GastbeitragNachhaltigkeit

Recht auf Reparatur fordert Hersteller heraus

Die Reparatur-Richtlinie der EU will Elektroschrottberge verhindern. Die neuen Verpflichtungen bringen für viele Hersteller hohen finanziellen und logistischen Aufwand mit sich.

Recht auf Reparatur fordert Hersteller heraus

Recht auf Reparatur
fordert Hersteller heraus

Aus der „Right to Repair“-Richtlinie der Europäischen Union erwachsen neue Pflichten

Von Rupert Bellinghausen und Kathrin Bauwens *)

Am 23. April hat das EU-Parlament die „Right to Repair“-Richtlinie (Reparatur-RL) verabschiedet, mit der ein wichtiger Beitrag zur angestrebten Kreislaufwirtschaft geleistet werden soll: Konsumgüter sollen vermehrt repariert, Abfall reduziert und Ressourcen geschont werden. Dieser Beitrag erläutert, welche neuen Pflichten auf Hersteller und andere Wirtschaftsakteure zukommen.

Im Zentrum der neuen Regeln steht die Einführung einer dem bisherigen Recht fremden Verpflichtung des Herstellers zur Reparatur defekter Produkte außerhalb der kaufrechtlichen Gewährleistung. Gleichzeitig wird das Gewährleistungsrecht geändert, um Reparaturen auch innerhalb der zweijährigen Gewährleistungsfrist attraktiver zu machen.

Online-Plattform

Daneben sieht die Richtlinie einige flankierende Regelungen vor, etwa die Einführung einer Europäischen Online-Plattform für Reparaturen, eines Europäischen Formulars für Reparaturinformationen sowie Fördermaßnahmen der Mitgliedstaaten. Sobald die Richtlinie auch durch den Rat förmlich gebilligt und im Amtsblatt veröffentlicht wurde, bleiben den Mitgliedstaaten 24 Monate Zeit zur Umsetzung.

Zunächst begrenzte Produktgruppe

Stehen dem Verbraucher im Fall des Defekts einer Sache keine Gewährleistungsrechte zu – etwa weil bei Übergabe kein Mangel vorlag oder die Gewährleistungsfrist abgelaufen ist – ist er nach heutiger Rechtslage selbst für Reparatur oder Austausch verantwortlich. Dies wird sich mit der Umsetzung der Reparatur-Richtlinie ändern, die einen Anspruch auf Reparatur unmittelbar gegen den Hersteller begründet. Die Pflicht des Herstellers zur Reparatur wird zunächst eine begrenzte Gruppe von Produkten umfassen, für die auf EU-Ebene Ökodesign-Vorschriften gelten. Momentan sind dies vor allem Haushaltsgeräte (Waschmaschinen, Kühlschränke, Geschirrspüler etc.). Die Produktgruppen sollen jedoch schrittweise erweitert werden.

Der Hersteller kann die Reparatur nur bei Unmöglichkeit, nicht aber aus wirtschaftlichen Gründen verweigern. Die Reparatur muss allerdings nicht kostenlos erfolgen, sondern kann auch gegen einen angemessenen Preis angeboten werden.

Um seine Reparaturpflicht zu erfüllen, kann der Hersteller Dritte beauftragen. Hat der Hersteller keinen Sitz in der Europäischen Union, trifft die Reparaturpflicht hilfsweise andere Wirtschaftsakteure, namentlich den Vertreter des Herstellers, den Importeur oder den Vertreiber der Waren.

Daneben muss der Hersteller die Durchführung der Reparatur durch Dritte ermöglichen, zum Beispiel durch unabhängige Reparaturbetriebe oder den Verbraucher selbst. Dementsprechend dürfen Produkte nicht mehr so konstruiert werden, dass eine Reparatur (etwa durch Hardware, Software oder Vertragsklauseln) erschwert wird. Außerdem muss der Hersteller Ersatzteile und Werkzeuge zu angemessenen Preisen anbieten.

Gewährleistungsrecht

Innerhalb der zweijährigen kaufrechtlichen Gewährleistung soll die Reparatur einer mangelhaften Sache gegenüber ihrem Austausch incentiviert werden. Ist eine Sache bei Übergabe mangelhaft, hat der Käufer in der Regel das Recht, zwischen Nachbesserung und Nachlieferung zu wählen. Häufig entscheidet er sich dabei für ein (neues) Ersatzprodukt, während das mangelhafte Produkt, das grundsätzlich noch repariert werden könnte, entsorgt wird.

Der EU-Gesetzgeber will einen Anreiz zur Wahl der Nachbesserung schaffen, indem durch eine erfolgte Reparatur die Gewährleistungsfrist um (mindestens) zwölf Monate verlängert wird. Nach aktueller deutscher Rechtslage führt jedoch auch eine Nacherfüllung durch Neulieferung bereits zu einem Neubeginn der Verjährung, wenn der Verkäufer nicht rein aus Kulanz gehandelt hat. Es hängt also von der konkreten Umsetzung durch den deutschen Gesetzgeber ab, ob tatsächlich ein wirksamer Anreiz für Reparaturen geschaffen wird. Darüber hinaus soll die Reparierbarkeit zukünftig Teil der vertraglichen Beschaffenheit sein. Der Käufer könnte demnach bei fehlender Reparaturfähigkeit der Sache auch schon dann Mängelrechte geltend machen, wenn die Sache noch keinen Defekt aufweist.

Logistischer Aufwand

Die neuen Verpflichtungen bringen für viele Hersteller einen erheblichen finanziellen und logistischen Aufwand mit sich, da die Reparaturpflicht und das Vorhalten von Ersatzteilen über viele Jahre sicherzustellen ist. Insbesondere Hersteller, die Waren unter ihrem Namen von Dritten produzieren lassen, und subsidiär verpflichtete Unternehmen verfügen oft nicht selbst über die für Reparaturen erforderliche Infrastruktur.

Daher sollten bereits vor Ablauf der Umsetzungsfrist entsprechende Vorbereitungen getroffen und überprüft werden, ob die vertragliche Weitergabe der Reparaturverpflichtung an den Produzenten oder Dritte sinnvoll ist. Ein besonderes Augenmerk sollte zudem dem Ziel gelten, etwaige Reparaturhindernisse für unabhängige Reparaturbetriebe zu beseitigen.

*) Dr. Rupert Bellinghausen ist Partner, Dr. Kathrin Bauwens ist Counsel im Bereich Litigation, Arbitration & Investigations von Linklaters in Frankfurt. Weitere Mitarbeit: Carina Zitzelsberger, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich Litigation, Arbitration & Investigations der Kanzlei.

Dr. Rupert Bellinghausen ist Partner, Dr. Kathrin Bauwens ist Counsel im Bereich Litigation, Arbitration & Investigations von Linklaters in Frankfurt. Weitere Mitarbeit: Carina Zitzelsberger, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich Litigation, Arbitration & Investigations der Kanzlei.