GastbeitragM&A als Transformationsinstrument

Transact to Transform

M&A-Transaktionen können wirtschaftliche Transformationsprozesse maßgeblich beschleunigen. Dabei gibt es unterschiedliche Gestaltungsoptionen für Unternehmen.

Transact to Transform

Transact to Transform

M&A als facettenreiches Instrumentarium zur Transformation und Modernisierung globaler Konzerne − Herausforderung für Unternehmen

Von Tim Johannsen-Roth und Julius Raapke *)

Die globale Wirtschaft befindet sich in einem dynamisch-disruptiven Wandel, der von verschiedenen Faktoren wie vor allem Digitalisierung, Nachhaltigkeit, Regulierung und zunehmenden nationalen Protektionismen getrieben und bestimmt wird. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen sich global agierende und kapitalmarktorientierte Unternehmen rasch und fortwährend an die sich verändernden Rahmenbedingungen anpassen, in dem sie ihre Geschäftsmodelle, Strategien, Risikoprofile und Strukturen transformieren und modernisieren.

Langwierige organische Transformationsprozesse werden diesen Herausforderungen nicht gerecht. Daher spielen M&A-Aktivitäten eine wichtige Rolle. Sie ermöglichen es den Unternehmen, sich zügig neu zu positionieren, Risikoprofile anzupassen, Wachstums- und Synergiepotentiale zu heben und letztlich Agilität und Wettbewerbsfähigkeit zu sichern.

Bewertungsdiskrepanzen

Trotz eines spürbar gestiegenen Optimismus bei den Marktakteuren ist der M&A-Markt nach wie vor von einer Vielzahl von Herausforderungen und Unsicherheiten geprägt, wie etwa Bewertungsdiskrepanzen, Zinsentwicklungen, geopolitischen Multikrisen, politischen Wahlen (sowohl in den USA als auch in Europa) sowie regulatorischen Hürden und nationalen Protektionismen. Diese Faktoren können die Durchführung von klassischen M&A-Transaktionen (trade sales) ganz erheblich erschweren oder gar verhindern. Daher müssen Unternehmen sorgfältig abwägen, welches Strukturierungsinstrument sie einsetzen wollen und wie sie dieses optimal gestalten und umsetzen können.

Gestaltungsoptionen

Kapitalmarktorientierte Unternehmen verfügen zur Gestaltung und Strukturierung ihrer transformatorischen Prozesse über ein breites Spektrum zivil-, gesellschafts- und kapitalmarktrechtlicher Instrumente, die nachstehend in ihren wesentlichen, praktisch bedeutsamen Ausprägungen und strategischen Zielsetzungen skizziert werden.

Dabei stehen diese Instrumente nicht nur singulär oder ausschließlich zur Verfügung, sondern können in parallelen, kumulativen und/oder kombinierten Prozessen zum Einsatz gelangen. In der Praxis großer kapitalmarktorientierter Unternehmen haben sich in der jüngeren Vergangenheit vor allem folgende Gestaltungsinstrumente als bedeutsam erwiesen.

Strategische Partnerschaften

Trotz der beschriebenen Herausforderungen ist unverändert die klassische M&A-Transaktion praktisch am relevantesten, die etwa in Form eines Share- oder Asset-Deal, als Kombination beider Varianten oder auch als liquiditätsneutrales Tauschgeschäft im Sinne eines sog. Asset Swap ausgestaltet werden kann. Diese kann zum einen dazu dienen, eine Geschäftstätigkeit vollständig aufzugeben, wie etwa der angekündigte Verkauf des Wintershall Dea-Geschäfts durch die BASF SE, dem die strategische Entscheidung zur Trennung vom Öl- und Gasgeschäft zugrunde liegt.

Zum anderen kann eine M&A-Transaktion auch dazu genutzt werden, mit einem Dritten eine Geschäftstätigkeit gemeinsam (weiter-)zu entwickeln. Namhafte Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit sind etwa der Abschluss einer strategischen Partnerschaft zwischen der Thyssenkrupp AG und der EP Corporate Group zur klimaschonenden und zukunftssicheren Transformation der Stahlproduktion sowie die Pläne der Volkswagen Group und Rivian zur Gründung eines Joint Venture zur Schaffung einer branchenführenden Fahrzeugsoftwaretechnologie.

Als Alternative zur klassischen M&A-Transaktion rücken Kapitalmarkttransaktionen etwa in Form eines (Teil-)Börsengangs oder einer Abspaltung mit anschließender Börsennotierung zunehmend in den Fokus. Eine Kapitalmarkttransaktion spielt dann eine bedeutende Rolle, wenn ein Geschäftsbereich verselbstständigt und ihm damit größere unternehmerische Freiheit eingeräumt werden soll.

Trennung über die Börse

Ein (Teil-)Börsengang wird dann bevorzugt, wenn mit den Erlösen aus der Platzierung der Aktien zukünftige Investitionen entweder des abgebenden Konzerns oder des neu börsennotierten Unternehmens finanziert werden sollen, das Tochterunternehmen aber gleichzeitig weiterhin (mehrheitlich) im Konzern gehalten werden soll. Erfolgreiche Börsengänge der vergangenen Jahre waren in Deutschland etwa die Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG, die Ionos Group SE, die Siemens Healthineers AG sowie die Thyssenkrupp Nucera AG & Co. KGaA.

