GastbeitragBankenregulierung

Umsetzung des EU-Bankenpakets steht bevor

Die Finalisierung des CRR/CRD-Bankenpakets ist ein Meilenstein in der europäischen Bankenregulierung. Die nationale Umsetzung steht bevor. Interesse wecken harmonisierte Vorgaben für den Marktzugang von Banken aus Drittstaaten.

Umsetzung des EU-Bankenpakets steht bevor

Umsetzung des EU-Bankenpakets steht bevor

Referentenentwurf eines Bundesgesetzes zu CRD 6 und CRR 3 noch vor der Sommerpause erwartet − Was wird aus dem „Drittstaatenzugang“?

Von Mathias Hanten und Gerhard Dengl *)

Noch „vor der Sommerpause“, dürfen wir den Referentenentwurf eines Bundesgesetzes erwarten, das die sechste Eigenkapitalrichtlinie CRD 6 umsetzen und die Capital Requirements Regulation III, CRR 3, begleiten wird. Besonders interessant ist: Die CRD 6 ordnet die Vereinheitlichung des EWR-Marktzugangs über sogenante „Drittstaatenzweigstellen“ (englisch: third-country branches, TCB) von Banken an und untersagt grundsätzlich das grenzüberschreitende Betreiben von Bankgeschäften aus dem Drittstaat in den EWR hinein.

„Flickenteppich“

Zweigstellen aus Drittstaaten sind klar von Zweigniederlassungen aus anderen EU-Staaten abzugrenzen, die unter die Regelung des Europäischen Passes fallen und fast ausschließlich von der Heimatlandaufsicht der Hauptniederlassung beaufsichtigt werden. Das EU-Recht hat diese bislang nur mit einem „Besserstellungsverbot“ äußerst stiefmütterlich behandelt und den grenzüberschreitenden Modus, also ohne physische Präsenz im EWR, nicht berücksichtigt.

Die Folge war der „europäische Flickenteppich“, den die EBA vor ziemlich genau drei Jahren in einem Bericht – zumindest in Bezug auf TCB – „aufgedeckt“ hat. Laut EBA-Bericht ist Deutschland das EU-Mitgliedsland mit den meisten Drittstaatenzweigstellen.

Zur Rechtslage: Der Wertpapierdienstleistungs- und Investment-Management-Sektor wurde in Bezug auf den Drittstaatenzugang in MiFID und AiFMD deutlich früher geregelt. Ein Anlass der Überlegungen bei der EBA war sicherlich der Brexit, der die Frage aufwarf, wie der bankaffine nunmehr Drittstaat Großbritannien, mit dem wir im EWR eng verbunden waren, zukünftig behandelt werden sollte.

Ein anderer Impuls könnte aus der EZB gekommen sein, die bislang keine Möglichkeit hatte, direkt auf TCB einzuwirken, selbst wenn diese wegen ihrer Bilanzsumme als bedeutende Institute einzustufen gewesen wären. In einem aufsichtsrechtlichen Teilbereich spielten TCB bereits eine, jedoch untergeordnete, Rolle:

Die Frage, ob Finanzunternehmen von Drittstaatengruppen, die im EWR nicht konsolidiert werden, ein „Intermediate Parent Undertaking (IPU)“, also eine konsolidierungspflichtige „Zwischenholding“ zu errichten haben, richtet sich auch nach dem Bilanzvolumen der europäischen TCB der jeweiligen Drittstaatengruppe.

Begrenzter Änderungsbedarf

Welche Änderungen sind in Deutschland zu erwarten? Da das Kreditwesengesetz (KWG) TCB mit einer „Institutsfiktion“ für Zwecke des Aufsichtsrechts schon bislang wie Kreditinstitute in eigener juristischer Person behandelt hat, hält sich der Änderungsbedarf − gemessen an weniger strikt reglementierten Jurisdiktionen im EWR − in Grenzen.

Gesetzlicher Hauptort der Änderungen dürfte § 53 KWG sein. Interessanterweise hat der EU-Gesetzgeber darauf verzichtet, TCB in den SSM, also die mittelbare oder unmittelbare Beaufsichtigung durch die EZB, einzubeziehen. Allerdings wird den zuständigen nationalen Behörden in den Mitgliedstaaten nach Umsetzung der CRD 6 das Recht eingeräumt, insbesondere im Fall der Systemrelevanz, von der Zweigstelle zu verlangen, eine Zulassung für ein Kreditinstitut mit Sitz im Inland zu beantragen.

Umständliche Ausgestaltung

Die gesetzliche Ausgestaltung ist etwas umständlich, weil nach deutschem Recht nur die Hauptstelle und nicht die unselbstständige Zweigstelle einen solchen Antrag stellen könnte. Trotzdem: Damit wird über den Weg der Systemrelevanz die Möglichkeit eröffnet, die EZB im Erlaubnisverfahren in die Aufsicht über in Umwandlung begriffene TCB einzubeziehen. Tendenziell wird die Zahl der TCB in Deutschland abnehmen.

Die bislang mögliche und insbesondere für Schweizer Banken häufig praktizierte (vereinfachte) Freistellung von der Erlaubnispflicht für grenzüberschreitende Geschäfte (derzeit § 2 Abs. 5 KWG) muss wegfallen. Ungeklärt ist, ob und wie hierzu Übergangsvorschriften geschaffen werden können. Die bisherigen Ansprüche der Kunden werden zwar geschützt (Art. 21 Abs. 5 CRD 6); ob sich hieraus die Möglichkeit weiterer Dienstleistungen für bestehende Kunden ergibt, ist unklar. Übergangsszenarien für die Aktivität freigestellter Banken außerhalb des Kundenschutzes sieht die Richtlinie jedenfalls nicht vor. Für bestehende Freistellungsbescheide, von denen viele Schweizer Banken profitieren, stellt sich die Frage, wie mit diesen in der geänderten Rechtslage umgegangen werden kann und muss. Im allgemeinen Verwaltungsrecht kommt der Widerruf eines begünstigenden Verwaltungsakts (§ 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG) wohl am ehesten in Betracht.

