Christian Johnen, Herbert Smith Freehills

Verschärfte Prüfmaßstäbe zum Schutz des Tafelsilbers

Die Übernahme von Siltronic durch Global Wafers ist am Außenwirtschaftsrecht gescheitert. Weltweit ist eine deutliche Verschärfung der Investitionskontrolle zu beobachten, was Transaktionen erschwert.

Verschärfte Prüfmaßstäbe zum Schutz des Tafelsilbers

Herr Dr. Johnen, die Übernahme von Siltronic ist mangels Zustimmung der Bundesregierung gescheitert. Inwieweit ist der Fall mit vorangegangenen Untersagungen zu vergleichen?

Der Fall Siltronic weist tatsächlich Besonderheiten auf. Anders als teils berichtet wurde die Übernahme durch das Ministerium nicht untersagt, sondern das Verfahren hat sich durch Zeitablauf erledigt. Trotz einer 14 Monate laufenden Prüfung war die Sache nach Ansicht des BMWK bis zum relevanten Stichtag 31.1.2022 nicht entscheidungsreif. Außerdem wurde wohl erstmals im Rahmen eines außenwirtschaftsrechtlichen Verfahrens Rechtsschutz bei den Verwaltungsgerichten gesucht. Die Parteien wollten damit im Ergebnis eine Genehmigung der Transaktion erreichen. Die Gerichte betonten zwar, dass ein solcher Antrag erfolgreich sein könnte, lehnten ihn aber im Ergebnis ab. Denn auch bei einer Nichtentscheidung des BMWK hätten die Parteien die Möglichkeit, einen weiteren Anlauf für die Transaktion zu nehmen.

Wie sind die Prüfungsmechanismen mit so langer Ungewissheit für die beteiligten Unternehmen zu bewerten?

Für die Beteiligten ist es wichtig, möglichst rasch Klarheit zu haben, ob sich die mit der Transaktion verfolgten strategischen Ziele verwirklichen lassen. In der Schwebezeit verlieren die Unternehmen ihre Entscheidungshoheit mit Blick auf die Transaktion. Bei einem Scheitern müssen sie auf die neue Situation reagieren. Entsprechend hat Global Wafers erklärt, nun andere Investments prüfen zu wollen. Unter bestimmten Voraussetzungen können die Beteiligten aber auch schon vor dem Vertragsschluss die Genehmigung des BMWK für die geplante Transaktion beantragen und so in einer früheren Phase eine gewisse Sicherheit erlangen.

Global Wafers hat mehrfach versucht, Bedenken auszuräumen, die Kartellbehörden sahen keine Probleme. Wie verschiebt die Investitionskontrolle die Maßstäbe bei internationalen Deals?

Das Kartellrecht prüft die Auswirkungen auf den Wettbewerb. Maßstab des Außenwirtschaftsrechts ist eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit/Ordnung, wenn be­stimmte Schlüsselindustrien an ausländische Erwerber verkauft werden. Hierzu hat der Gesetzgeber den Prüfungsrahmen in den vergangenen Jahren deutlich erweitert. Die außenwirtschaftsrechtliche Prüfung ist zu einem zentralen Aspekt internationaler Transaktionen geworden, der selbständig neben anderen regulatorischen Prüfungen steht.

Ist es möglich, durch vertrag­liche Vereinbarungen befürchtete Si­cherheitsrisiken aus der Welt zu schaffen?

Eine frühzeitige außenwirtschaftsrechtliche Analyse der Transaktion hilft den Parteien, sensible Themen rechtzeitig zu adressieren. Sie können versuchen, sich mit der Bundesregierung auf einen Vertrag über die Rahmenbedingungen der Transaktion zu einigen. Gegenstand sind insbesondere die Anforderungen für die Genehmigung und die Zugeständnisse der Parteien, die aus Sicht der Regierung für eine hinreichende Reduzierung des Sicherheitsrisikos erforderlich sind. Dies ist ein durchaus übliches Vorgehen. Daneben können die Parteien im Kaufvertrag vereinbaren, welche Partei im Falle eines Scheiterns der Investitionskontrolle (primär) das wirtschaftliche Risiko trägt.

Ist es international ein Trend, dass Deals durch verstärkte Investitionskontrolle erschwert werden?

Seit einigen Jahren beobachten wir eine deutliche Verschärfung der Regelwerke, in Deutschland zuletzt im Dezember 2021. In Großbritannien etwa sind infolge des Brexit striktere Regelungen in Kraft getreten. Weltweit gibt es starke Bestrebungen dahin, dass sich Regierungen einen weiteren Ermessensspielraum und mehr Prüfungsmöglichkeiten einräumen. Sie reagieren damit auf Unsicherheiten im Rahmen internationaler Beziehungen und die öffentliche Debatte über Risiken durch ausländische Investitionen. Plakativ formuliert zielen diese Verschärfungen auf den Schutz des nationalen Tafelsilbers und folgen dem Versuch, ein jedenfalls gefühlt nicht mehr bestehendes Level Playing Field zwischen den großen Industrienationen wiederherzustellen. Für die Parteien internationaler Transaktionen be­deutet das, dass sie sich viel früher und intensiver mit möglichen außenwirtschaftlichen Bedenken auseinandersetzen müssen.

Dr. Christian Johnen ist Rechtsanwalt in der Kanzlei Herbert Smith Freehills in Düsseldorf.

Die Fragen stellte Sabine Wadewitz.

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