GastbeitragInnenhaftung

Vorstände müssen nicht für Kartellbußen haften

Das OLG Düsseldorf hat in einem viel beachteten Urteil die persönliche Haftung von Vorstand und Geschäftsführer für Kartell-Geldbußen eines Unternehmens ausgeschlossen. Die Entscheidung ist aber umstritten.

Vorstände müssen nicht für Kartellbußen haften

Vorstände müssen nicht
für Kartellbußen haften

Urteil des OLG Düsseldorf schließt Regress gegen Geschäftsführer aus

Von Christoph Abeln *)

Die persönliche Haftung von Geschäftsführern und Vorständen spielt in der deutschen Rechtswirklichkeit eine Rolle, die zunehmend an Auftrieb gewinnt. Immer häufiger werden Organe persönlich in Anspruch genommen – mit steigender Schadenshöhe. Im Haftungsrecht muss zunächst zwischen einer Außenhaftung und einer Innenhaftung unterschieden werden. Die Außenhaftung bezeichnet die Haftung des Geschäftsführers Dritten gegenüber. Unter der Innenhaftung versteht man hingegen die Haftung des Geschäftsführers gegenüber der GmbH.

Sorgfaltspflichten

Grundsätzlich gilt: Der Geschäftsführer haftet nicht persönlich, es sei denn, er hat die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes missachtet. Tritt dieser Fall doch ein, haftet der Geschäftsführer jedoch mit seinem gesamten Vermögen.

Wird ein Bußgeld gegen eine AG oder eine GmbH verhängt, stellt sich die Frage, ob das Vertretungsorgan, also der Vorstand oder der Geschäftsführer, hierfür in Regress genommen werden kann. Dabei gilt: Im Grundsatz können Geldbußen sowohl gegen die Gesellschaft selbst als auch gegen das Vertretungsorgan erlassen werden. Begeht ein Vorstandsmitglied oder ein Geschäftsführer im Namen des Unternehmens eine Ordnungswidrigkeit, kann dieser auch persönlich für sein Fehlverhalten bestraft werden. Die Frage, ob ein Unternehmen sich ein Bußgeld, das gegen das Unternehmen verhängt wurde, von dessen Vertretungsorgan erstatten lassen kann, ist bis heute höchstrichterlich – also durch eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) – nicht entschieden. Dass diese Frage durchaus relevant ist, zeigt sich immer wieder an den schieren Summen, die dabei im Spiel sind, denn: Bußgeldbescheide können sehr schnell Millionenbeträge erreichen. Im Jahr 2007 wurde zum Beispiel gegen die Siemens AG im Rahmen einer Schmiergeldaffäre eine Strafzahlung von 1 Mill. Euro und eine Abschöpfungszahlung von 200 Mill. Euro verhängt.

Das OLG Düsseldorf hat nunmehr in einem Urteil vom 27.07.2023 in einer Frage der Innenhaftung entschieden, dass Vorstand und Geschäftsführer nicht persönlich für Kartell-Geldbußen eines Unternehmens haften. Das gilt wohlgemerkt nur für Kartell-Geldbußen, denn: Ob und in welchem Umfang Bußgelder aus anderen Haftungstatbeständen von einem Unternehmen beim Geschäftsführer oder Vorstand erstattet werden können sind, ist damit nicht entschieden. Im zu entscheidenden Fall hatte der Vorstand einer AG sich an wettbewerbswidrigen Kartellabsprachen und -abstimmungen beteiligt. Nachdem gegen das Unternehmen vom Bundeskartellamt eine Geldbuße verhängt worden war, verlangte das Unternehmen diese Geldbuße vom ehemaligen Vorstand als Schadenersatz zurück.

Hier scheiden sich die Geister: Während teilweise befürwortet wird, Bußgelder vollständig erstatten zu lassen, sprechen sich andere Stimmen für eine Beschränkung der Höhe nach aus. Mit der jüngsten Entscheidung des OLG hat sich das Gericht jedoch gegen die Möglichkeit einer Erstattung von Kartell-Geldbußen beim Vorstand entschieden. Für die GmbH und damit für Geschäftsführer dürfte entsprechendes gelten.

Gewinnabschöpfungsgedanken

Der entscheidende Grund für die Entscheidung des OLG findet sich im sog. Gewinnabschöpfungsgedanken: Würde man eine Erstattungsfähigkeit der Bußgeldzahlung dem Grunde nach gegenüber einem Organträger – hier dem Vorstand – bejahen, würde der Zweck der Buße, der über die Gewinnabschöpfung hinausgeht und eine Ahndung zum Ziel hat, ins Leere laufen. Das Unternehmen könnte sich die Geldbuße vom Organträger beziehungsweise dessen D&O-Versicherung (eine Rechtsschutzversicherung für Führungskräfte) gegebenenfalls erstatten lassen. Nach Auffassung des OLG war es, um Ziele des Wettbewerbs zu erreichen, nicht erforderlich, das Leitungsorgan – zusätzlich zu der eigenen gegen ihn verhängten Geldbuße – mit der Geldbuße des Unternehmens zu belasten.

Nicht unumstritten

Dass dieses Urteil zumindest bisher nicht unumstritten ist, zeigt ein aktuelles Urteil des Landgerichts Dortmund vom 14.08.2023, das sich von der Entscheidung des OLG distanziert und die Möglichkeit offenhält, zumindest einen Teil der Regressansprüche auf das Vertretungsorgan abzuwälzen. Die Entscheidung des OLG ist jedoch zu begrüßen. Sie verschafft dem Ahndungsgedanken im Haftungsrecht zu besserer Geltung als bisher und entlastet Geschäftsführer und Vorstände entscheidend, die ansonsten neben persönlichen Geldbußen auch die Regressansprüche des Unternehmens schultern müssten. Die Frage, ob das Leitungsorgan sich ein persönlich gegen ihn verhängtes Bußgeld in anderen Fällen über eine etwaige D&O-Versicherung  erstatten lassen kann, hatte das OLG Düsseldorf nicht zu entscheiden. Dass die Haftpflicht aus einem Bußgeldregress ohne weiteres grundsätzlich auch unter die Deckung einer D&O fallen kann, ist nahezu unbestritten. Es kommt hier jedoch, wie immer, auf den Einzelfall an, also auf die konkrete Ausgestaltung der Versicherung. Nicht zuletzt liegt der Zweck einer Unternehmensbuße in der Sanktionierung der Beteiligten. Lässt man unter diesem Vorzeichen einen Regressanspruch auf eine D&O-Versicherung zu, so könnten Unternehmen ihre Bußgeldrisiken auf private D-&-O-Versicherungen abwälzen – und damit auf Geschäftsführer und Vorstände.

*) Dr. Christoph Abeln ist Partner der Kanzlei Abeln Rechtsanwälte.

Dr. Christoph Abeln ist Partner der Kanzlei Abeln Rechtsanwälte.