Demgegenüber überwiegt bei der Abspaltung üblicherweise das Interesse der Konzernmutter an einer weitgehenden oder vollständigen Trennung von einem Geschäftsbereich bzw. Unternehmensteil. Im Vergleich zum Börsengang fließen der Konzernmutter und dem abgespaltenen Unternehmen bei einer Abspaltung indes keine liquiden Mittel zu. Dafür ist die Abspaltung deutlich weniger abhängig vom Kapitalmarktumfeld, da die Aktien an dem abzutrennenden Geschäftsbereich nicht – wie beim Börsengang – öffentlich am Kapitalmarkt zur Zeichnung angeboten, sondern anteilig an die bestehenden Aktionäre der Muttergesellschaft ausgegeben werden. Dementsprechend ist es bei einer Abspaltung möglich, einen deutlich größeren Anteil an dem Geschäftsbereich abzugeben als bei einem Börsengang, bei dem nur bis rund 25% der Aktien am Kapitalmarkt platziert werden (können).

Große deutsche börsennotierte Gesellschaften konnten in der jüngeren Vergangenheit – trotz teilweise volatiler Kapitalmärkte – einen wesentlichen Teil ihrer Beteiligung an Tochtergesellschaften erfolgreich abspalten, wie die Continental AG nahezu 100% an der Vitesco Technologies Group AG, die (damalige) Daimler AG rund 65% an der Daimler Truck Holding AG oder die Siemens AG rund 65% an der Siemens Energy AG. Zudem hat die Continental AG jüngst angekündigt, eine Abspaltung und anschließende Börsennotierung ihres Unternehmensbereichs Automotive im Detail zu prüfen. Das erklärte Ziel einer möglichen Aufteilung der Continental AG in zwei unabhängige Unternehmen bestehe darin, das Wert- und Wachstumspotenzial des Unternehmens in der Zukunft voll auszuschöpfen.

Rechtsformwechsel

Eine in der Praxis eher seltene Gestaltungsoption mit Blick auf Transformationsprozesse stellt der Rechtsformwechsel dar. So bewirkte die Fresenius SE & Co. KGaA jüngst den Formwechsel ihrer Tochtergesellschaft Fresenius Medical Care, in der das Geschäft mit Dialyseprodukten und Dialysedienstleistungen gebündelt ist, von der Rechtsform einer KGaA in eine AG. Die damit einhergehende Dekonsolidierung und größere unternehmerische Eigenständigkeit der Fresenius Medical Care AG ist auf die Besonderheiten der Governance der Rechtsform der KGaA zurückzuführen.

Um den Unternehmen größtmögliche Flexibilität einzuräumen, werden verschiedene Gestaltungsinstrumente in der Praxis häufig parallel in einem Dual- oder Triple-Track-Prozess geprüft und vorbereitet. So prüft etwa die Thyssenkrupp AG gegenwärtig neben einer möglichen Kooperation mit dem Finanzinvestor Carlyle „verschiedene Optionen“ für die geplante Verselbstständigung ihres Marinegeschäfts, wie die „parallele Sondierung weiterer Möglichkeiten der Verselbstständigung am Kapitalmarkt“. Eine parallele Vorbereitung verschiedener Transaktionsalternativen erfordert eine sorgfältige Planung und Vorbereitung insbesondere mit Blick auf die unterschiedlichen wirtschaftlichen und rechtlichen Anforderungen.

Ausblick bleibt herausfordernd

M&A-Aktivitäten in ihren unterschiedlichen Gestaltungsformen spielen auch in Zukunft eine wichtige Rolle bei der Transformation und Modernisierung global agierender Unternehmen. Die multiplen Herausforderungen und Unwägbarkeiten und deren dynamisch-disruptives Erscheinungsbild werden für die Unternehmen absehbar bestehen bleiben. Es wird daher künftig darauf ankommen, dass Unternehmen vorausschauend und flexibel im Blick behalten, welche bevorstehenden Veränderungsprozesse und -notwendigkeiten auf die Unternehmen zukommen und wie diese optimal gestaltet und implementiert werden können.

In Anbetracht der vielfach fehlenden frühzeitigen Visibilität von Marktgegebenheiten und relevanten Makrofaktoren wird es weiterhin wichtig sein, alternative strategische Strukturierungsoptionen für die unterschiedlichen Marktlagen analysiert und einsatzbereit verfügbar zu haben, um den Transformationsprozess wertsteigernd und effizient zu gestalten. Diese Prozesse werden künftig mehr denn je die Professionalität, Flexibilität und Kreativität der beteiligten Akteure verlangen. Eines scheint sicher: Es bleibt herausfordernd und spannend!

*) Dr. Tim Johannsen-Roth ist Partner, Dr. Julius Raapke Counsel im Bereich Corporate/M&A der Kanzlei Linklaters in Düsseldorf.

Dr. Tim Johannsen-Roth ist Partner, Dr. Julius Raapke Counsel im Bereich Corporate/M&A der Kanzlei Linklaters in Düsseldorf.