M&A

„Täuschen und Verschweigen bringen nichts“

Verkäufer von Unternehmen sind gut beraten, den Erwerber über die wirtschaftliche Lage der Firma zutreffend aufzuklären. Dies bestätigt ein Urteil des Oberlandesgerichts München.

„Täuschen und Verschweigen bringen nichts“

Von Franz-Josef Schöne und Merlin Laufenburg*)

Vielfach wird Unternehmenskaufverträgen nach Abschluss der Transaktion keine weitere Beachtung geschenkt. In der Folge werden häufig aufgreifbare Positionen aus der Transaktion nicht weiter verfolgt. Falls von dem Käufer überhaupt Ansprüche geltend gemacht werden, ziehen es die Parteien überwiegend vor, die Streitigkeiten außergerichtlich zu regulieren. Wenn doch einmal der Rechtsweg beschritten wird, führt dieser zumeist zu den Schiedsgerichten. Nur in Ausnahmefällen gelangen Streitigkeiten aus Unternehmenskäufen vor staatliche Ge­richte. Falls diese Entscheidungen veröffentlicht werden, generieren sie in der M&A-Praxis eine gesteigerte Aufmerksamkeit. So auch die Entscheidung des OLG München vom 3.12.2020 (NZG 2021, 423 ff.).

In dem entschiedenen Fall hatte der Verkäufer eines Unternehmens den Käufern vor Abschluss des Kaufvertrages einen „sehr schnellen return of invest“ in Aussicht gestellt. Dies tat der Verkäufer, obwohl das Unternehmen noch nie ein positives Jahresergebnis erzielt hatte und sich zudem in erheblichen finanziellen Schwierigkeiten befand. Ferner legte der Verkäufer den Käufern Finanzunterlagen vor, die hohe negative Betriebsergebnisse für das laufende Jahr auswiesen. Gleichwohl stellte der Verkäufer dar, dass „das Ganze jetzt wieder erheblich ins Plus geht“. Nach Abschluss der Transaktion machte der Verkäufer Freistellungsansprüche aus dem Kaufvertrag gegen die Käufer geltend. Diese erklärten daraufhin die Anfechtung des Kaufvertrages wegen arglistiger Täuschung und verlangten ihrerseits Schadenersatz wegen Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten.

Das OLG München wies die Ansprüche des Verkäufers zurück und gab den Käufern Recht. Der Verkäufer habe die Käufer arglistig über die wirtschaftliche Situation des Unternehmens getäuscht. Indem er von einem „sehr schnellen return of invest“ gesprochen und zudem erklärt habe, dass „das Ganze jetzt wieder erheblich ins Plus geht“, habe er den Käufern eine unzutreffende wirtschaftliche Situation des Unternehmens vorgespiegelt. Zudem habe er die Käufer nicht ausreichend über die damals schon gewichtigen Anzeichen einer schlechten wirtschaftlichen Lage des Unternehmens, die offensichtlich für die Käufer von erheblicher Bedeutung gewesen sei, unterrichtet. Aufgrund dessen sei der Kaufvertrag von den Käufern wirksam wegen arglistiger Täuschung angefochten worden und stünden den Käufern die geltend gemachten Schadenersatzansprüche zu.

Nicht ins Blaue hinein

Dieses Urteil folgt der Linie von Rechtsprechung und Literatur. Danach darf – erstens – der Verkäufer keine unzutreffenden Aussagen zu dem Unternehmen machen. Soweit er Aussagen tätigt, müssen diese richtig und vollständig sein. Zudem handelt der Verkäufer vorsätzlich, wenn er unzutreffende Aussagen ohne Nachprüfung „quasi ins Blaue hinein“ trifft. Zweitens: Zwar obliegt es grundsätzlich dem Käufer, sich – etwa im Rahmen der Due-Diligence-Prüfungen – einen Einblick in die Verhältnisse des Unternehmens zu verschaffen. Gleichwohl hat der Verkäufer gesteigerte Aufklärungspflichten. Dieser hat den Käufer auch ungefragt über solche Umstände aufzuklären, die den Vertragszweck des Käufers vereiteln können und für den Entschluss des Käufers von wesentlicher Bedeutung sind.

Diesen Ansatz kann sich ein Unternehmenskäufer nutzbar machen. Dieser sollte den Verkäufer bereits zu Beginn der Transaktion auf Umstände hinweisen, die für ihn von besonderer Bedeutung sind (etwa „keine Kartellverstöße“/„kein Asbest in dem zu verkaufenden Unternehmen“). Falls der Verkäufer annehmen muss, dass solche Umstände vorliegen, hat er den Käufer hierüber auch ungefragt aufzuklären.

Beträchtliche Risiken

Dies gilt selbst dann, wenn zwar das Transaktionsteam des Verkäufers keine relevante Kenntnis hat, diese Kenntnis aber etwa bei einem seiner (nicht in die Transaktion involvierten) Abteilungsleiter des Unternehmens vorhanden ist oder wenn es sich um besonders wichtige Umstände handelt, die üblicherweise dokumentiert werden. In diesen Fällen wird dem Verkäufer die Kenntnis dieses sogenannten Wissensvertreters und dieses sogenannten typischerweise aktenmäßig festgehaltene Wissens zugerechnet.

Kommt der Verkäufer in einer solchen Situation seiner Aufklärungspflicht nicht nach, handelt er nach der Rechtsprechung des BGH vorsätzlich. Damit entfallen sämtliche vertraglichen Haftungsbeschränkungen und haftet der Verkäufer gegenüber dem Käufer unbeschränkt. Der Käufer kann sogar den Unternehmenskauf rückabwickeln. Zwar soll nach Teilen der Literatur diese Zurechnung mit ihren weitreichenden Folgen vertraglich eingeschränkt werden können.

Angesichts der strengen Rechtsprechung ist indes zweifelhaft, ob der BGH dies anerkennen würde. Damit vermögen solche vertraglichen Haftungsbegrenzungen dem Verkäufer keine Transaktionssicherheit zu verschaffen. Für den Verkäufer bedeutet dies, dass er in jedem Fall „seine Hausaufgaben machen“ und entsprechende Nachforschungen in dem zu verkaufenden Unternehmen durchführen muss. Ansonsten gilt auch für ihn: „Täuschen und Verschweigen bringen nichts“!

*) Dr. Franz-Josef Schöne ist Partner, Merlin Laufenburg ist Associate bei Hogan Lovells in Düsseldorf.