von der HRE mittlerweile angerufene Kammergericht zu einer Entscheidung über die materiellen Rechtsfragen bereitfinden könnte. Sollte das Kammergericht die Rechtsprechung des Landgerichts zum Ausschluss des Rechtsanspruchs bestätigen, wäre für den Einlagensicherungsfonds eine Satzungsänderung erwägenswert. Sie könnte § 6 Abs. 19 SEF, der den Rechtsanspruch („Ein Rechtsanspruch auf ein Eingreifen oder auf Leistungen des ESF besteht nicht.“) ausschließt, einfach aufheben.

Seitens des Einlagensicherungsfonds wird das Bedenken bestehen, dass er mit einem Rechtsanspruch im SEF als – nach dem Versicherungsaufsichtsgesetz erlaubnispflichtiges – Versicherungsunternehmen einzuordnen wäre. Das mag nicht völlig unbegründet sein. Allerdings könnte Gesetzgeber den Einlagensicherungsfonds von der Erlaubnispflicht freistellen. Dass hieran ein Interesse bestehen muss, lässt sich daraus ersehen, dass der Gesetzgeber zumindest die staatlichen Einlagensicherungssysteme ausdrücklich, und zwar in § 62 Einlagensicherungsgesetz, von der Versicherungsaufsichtspflicht befreit hat. Warum sollten die privaten Einlagensicherungssysteme, zumal so gut funktionierende wie der Einlagensicherungsfonds, schlechter behandelt werden?

Dr. Mathias Hanten ist Partner von Deloitte Legal in Frankfurt.

*) Dr. Mathias Hanten ist Partner von Deloitte Legal in Frankfurt.

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