Das sind die Gewinner des KI-Booms
Künstliche Intelligenz
Das sind die Gewinner des KI-Booms
Hype um künstliche Intelligenz treibt Tech-Titel an – Entwicklung dürfte erst am Anfang stehen
Dank künstlicher Intelligenz ist Big Tech zurück auf der Überholspur. Rund um das Thema KI herrscht ein Hype, wie man ihn höchstens zu Beginn des Internetzeitalters kannte. Bisher profitieren davon hauptsächlich die großen US-Player, doch das dürfte sich schon bald ändern.
Von Tobias Möllers, Frankfurt
Fast 15 Monate ist es nun her, dass in Kalifornien das neue Gold entdeckt wurde. Dieses neue Gold konnte man weder ergraben noch einstecken, und streng genommen wurde es auch weniger entdeckt als veröffentlicht und vorgestellt. Am 30. November präsentierte das kalifornische Unternehmen OpenAI die künstliche Intelligenz (KI) ChatGPT. Bis zu diesem Zeitpunkt war KI ein eher diffuses Zukunftsthema, irgendwo zwischen autonomem Fahren und Digital Twin. Das sollte sich mit der ChatGPT-Vorstellung rasant ändern.
Heute nutzen bereits 100 Millionen Menschen mehrmals wöchentlich einen KI-Service. Niemals zuvor war ein Internet-Angebot in kürzerer Zeit so erfolgreich. Und der Hype um KI ist längst auch in Deutschland angekommen. Laut Bitkom sind im Jahr 2023 die Ausgaben für KI-Software, -Dienstleistungen und -Hardware in der Bundesrepublik um ein Drittel auf 6,3 Mrd. Euro gestiegen. 2024 erwartet der Branchenverband ein weiteres Wachstum um 30%. Das Marktforschungsinstitut Markets and Markets prognostiziert, dass der KI-Markt bis 2027 weltweit ein Volumen von 407 Mrd. US-Dollar erreichen könnte – damit würde sich der Umsatz binnen vier Jahren mehr als verdreifachen.
„Die Einführung von ChatGPT war ein Wendepunkt, denn es hat die Verwendung sogenannter großer Sprachmodelle auf ein neues Niveau gehoben. Die Veröffentlichung von ChatGPT löste einen Wettlauf zwischen Cloud-Service-Anbietern und anderen Technologieunternehmen aus“, konstatiert Pam Hegarty, Managerin der Disruptive-Technology-Strategie bei BNP Paribas Asset Management.
Es herrscht Goldgräberstimmung rund um das neue Hype-Thema, wie man sie seit dem Beginn des Internetzeitalters nicht mehr erlebt hat. Investoren und Unternehmen unterschiedlichster Branchen stecken Milliarden in die Entwicklung neuer KI-Tools, weil sie sich davon noch nie dagewesene Produktivitätssprünge versprechen. KI gilt schon jetzt als der neue Wachstums- und Gewinntreiber.
Dabei sucht man KI-Firmen wie OpenAI an den Börsen vergeblich. Auch deutsche Unternehmen wie Celonis aus München, DeepL aus Köln, Aleph Alpha aus Heidelberg (an dem sich SAP einen kleinen Anteil gesichert hat), haben es bisher nicht auf den Börsenzettel geschafft. Die großen Profiteure der neuen Ära, die KI eingeläutet hat, sind bisher in erster Linie Big-Tech-Unternehmen aus den USA.
Nvidia, Platzhirsch unter den Chipentwicklern, und Meta haben ihren Kurs in den vergangenen Monaten verdreifacht und den S&P 500 nicht nur angeführt, sondern zusammen mit den anderen "Magnificent 7"(Alphabet, Amazon, Apple, Meta, Microsoft, Nvidia, Tesla) fast ausschließlich für die Performance des Index gesorgt. Und der Hype ist ungebrochen, weil die Nachfrage nach Hardware für die Entwicklung von generativer künstlicher Intelligenz ungebrochen ist. Seit Jahresbeginn hat die Nvidia-Aktie bereits weitere 25% zugelegt.
Und auch Microsoft zählt zu den großen Profiteuren der KI-Revolution. Der Softwarekonzern hat 13 Mrd. in das Start-up OpenAI, das ChatGPT an den Markt gebracht hat, gesteckt und dürfte diese Investition kaum bereut haben. OpenAI wurde zeitweilig mit 86 Mrd. Dollar bewertet, mittlerweile ist Microsoft Haupteigentümer des Unternehmens.
"Wir glauben, dass wir noch in einer frühen Phase eines neuen Technologiezyklus sind, der wahrscheinlich zu einer weiteren Outperformance führen wird", erklärte Peter Oppenheimer, Chefaktienstratege bei Goldman Sachs, bereits im September 2023 in der bemerkenswerten Goldman-Sachs-Studie "Why AI is not a bubble". Seit Beginn des vergangenen Jahres habe der Sektor begonnen, schneller zu wachsen und mehr zu verdienen als die anderen Teile des Aktienmarktes.
Das ist auch Anlegern nicht verborgen geblieben: Laut einer Umfrage von Etoro unter Privatanlegern halten in der Bundesrepublik bereits 30% der Anleger KI-bezogene Aktien in ihrem Portfolio (USA: 32%), weitere 37% wollen künftig in KI-Firmen investieren.
Halbleiter profitieren weiter
Für das laufende Jahr sieht BNP-Managerin Hegarty mehrere Trends, die für Anleger relevant sind. So werde der Infrastrukturausbau für das Training von KI-Modellen anhalten. Halbleiterunternehmen und Anbieter von Server-, Speicher- und Netzwerkausrüstung würden von den Ausgaben der Cloud-Service-Anbieter und großer Unternehmen profitieren.
Auch für Alexander Prinz, Tech-Experte und Fondsmanager bei der LBBW, dürfte einer der größten Profiteure des KI-Booms für den Rest des Jahrzehnts die Halbleiterbranche bleiben: "Halbleiter sind die Basis für alle Innovationen im Tech-Sektor. Die Geräte werden immer intelligenter, die Anwendungen immer smarter – das führt zu einer höheren Nachfrage nach leistungsfähigeren Halbleitern."
Prinz glaubt, dass wir bei Anwendungssoftware für den Einsatz von KI vor dem größten Innovationszyklus seit Jahrzehnten stehen. Das gehe einher mit steigenden IT-Budgets und einem noch stärkeren Trend zur Cloud-Nutzung. "Die großen und transformativen Auswirkungen durch generative künstliche Intelligenz dürften die steigenden Erwartungen der Investoren sogar übertreffen", so Prinz. "Wir gehen davon aus, dass in den kommenden Jahren weltweit massiv in GenAI-Software (generative KI) investiert wird. Die USA werden hieran einen signifikanten Anteil haben, aber nicht der einzige spannende Ort für Investitionen bleiben."
Doch es gibt auch warnende Stimmen. Für Tilmann Galler, Kapitalmarktstratege bei J.P. Morgan, könnten die hohen Gewinnerwartungen zum Problem werden: "Die Latte wurde aufgrund der Euphorie um die künstliche Intelligenz sehr hoch gelegt. Dadurch ist das Risiko einer Gewinnenttäuschung in den nächsten zwölf Monaten angestiegen." Zwar werde KI die Wirtschaft revolutionieren und gewaltige neue Absatzmärkte für Technologieunternehmen wie die "Magnificent 7" schaffen, "doch der Filmklassiker und Namensgeber mahnt auch zur Vorsicht – nur drei der Glorreichen Sieben haben den Showdown im Film überlebt".