Pharma-Aktien im Höhenflug
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Pharma-Aktien im Höhenflug
Abnehmprodukte feuern Eli Lilly und Novo Nordisk an – KI und Demografie treiben den Sektor – Fokus auf Krebs und Demenz
Unter den größten Gewinnern am Aktienmarkt finden sich seit Monaten auch die Titel von Eli Lilly und Novo Nordisk. Das dürfte noch länger so bleiben und könnte auch auf andere Unternehmen übergreifen, denn die Voraussetzungen für Gesundheitswerte sind dank KI und der demografischen Entwicklung bestens.
Von Tobias Möllers, Frankfurt
Der Pharma-Sektor war die Gewinner-Branche der Pandemie-Jahre. Etablierte Unternehmen wie Pfizer stiegen an den Aktienmärkten auf immer neue Rekordmarken. Junge Newcomer wie die Mainzer Biontech und Moderna verdienten Milliarden mit ihrem Corona-Impfstoff. Nach den Pandemie-Jahren wurde es dann zunächst deutlich ruhiger um die Impfstoffhersteller, bis Mitte Mai der zweite Fall einer Vogelgrippe-Übertragung von einer Kuh zu einem Menschen in den USA die Aktien von Curevac, Biontech und Moderna erneut beflügelte. Zwar wird das Übertragungsrisiko von Tier zu Mensch bei der Vogelgrippe von Experten als verschwindend gering angesehen, für ein kurzes Kursfeuerwerk reichte es aber dennoch. Für Curevac, das mit dem britischen Pharma-Konzern GSK an einem Vogelgrippe-Vakzinkandidaten, der derzeit in einer kombinierten Phase-1/2-Studie getestet wird, arbeitet, ging es um knapp 20% nach oben. Im Windschatten legten auch die Papiere von Moderna und Biontech zweistellig zu.
Dennoch war das nur ein Strohfeuer im Vergleich zu den eigentlichen Gewinnern der Pharmabranche in den vergangenen Monaten. Das Gesundheitsthema, das nach den Impfungen an den Kapitalmärkten einschlug, waren Abnehmprodukte. Und die beiden Unternehmen, die hauptsächlich davon profitierten und noch immer profitieren, sind Eli Lilly und Novo Nordisk. Der Konzern aus Indianapolis ist gemäß Marktkapitalisierung das größte Gesundheitsunternehmen der Welt. Novo Nordisk ist nicht nur das größte Gesundheitsunternehmen Europas, sondern, seit die Dänen im vergangenen Jahr an LVMH vorbeiziehen konnten, sogar das größte Unternehmen Europas. Der Marktwert der beiden Unternehmen ist allein 2024 um weitere 200 Mrd. Dollar und damit um rund 20% gestiegen, konstatierte Rund Sand-Holm vom DNB Healthcare Fund bereits im März. Das Duo steht damit allein für 13% des gesamten Sektors.
Das schlug sich auch an den Aktienmärkten nieder. Anleger honorierten Wegovy, das Wundermittel von Novo Nordisk, im vergangenen Jahr mit einem Aufschlag von satten 40% für die Papiere der Dänen. Damit nicht genug, in den ersten fünf Monaten dieses Jahres kletterten die Titel um weitere 33%. Werte, die den breiten Aktienmarkt, der in den vergangenen Monaten selbst eine Rally hingelegt hat, weit hinter sich lassen. Noch stärker schnitten die Amerikaner von Eli Lilly ab. Die Aktie gewann im vergangenen Jahr satte 60% und stieg 2024 um weitere 39% an. Das machte Eli Lilly zu einem der größten Gewinner am Aktienmarkt im Jahr 2023 und auch in diesem Jahr dürfte sich das Unternehmen – hinter KI- und Tech-Überfliegern wie Nvidia – auf einem der vordersten Plätze einfinden.
Dagegen hat sich der Wert der Aktie von Pandemie-Gewinner Pfizer quasi gar nicht erhöht, Biontech-Aktionäre mussten seit Anfang 2024 sogar mit einem Abschlag von knapp 10% leben.
Wachstumstreiber Fettleibigkeit
Das Thema Fettleibigkeit dürfte sich auch in Zukunft weiter an den Märkten breitmachen und ein Wachstumstreiber für Unternehmen aus der Gesundheitsbranche bleiben. Nach Schätzungen der World Obesity Federation könnte bis 2035 mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung fettleibig sein. Die Gesamtkosten für die Behandlung von damit zusammenhängenden Krankheiten dürften sich dann auf 4 Bill. Dollar summieren – pro Jahr.
Gute Aussichten also für Novo Nordisk und Eli Lilly. Das dänische Produkt Wegovy soll nicht nur beim Abnehmen helfen, sondern sogar Herzinfarkten und Schlaganfällen vorbeugen. Daneben vertreibt Novo Nordisk auch noch das Diabetes-Medikament Ozempic, ebenfalls mit beachtlichem Erfolg. Eli Lilly setzt dagegen auf die Abnehmspritzen ihres Appetitzüglers Mounjaro. Neuere Versionen der Hoffnungsträger sollen einen Gewichtsverlust von 25 bis 30% ermöglichen.
