Nachhaltige Geldanlage

Wenn die Fassade bröckelt

Worauf Investoren bei der grünen Geldanlage achten müssen und wo Greenwashing droht. Und warum nachhaltige Investments, richtig umgesetzt, lohnen.

Wenn die Fassade bröckelt

Jetzt scheinen Frankfurter Wissenschaftler mit der grünen Geldanlage abrechnen zu wollen. Während sich Finanzbranche, Aufseher, Politiker und Investoren auf das Thema stürzten, sei die konkrete Wirkung von nachhaltiger Geldanlage zweifelhaft, sagt Michael Grote, Professor an der privaten Hochschule Frankfurt School. Es liege nicht in der Funktionsweise von Kapitalmärkten, den Planeten zu retten und den Kapitalismus zu verändern. „Nachhaltige Geldanlagen bekämpfen den Klimawandel nicht“, erklärt Grote. Und Jan Pieter Krahnen, Professor für Kreditwirtschaft und Finanzierung an der Goethe-Universität Frankfurt, sagt: „Was heute als Green Finance verkauft wird, ist häufig ein Placebo oder auch eine Illusion.“ Auch könne eine grüne Staatsanleihe kaum eine Veränderung im Sinne einer nachhaltigen Mittelverwendung bewirken.

Grün ist zum Mainstream geworden und das Volumen nachhaltiger Geldanlage wächst rasant. „Investoren werden irgendwann fast nur noch grün anlegen, das wird der neue Standard sein“, erklärt Götz Albert, Managing Partner und CIO bei Lupus alpha, im Interview mit rendite. Bei institutionellen Investoren war die nachhaltige Geldanlage in den vergangenen Jahren schon sehr gefragt. Jetzt legen auch Privatanleger zunehmend grün an: Laut dem deutschen Fondsverband BVI sind die Mittelzuflüsse in Publikumsfonds mit Nachhaltigkeitsmerkmalen von 20,6 Mrd. Euro im Jahr 2020 auf 60,2 Mrd. Euro im Jahr 2021 geklettert. Auch der Jahresbericht Nachhaltige Geldanlagen zeigt Jahr um Jahr ein rapides Wachstum auf. Ende 2020 waren bereits Gelder über 335,3 Mrd. Euro nachhaltig angelegt, für 2021 dürften abermalige Rekorde ausgewiesen werden.

Doch der grüne Boom birgt auch einige Gefahren. Jedes Unternehmen will möglichst grün und nachhaltig sein, weil das Vorteile bei der Finanzierung und bei der Gewinnung neuer Investoren beinhaltet. Auch Staaten und staatliche Emittenten möchten grün sein, weil das Vorteile bei der Finanzierung von Anleihen beinhaltet und weil das in einem Umfeld, in dem der Trend hin zur Nachhaltigkeit geht, gut für das Ansehen ist. Und natürlich möchte auch jeder Assetmanager mit grünen Produkten punkten, um möglichst hohe Kundengelder zu gewinnen. Dies nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass ab August die grüne Anlageberatung in der EU verpflichtend ist (vergleiche dazu Seite 36).

Wunsch der Investoren

Übrigens, um das auch einmal klarzustellen, die grüne und nachhaltige Geldanlage ist keineswegs reines Marketing der Fondsindustrie. Wie Albert zu Recht erklärt, ist es der Wunsch der Investoren, grün anzulegen. Der Trend kommt von der Nachfrageseite, wobei inzwischen beinahe die ganze Gesellschaft möglichst grün und nachhaltig wirtschaften will. Aber natürlich gibt es auch Marketing für grüne Fonds. Und mitunter gleichen manche Marketingmaßnahmen für Finanzprodukte denen für neue Autos oder für Waschmittel.

Durch den Boom der grünen Geldanlage entstehen nicht zuletzt auch Qualitätsprobleme, die jetzt immer offensichtlicher werden und die auch von Studien und Wissenschaftler aufgegriffen werden. Denn nicht jeder Anbieter von grünen Produktlösungen ist dafür gerüstet, genau hinzuschauen und Fonds aufzulegen, die tatsächlich grün und nachhaltig sind. „Wir beobachten, dass viele neue Akteure neben traditionellen Anlagen auch grüne Anlagemöglichkeiten anbieten“, sagt Philipp Müller, CEO von Blue Orchard. „Der damit verbundene Aufwand wird jedoch möglicherweise von einigen Anbietern unterschätzt.“ Langjährige Erfahrung, Expertise im Nachhaltigkeitsbereich und spezialisierte Teams seien für die grüne Geldanlage zentral.

Zunehmend besteht das Problem des Greenwashings, bei dem Investments oder Finanzierungen, die im Grunde nicht Grün sind, als grün verkauft werden. Denn grün vermarktet sich besser und führt zu den aufgezeigten Finanzierungsvorteilen. Insgesamt besteht also durchaus eine grüne Fassade, die gerade bröckelt. Denn die Investoren fragen sich zunehmend, welche Anlagen tatsächlich grün und nachhaltig sind. Der Markt beginnt zunehmend stärker zu selektieren.

