Recht und KapitalmarktStreitbeilegung

Ein positives Signal für den Standort Deutschland

Deutschland braucht ein zeitgemäßes Schiedsverfahrensrecht, um gerade internationale Streitigkeiten effizient beilegen zu können. Das Justizministerium hat vielversprechende Reformvorschläge vorgelegt.

Ein positives Signal für den Standort Deutschland

Ein positives Signal
für den Standort Deutschland

Vorschläge zur Reform des Schiedsverfahrensrechts gehen in die richtige Richtung

Von Anke Sessler und Max Stein *)

Das deutsche Schiedsverfahrensrecht wurde zuletzt 1997 neu kodifiziert. Seitdem sind nur einzelne Vorschriften punktuell überarbeitet worden. Das Bundesministerium der Justiz hat nun ein Eckpunktepapier vorgelegt, das Reformvorschläge enthält, die das deutsche Schiedsverfahrensrecht effizienter machen und den Schiedsstandort Deutschland stärken sollen. Es berücksichtigt dabei die internationale Schiedsverfahrenspraxis.

Das Papier listet zwölf Punkte auf, die die Basis für die Erarbeitung eines Modernisierungsgesetzes bilden sollen. Daneben nennt es vier weitere Themen für mögliche Reformen, die geprüft werden sollen. Zahlreiche Reformvorschläge zielen insbesondere darauf, die Prozessökonomie zu fördern. Sie sind durchweg zu begrüßen.

Ein Vorschlag lautet, den formfreien Abschluss von Schiedsvereinbarungen zuzulassen, um den Zugang zur Schiedsgerichtsbarkeit in einer zunehmend digitalen Welt zu erleichtern.

Erhebliche Effizienzgewinne

Zudem will die Reform die herrschende Meinung, dass eine mündliche Verhandlung per Videokonferenz durchgeführt werden kann, gesetzlich festschreiben. Die Durchführung von Schiedsverhandlungen per Videokonferenz war in der Corona-Pandemie gelebte Praxis. Künftig werden die Parteien Videokonferenzen wohl vor allem bei Verfahren mit niedrigen Streitwerten nutzen, um Kosten zu sparen. Eine Regelung zu Videokonferenzen sollte die Möglichkeit hybrider Verhandlungen vorsehen und so ermöglichen, dass nur einzelne Verfahrensbeteiligte oder Zeugen virtuell teilnehmen, während das Schiedsgericht und die anderen Teilnehmer vor Ort sind.

Angeregt wird auch, den Schiedsspruch und andere Schriftstücke vor Gericht in englischer Sprache vorlegen zu dürfen. Damit wären erhebliche Effizienzgewinne verbunden, denn trotz mit Künstlicher Intelligenz arbeitender Übersetzungssoftware können Übersetzungen ein erheblicher Kostenfaktor sein und viel Zeit in Anspruch nehmen.

Verzahnung

Weitere Effizienzsteigerungen und die Bündelung von Erfahrung mit grenzüberschreitenden Streitigkeiten verspricht der Vorschlag, die in einigen Bundesländern geschaffenen Commercial Courts, die unter bestimmten Voraussetzungen Verfahren in englischer Sprache erlauben, besser mit der Schiedsgerichtsbarkeit zu verzahnen. Die Bundesländer sollen nach dem Eckpunktepapier die Möglichkeit erhalten, diesen Spruchkörpern die Zuständigkeit für die Vollstreckbarerklärung und Aufhebung von Schiedssprüchen einzuräumen.

Das Justizministerium will zudem prüfen, ob die Zuständigkeit der Amtsgerichte für bestimmte richterliche Unterstützungshandlungen auf Oberlandesgerichte übertragen werden sollte. Hierfür spricht viel: Eine solche Regelung würde der Kompetenzbündelung dienen, die Vereinheitlichung der Rechtsprechung fördern und qualitativ hochwertige Entscheidungen sicherstellen.

Bedauerliche Überlegungen

Der Vorschlag, Schiedssprüche bei Einverständnis der Parteien zu veröffentlichen, soll vor allem der Rechtsfortbildung dienen und mehr Transparenz schaffen. Auch dieser Vorschlag ist unterstützenswert.

Bedauerlich und nicht zu unterstützen sind dagegen Überlegungen, die Möglichkeit der Sicherungsvollstreckung auf dringende Fälle zu beschränken. Dem liegt zugrunde, dass aus einem Schiedsspruch grundsätzlich erst vollstreckt werden kann, wenn er vom zuständigen Oberlandesgericht für vollstreckbar erklärt worden ist. Nach geltendem Recht darf der Gläubiger zur Sicherung seines Anspruchs allerdings nach Anordnung des zuständigen Gerichts sichernde Vollstreckungsmaßnahmen schon vor der Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs durchführen. Damit der Schuldner die Zwangsvollstreckung nicht vereiteln kann, muss er nicht angehört werden. Mit dieser Regelung unterscheidet sich der ansonsten eher den Schuldner als den Gläubiger begünstigende Justizstandort Deutschland positiv von anderen Jurisdiktionen. Sie sollte nicht verwässert werden.

Dass das Justizministerium die Modernisierung des deutschen Schiedsverfahrensrechts in Angriff nimmt, ist ein positives Signal für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Denn gerade Rechtsstreitigkeiten mit Auslandsbezug werden häufig von Schiedsgerichten entschieden – nicht zuletzt, um Heimvorteile einer Partei vor einem staatlichen Gericht zu vermeiden. Deutschland braucht ein zeitgemäßes Schiedsverfahrensrecht zur effizienten Beilegung gerade internationaler Streitigkeiten.

Der Justizstandort Deutschland genießt zu Recht hohes Ansehen für die Qualität richterlicher Entscheidungen, muss aber effizienter und moderner werden, um mit Schiedshochburgen wie England, der Schweiz oder Singapur gleichziehen zu können. Die nun vorgelegten Reformideen setzen an der richtigen Stelle an. Für die konkrete Umsetzung wird es entscheidend auf die Formulierungen ankommen. Unternehmen brauchen klare Regelungen, die Planbarkeit ermöglichen und Unsicherheiten vermeiden.

*) Dr. Anke Sessler ist Partnerin, Max Stein ist Counsel der Kanzlei Skadden, Arps, Slate, Meagher & Flom.

Dr. Anke Sessler ist Partnerin, Max Stein ist Counsel der Kanzlei Skadden, Arps, Slate, Meagher & Flom