GastbeitragKlagewelle

Was Banken bei Massenverfahren beachten müssen

Massenverfahren betreffen vor allem die Finanzbranche. Die Herausforderung liegt in der effizienten Bearbeitung der Klagewelle. Das erfordert unter anderem den Einsatz von Legaltech-Tools.

Was Banken bei Massenverfahren beachten müssen

Was Finanzinstitute bei
Massenverfahren beachten müssen

Effizientes Projekt- und Fristenmanagement notwendig – Einsatz von Legaltech ein Muss

Von Manuela Martin und Alexander Reif *)

Die Bank- und Finanzwirtschaft ist häufig von Massenverfahren betroffen. Die Herausforderung bei solchen Verfahren liegt in der Effizienz der Bearbeitung. Denn die Verteidigung gegen eine Masse gleichgelagerter Einzelklagen gelingt nur dann effizient, wenn neben juristischer Expertise ein anwaltliches Projekt- und Fristenmanagement reibungslos greift. Das erfordert nicht nur den Einsatz smarter Legaltech-Tools, sondern eine Verteidigungsstrategie zur externen und internen Kommunikation sowie zur Fallbearbeitung. Weitere Erfolgsfaktoren sind die arbeitsteilige Teamstruktur und ein hervorragendes Knowledge-Management. Wenn ein Massenverfahren in der Bearbeitung optimal läuft, wird die Reputation des Unternehmens kosteneffizient bewahrt.

In Deutschland waren – anders als im angloamerikanischen Raum – Massenverfahren, d.h. eine Vielzahl einzelner Klagen in gleichgelagerten Fällen gegen denselben Beklagten, viele Jahre unbekannt. Das hat sich seit dem „Telekom-Skandal“ im Jahr 2005 schlagartig geändert. Damals gingen über 16.000 Schadenersatzklagen einzelner Aktionäre wegen angeblicher Falschangaben in Verkaufsprospekten am Landgericht Frankfurt ein. Seitdem hat die Finanzbranche einige Wellen von Massenklagen erlebt.

Mustercharakter

Im Jahr 2022 ließ sich das Legaltech-Unternehmen Conny Ansprüche von Betroffenen abtreten gegen eine einmalige Zahlung von 25 Euro und reichte anschließend über 2.600 Klagen gegen die Commerzbank ein. Begründung: unrechtmäßige Erhöhung von Kontoführungsgebühren. Vor dem Kammergericht Berlin ist aktuell eine Musterfeststellungsklage der Verbraucherzentrale Bundesverband gegen die Berliner Sparkasse anhängig. Der Sparkasse wird vorgeworfen, zu Unrecht Entgelte erhalten zu haben, weil die bankübliche Klausel zur Erhöhung von Entgelten unwirksam sei.

Weitere Klagen auf Zinsnachzahlungen an Prämiensparer, zur Höhe der Abschluss- und Vermittlungskosten bei Riesterverträgen und Strafzinsen auf Spargelder sind bundesweit anhängig. Gemein ist diesen Massenverfahren, dass sie Mustercharakter für zahlreiche Kreditinstitute haben. Eine erfolgreiche Verteidigung gegen eine solche Klagenflut erfordert deshalb nicht nur ausgezeichnete juristische Expertise, sondern vor allem einen strukturiert aufgesetzten Workflow und ein straffes Projektmanagement.

Multidisziplinäres Team

Bei der Organisation der Verteidigung ist wichtig, zu Beginn ein multidisziplinäres Team aus den Bereichen Litigation, Banking und Financial Services zusammenzustellen. Es erarbeitet gemeinsam die Verfahrensstrategie zur Fallverteidigung sowie zur externen und internen Kommunikation. Auch die Teamstruktur sowie den Prozess zum Knowledge-Management setzt diese interdisziplinäre Gruppe auf. Die Experten aus dem Litigation-Bereich erarbeiten die inhaltliche Strategie zur rechtlichen Verteidigung und lassen dabei die Expertise der übrigen Teams einfließen.

Im nächsten Schritt passt das Team das Konzept dynamisch an die Entwicklung der Verfahren über mehrere Instanzen an und berücksichtigt neue materiellrechtliche und prozessuale Fragen. Vorteil: So kann im Laufe der Zeit auf entstandene tatsächliche und rechtliche Änderungen adäquat reagiert und die Vergleichsstrategie bedarfsgerecht angepasst werden.

Kommunikation ein zentraler Punkt

Danach wird gemeinsam mit dem Mandanten erarbeitet, wie extern mit Gerichten, der Presse sowie den Klägervertretern kommuniziert werden soll. Intern muss zudem ein barrierefreier Informationsfluss zwischen Bank und Berater geschaffen werden. Dies gelingt nur durch die Einrichtung gemeinsamer (IT-)Schnittstellen. Der Mandant wird damit zum Teil des Projektteams. Er tauscht Daten in Echtzeit aus und wirkt aktiv am Knowledge-Management mit. Durch die eigene Aktivität senkt der Mandant nicht nur die Kosten des Rechtsstreits, sondern schafft den notwendigen Wissensvorsprung im Verfahren.

Personaleinsatz im Massenverfahren

Für die erfolgreiche Verfahrensbearbeitung besteht das Projektteam aus arbeitsteilig gemischten Kompetenzen. Assistenzkräfte unterstützen das Team vor allem bei der Eingangsverarbeitung der Flut an gerichtlicher Korrespondenz und führen das Fristenmanagement. Wissenschaftliche Mitarbeitende recherchieren komplexe rechtliche Fragen. Wirtschaftsjuristen bringen ihre ökonomische Expertise ein und unterstützen bei der Schriftsatzerstellung und dem Projektmanagement. Anwälte stehen als Lead-Ansprechpartner für Mandanten zur Verfügung und übernehmen die externe Kommunikation sowie die Vertretung vor Gericht. Durch die verzahnte Arbeitsaufteilung schafft man ein flexibles und fokussiertes Projektteam sowie breite Expertise auf allen Ebenen.

Erfolgsfaktor Legaltech

Abgerundet wird ein erfolgreiches Massenverfahren-Projekt durch den Einsatz von Legaltech-Anwendungen. Nur so lassen sich Massenverfahren (kosten-)effizient verteidigen. Diese Anwendungen unterstützen das Projektteam bei der Kontrolle der Vielzahl von Fristen und Gerichtsterminen, dem Knowledge-Management, der internen und externen Kommunikation sowie bei der Erstellung von Schriftsätzen. Legaltech-Tools reduzieren in Massenverfahren das Risiko von Fehlern und halten durch klare Abläufe die Kosten gering.

*) Dr. Manuela Martin ist Part­ne­rin von RSM Ebner Stolz. Alexander Reif ist Rechtsanwalt der Kanzlei.

Dr. Manuela Martin ist Part­ne­rin von RSM Ebner Stolz. Alexander Reif ist Rechtsanwalt der Kanzlei.