Noch profitieren vornehmlich diese beiden Konzerne vom Interesse der Kunden und Märkte, doch auch in der Pharma-Branche schläft die Konkurrenz nicht: Der Schweizer Pharmariese Roche etwa will sich nach der Übernahme von Carmot Therapeutics stärker in dem boomenden Markt positionieren.
Fettleibigkeit dürfte allerdings nicht das einzige Thema bleiben, das die Märkte und speziell Pharma-Titel in der näheren Zukunft antreiben wird. Die demografische Lage in den meisten westlichen Gesellschaften spielt der Pharma-Branche in die Karten. Zwar ist die Frage noch offen, wie viel diese alternden Gesellschaften künftig für Gesundheit ausgeben wollen, dass die Kosten und damit auch die Profite der Healthcare-Konzerne deutlich steigen dürften, gilt aber als ausgemacht. Die Capital Group sieht daher glänzende Aussichten für die Pharmaindustrie. „Wir stehen am Beginn einer goldenen Ära für den Gesundheitssektor“, resümierte Investment Director Steven Smith bereits im März.
Healthcare stehe aktuell an der Spitze innovativer Forschung und Entwicklung. Neben den Produkten gegen Fettleibigkeit nennt die Capital Group noch zwei weitere Felder, in denen Fortschritte bei Datenanalyse und Gensequenzierung ihre „enorme Innovationskraft“ zeigen könnten: Krebs und Demenz. Krebs ist laut WHO die zweithäufigste Todesursache weltweit. Nach Schätzungen von Vantage Market Research könnte der Onkologiemarkt bis zum Jahr 2030 durch die Entwicklung neuer Krebsmedikamente von derzeit 305 Mrd. Dollar im Jahr auf 556 Mrd. Dollar anwachsen. Auch bei Demenz, wo Alzheimer 60 bis 70% aller Fälle ausmacht, gebe es deutliche Fortschritte bei der Entwicklung neuer Behandlungsansätze. „Ermutigende Ergebnisse“ habe im letzten Jahr das Medikament Donanemab gebracht, mit dessen Hilfe eine Verlangsamung des kognitiven Abbaus um 35% gelungen sei. Hersteller des Medikaments ist Abnehm-König Eli Lilly.
Viel Bewegung im Markt
Während das Unternehmen aus Indianapolis auch bei der Alzheimer-Forschung reüssieren kann, stellt sich Pandemie-Gewinner Pfizer neu auf: Der Konzern will zunächst 1,5 Mrd. Dollar einsparen und schlägt einen neuen Kurs ein. Hoffnungen setzen die New Yorker dabei auch auf die Übernahme von Seagen, einem Krebsmedikamentenhersteller.
Es ist viel Bewegung im Pharma-Markt. 2023 war mit einem Transaktionswert von 120 Mrd. Dollar ein Rekordjahr für Fusions- und Übernahmeaktivitäten. Daneben drängen viele junge Unternehmen neu in den lukrativen Markt. Groß sind die Hoffnungen, die mit Unternehmen wie Reece Pharmaceuticals aus Australien, Viking Therapeutics aus Kalifornien, Zealand Pharma aus Dänemark oder Crinetics Pharmaceuticals aus San Diego verbunden sind, groß sind bei diesen aufstrebenden Newcomern allerdings auch die Schwankungen der Aktien.
Doch auch ein inzwischen etablierteres Unternehmen sorgt – neben Eli Lilly und Novo Nordisk – an den Kapitalmärkten wieder für Aufsehen: Moderna. Anders als bei den Impfstoff-Konkurrenten von Pfizer und Biontech entwickelte sich die Aktie zuletzt prächtig. Seit Jahresbeginn steht ein sattes Plus von 52% unter dem Strich. Für Stuart Dunbar von Baillie Gifford ist das kein Wunder. Bereits im Dezember erklärte Dunbar im Interview der Börsen-Zeitung, dass Moderna für ihn das am meisten missverstandene Unternehmen der Welt ist. Dunbar sieht in der mRNA-Technologie, die bei Corona zum Erfolg geführt hat, Potenzial für eine Vielzahl medizinischer Behandlungen. Zudem habe Corona Moderna eine enorme Menge an Finanzmitteln verschafft, „um die Pipeline voranzutreiben, für die sie sonst 10 oder 20 Jahre gebraucht hätten“. Auch Moderna forscht – wie übrigens auch Biontech – zu bestimmten Formen von Krebs. Neben der mRNA-Technologie mache zudem KI den Entdeckungsprozess viel organisierter und effektiver als jemals in der Geschichte von Big Pharma.
Selektion entscheidend
Moderna werde aktuell bewertet, als ob es ein One-Hit-Wonder wäre, klagte Dunbar damals. Das ist inzwischen nicht mehr so. Die Aktie des Unternehmens hat zuletzt eine beeindruckende Performance hingelegt, muss aber noch lange nicht am Ende der Fahnenstange angekommen sein. Das gilt für die gesamte Branche. KI und die demografischen Verhältnisse dürften den Sektor kurz- und mittelfristig weiter antreiben. Innovationen wie bei den Abnehmprodukten dürften noch weitere Aktien auf einen Höhenflug schicken. Für Pharma gilt allerdings das Gleiche wie für andere Aktiensegmente: Die Selektion der richtigen Einzeltitel ist entscheidend für den Anlageerfolg.