Drastische Hürden

Die Hürden für diesen Widerrufsgrund sind allerdings drastisch. Soweit die Drittstaateninstitute von der Vergünstigung des Freistellungsbescheids Gebrauch gemacht und für ihr Deutschlandgeschäft erheblich investiert haben, scheidet er tatbestandlich fast aus. Der deutsche Gesetzgeber sollte also durch Sonderregelungen und Übergangsvorschriften eine Spezialregelung finden, die sowohl dem Interesse des Bestandsschutzes als auch dem der geänderten EU-Rechtslage Rechnung trägt. Vorprogrammierte Konflikte mit den EU-Vorgaben müssen im Zweifel „aufsichtspolitisch“ geklärt werden. Dies ist besonders heikel, weil die Bundesrepublik mit der Schweiz im Rahmen eines Memorandum of Understanding und in einem Briefwechsel ein völkerrechtlich relevantes, bilaterales Abkommen getroffen hat.

Lücke geschlossen

Es fragt sich, ob und wie ein solches Abkommen aufgelöst werden kann und soll. Jedenfalls wird mit der Regelung zu den TCB und zum grundsätzlichen Verbot grenzüberschreitender Bankgeschäfte aus dem Drittstaat eine weitere Lücke im harmonisierten Aufsichtsprogramm der EU geschlossen.

Auffällig ist, dass der EU-Gesetzgeber bislang keine Notwendigkeit gesehen hat, für den Bankensektor ein Äquivalenzregime aufzubauen, das gleichwertig beaufsichtigten Banken aus Drittstaaten einen erleichterten Zugang für Dienstleistungen in der EU ermöglicht. Zu denken wäre an eine Äquivalenzliste, die dem Durchführungsbeschluss (EU) 2021/1753 über die Gleichwertigkeit bestimmter Drittländer vergleichbar sein könnte.

Im Ergebnis wird in Deutschland der Zwang erhöht, die erlaubnistragenden TCB in erlaubnistragende Tochtergesellschaften „umzuwandeln“, um die Drittstaatenzweigstellen-Diskriminierung zu vermeiden und zugleich den Vorteil des oben erwähnten Europäischen Passes zu nutzen. Nur dieser ermöglicht unbeschränkten Zugang zu allen EU-Mitgliedstaaten.

Die in der CRD 6 geregelten Eigenmittel-, Bilanzierungs- und Governance-Anforderungen richten sich an den sonstigen Maßstäben der CRD aus. Es wird also eine weitere Annäherung der TCB an Tochterunternehmen geben.

Mit zwei im grenzüberschreitenden Verkehr mit dem Drittstaat besonders bedeutenden Sachverhalten hat sich die CRD 6 trotz Sachnähe nicht beschäftigt.

Kooperationen zwischen Drittanbietern und Banken: Hier handelt es sich um eine Konstellation, in der eine Bank als Erlaubnisträgerin in eine Rechtsbeziehung zu einem Drittanbieter eintritt. Zusätzlich besteht eine Rechtsbeziehung zwischen der Erlaubnisträgerin und deren Kunden, die die Leistungen des Drittanbieters nutzen, ohne mit diesem in einer vertraglichen Beziehung zu stehen. Der Drittanbieter könnte auch eine Bank aus einem Drittstaat sein.

Im Ergebnis „vermittelt“ die in Deutschland ansässige Bank also Leistungen des Drittanbieters aus dem Drittstaat an deutsche Endkunden, ohne dass zwischen Drittanbieter und Kunden eine Rechtsbeziehung begründet würde. Dass dieser Sachverhalt dem Drittanbieter einen Markteintritt in die EU gewähren kann, liegt auf der Hand. Eine europäische Regelung für diesen wichtigen und komplexen Sachverhalt gibt es nicht.

Back-Branching: Bei dieser Konstellation hat ein im EWR errichtetes Kreditinstitut eine TCB, etwa im Vereinigten Königreich oder in der Volksrepublik China, errichtet und bedient von dort aus grenzüberschreitend Kunden im EWR. Fällt dieser – nicht unübliche – Sachverhalt unter das Verbot des grenzüberschreitenden Betreibens von Bankgeschäften aus dem Drittstaat? Rechtliche Überlegungen, da es sich um eine juristische Person mit Sitz in der EU handelt, streiten dagegen. Sorgen und Bedenken der EZB sprechen eine andere Sprache.

Handlungsbedarf bleibt

Zusammengefasst: Das kommende Gesetz wird TCB und Tochtergesellschaften von Drittstaatengruppen deutlich näher zusammenrücken. Einen wirklichen Vorteil von TCB gegenüber Tochtergesellschaften wird man kaum mehr ausmachen können. Leider sind noch nicht alle Marktzugangsformen erfasst; ein wenig Handlungsbedarf bleibt.  

*) Dr. Mathias Hanten ist Partner bei Deloitte Legal, Gerhard Dengl ist Director bei Deloitte.

Dr. Mathias Hanten ist Partner bei Deloitte Legal, Gerhard Dengl ist Director bei Deloitte.