GastbeitragWirtschaftskriminalität

UK verschärft Betrugsstrafbarkeit für Unternehmen

Großbritannien hat die Unternehmensstrafbarkeit reformiert. Die Neuregelung gilt auch für bestimmte deutsche Gesellschaften.

UK verschärft Betrugsstrafbarkeit für Unternehmen

Vereinigtes Königreich verschärft Betrugsstrafbarkeit für Unternehmen

Strafen in unbegrenzter Höhe möglich – Präventionsmaßnahmen können schützen

Von David Pasewaldt
und Margarete Weiß *)

Mit dem Gesetz zur Wirtschaftskriminalität und Unternehmenstransparenz (Economic Crime and Corporate Transparency Act) wird im September 2025 eine wichtige Reform der Unternehmensstrafbarkeit im Vereinigten Königreich eintreten. Der Kern dieser Neuregelung besteht in einer Haftungsverschärfung für Unternehmen für Betrugsstraftaten von Mitarbeitern, von denen das Unternehmen profitiert.

Für solche Taten werden Unternehmen künftig bereits dann mit empfindlichen Strafen belegt werden können, wenn sie keine ausreichenden Maßnahmen zur Betrugsvermeidung eingeführt haben.

Saftige Geldstrafen

Dieser neue Straftatbestand der unterlassenen Verhinderung von Betrug (Failure to prevent fraud) setzt keine Kenntnis des Managements von einem Betrug oder gar dessen Beteiligung daran voraus. Geldstrafen drohen dann in unbegrenzter Höhe, wobei eine Zumessung unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls erfolgen soll.

Deutsche Firmen betroffen

Die Neuregelung gilt auch für deutsche Unternehmen mit mindestens 250 Beschäftigen und einem Jahresumsatz von über etwa 43 Mill. Euro (36 Mill. GBP), deren Mitarbeiter oder Beauftragte einen Betrug nach britischem Recht begehen, also insbesondere zum Nachteil britischer Staatsbürger oder britischer Unternehmen.

Sechs Prinzipien

Allerdings können Unternehmen eine Haftung für unterlassene Verhinderung von Betrug vermeiden, wenn sie angemessene Maßnahmen zur Betrugsvermeidung (Reasonable fraud prevention procedures) nachweisen können. Welche konkreten Anforderungen Unternehmen für eine solche Entlastung erfüllen müssen, hat die britische Regierung am 6. November 2024 in Leitlinien veröffentlicht.

Nicht unerwartet ähneln die Vorgaben den sechs Prinzipien (six principles), die britische Strafverfolger bei der Haftung von Unternehmen für unterlassene Verhinderung von Bestechung nach dem 2010 eingeführten britischen Korruptionsstrafgesetz, dem UK Bribery Act, anwenden.

Risikobasierte Prozesse

Erforderlich ist demnach eine Einbindung der obersten Führungsebene (1. Top level commitment) in die Betrugsprävention sowie eine fortlaufende und zu dokumentierende Analyse betrugsspezifischer Risiken unter Berücksichtigung der Branche und der konkreten Geschäftstätigkeit des Unternehmens (2. Risk Assessment).

Darüber hinaus verlangen die Leitlinien angemessene, risikobasierte Prozesse zur Betrugsprävention, namentlich also die Einführung und Durchsetzung von Richtlinien (3. Proportionate risk-based fraud prevention procedures) sowie die Einhaltung verkehrsüblicher Sorgfalt durch sorgfältige Prüfung von Geschäftspartnern bei der Aufnahme und Umsetzung von Geschäftsbeziehungen (4. Due Diligence).

Die Leitlinien betonen zudem eine erforderliche Kommunikation der Betrugsvermeidungsmaßnahmen, einschließlich Schulungen von Mitarbeitern (5. Communication). Schließlich sollen Unternehmen die Angemessenheit und Geeignetheit ihrer Prozesse und Maßnahmen zur Betrugsverhinderung fortlaufend überprüfen und weiterentwickeln (6. Monitoring and Review).

Unternehmen, die zumindest einen Teil ihrer Geschäftstätigkeit im Vereinigten Königreich ausüben oder sonst in den Anwendungsbereich der Neuregelung fallen können, haben bis September 2025 Zeit, diese Vorgaben zu erfüllen. Dabei sollten die konkreten Maßnahmen dokumentiert werden, um sich im Falle eines Betrugs gegen Vorwürfe einer unterbliebenen Verhinderung verteidigen zu können.

Keine vergleichbare Regeln in Deutschland

In Deutschland gibt es bisher keine vergleichbar detaillierten Regeln zur Haftung von Unternehmen und Anforderungen an Compliance- oder Betrugspräventionsmaßnahmen.

Sanktionen gegen Unternehmen für Betrugsstraftaten von Mitarbeitern sind allerdings auch hierzulande möglich, insbesondere im Wege einer Festsetzung von Verbandsgeldbußen nach § 30 Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) oder in Form einer Abschöpfung von durch Betrugsstraftaten erlangten wirtschaftlichen Vorteilen nach den §§ 73 ff. Strafgesetzbuch (StGB), § 29a OWiG.

Orientierung geboten

Deutsche Verfolgungsbehörden und Gerichte berücksichtigen bestehende Maßnahmen zur Betrugsvermeidung und Compliance dabei zumindest bei der Bemessung der Sanktionshöhe. Verschiedene Initiativen zur Reform dieser Vorschriften und zur Einführung von Kriterien zur konkreten Sanktionszumessung bis hin zu einer Haftungsvermeidung bei angemessenen Präventionsmaßnahmen, einer Durchführung interner Untersuchungen zur Aufklärung von Straftaten und sonstiger Kooperation mit Ermittlungsbehörden wurden bisher nicht umgesetzt. Insbesondere der Referentenentwurf für ein Verbandssanktionengesetz des Bundesministeriums der Justiz aus dem Jahr 2020 fand in den Beratungen keine Zustimmung.

Vor diesem Hintergrund stellen die Leitlinien der britischen Regierung auch für deutsche Unternehmen ohne Geschäftstätigkeit im Vereinigten Königreich eine Orientierung dar.

*) Dr. David Pasewaldt ist Partner, Margarete Weiß ist Associate in der Praxisgruppe „White Collar, Regulatory & Compliance“ von Clifford Chance in Frankfurt. 

Dr. David Pasewaldt ist Partner, Margarete Weiß ist Associate in der Praxisgruppe „White Collar, Regulatory & Compliance“ von Clifford Chance in Frankfurt.