Welche Fonds sind nun aber grün und welche Produkte werden grün gewaschen? „Vor 20 Jahren hat sich keiner diese Frage gestellt. Damals waren alle Überzeugungstäter und die Produkte hatten Hand und Fuß“, erläutert Tommy Piemonte, Leiter Nachhaltigkeitsresearch bei der Bank für Kirche und Caritas (BKC). „Inzwischen ist das Thema grüne und nachhaltige Geldanlage populär und auch stärker regulatorisch eingebunden. Und viele etablierte Anbieter haben inzwischen dieses Feld entdeckt.“ Besonders auffällig ist, dass in den vergangenen Jahren etliche Klimafonds aufgelegt wurden, diese waren stark in Mode. „Das E stand zuletzt vielfach im Mittelpunkt. Doch umfasst grüne und nachhaltige Geldanlage nicht nur Klima“, erklärt Piemonte. „Wir brauchen eine Gesamtbetrachtung. Der soziale Faktor, das S, und eine gute Unternehmensführung, das G, sind gleichermaßen wichtig.“ Auch für Lupus alpha ist eine gute Unternehmensführung bedeutsam. „Wir legen großen Wert auf Governance und kennen die Firmen, in die wir investieren, sehr gut“, erläutert Albert.

Greenwashing wird übrigens zunehmend an den Pranger gestellt, und es gibt mehr Untersuchungen darüber, wo wahrscheinlich grün gewaschen wird. „Schwierig wird es nur, wenn etwas anderes in den Fonds drin ist, als versprochen wird“, sagt Piemonte. „Wenn, gemäß einer Studie von Citywire, ein Drittel der europäischen Artikel-8- und Artikel-9-Fonds kontroverse Waffen nicht ausschließen, ist das natürlich ein Problem.“ Albert geht davon aus, dass es immer wieder einzelne schwarze Schafe geben wird. „Der Markt wird sich dank der erhöhten Transparenzanforderungen selbst regulieren. Greenwashing wird auf Dauer nicht erfolgreich sein“, betont Piemonte. „Doch auch der Anleger hat eine Verantwortung. Er sollte schon genau hinschauen, in was er investiert und in welche Produkte von welchem Anbieter.“ Auch Lupus-alpha-CIO Albert geht davon aus, dass Greenwashing aufgrund des Wettbewerbs zwischen den Vermögensverwaltern auf Dauer keinen Erfolg haben wird.

Abgesehen vom Greenwashing stellt sich noch die Frage, welche Investments überhaupt nachhaltig sind. Was ist zum Beispiel mit Atomkraft oder Erdgas? Für französische Fondsanbieter ist die Einstufung von Atomkraft in aller Regel klar: Atomenergie mindere den CO2-Ausstoß, Kernkraft sei daher grün. In Deutschland sehen das viele Investoren und Fondshäuser anders. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund von Nuklearkatastrophen wie in Fukushima 2011 oder in Tschernobyl 1986 hat Deutschland den Ausstieg aus der Atomkraft beschlossen. Aber auch die EU-Kommission stuft in ihrer Taxonomie inzwischen Atomenergie und Erdgas als nachhaltig ein (vergleiche Seite 30).

Rüstung ist nicht nachhaltig

Aufgrund der russischen Invasion in der Ukraine haben sich unterdessen viele zuvor gefasste Einschätzungen der Marktteilnehmer verändert. Deutlich wird, dass Rüstung notwendig ist, um sich gegenüber einem Aggressor wie Russland zu verteidigen. Aber ist Rüstung deshalb auch nachhaltig? „Rüstung ist keine nachhaltige Geldanlage“, sagt Piemonte. „Orientierung geben die SDGs, die Nachhaltigkeitsziele der UN. Da wird klar, dass Waffen nicht nachhaltig sind.“

Zwei weitere zentrale Fragen der nachhaltigen Geldanlage sind, ob sich nachhaltige Investments für Anleger lohnen und ob sie sich für die Umwelt lohnen, sprich ob die nachhaltige Geldanlage einen positiven Impact aufweist. Die Antwort auf beide Fragen lautet: Es kommt darauf an.

Mehrere wissenschaftliche Studien, wie zum Beispiel die bekannte Metastudie von Bassen, Busch und Friede sowie entsprechende Nachfolgestudien, belegen, dass ein positiver Zusammenhang zwischen finanzieller Performance und ESG-Performance besteht. Auch bei Morningstar erhält ein wesentlich größerer Anteil der ESG-Fonds eine Top-Bewertung als im gesamten Fondsuniversum. Und zwar vor allem, weil eine nachhaltige Ausrichtung Risiken senkt. Dabei ist die Performance nachhaltiger Investments nicht schlechter als die herkömmlicher Produkte. Somit schneiden nachhaltige Investments unter Risiko-Ertrags-Gesichtspunkten besser ab als traditionelle Geldanlagen.

Es gibt aber schon so etwas wie einen Tech-Bias bei nachhaltigen Aktienfonds. Denn gerade die großen Technologieunternehmen wie zum Beispiel Apple oder Microsoft weisen eine relativ hohe ESG-Bewertung auf. Läuft also Tech, entwickeln sich auch nachhaltige Fonds besonders gut. Dazu passt auch eine aktuelle Auswertung von Scope, wonach Artikel-9-Fonds auf mittlere bis lange Sicht auch eine höhere Performance erzielt haben als die übrigen Produkte. „Im derzeitigen Marktumfeld, das unter anderem von der Hausse bei Energieaktien geprägt ist, laufen diese Fonds allerdings hinterher“, stellt Scope fest.

Auch führt die Berücksichtigung von ESG oder nachhaltigen Kenngrößen allein nicht automatisch zu einer hohen Performance oder Outperformance, entscheidend ist es für eine erfolgreiche Vermögensverwaltung stets, die bewährten herkömmlichen Kenngrößen wie Marktstellung, Umsatz-, Gewinn- und Cashflow-Entwicklung oder Eigenkapitalausstattung und Bilanzstärke genauso zu berücksichtigen wie nachhaltige Aspekte. Allein weil bei einer Anlage „grün“ draufsteht, lohnt sie sich noch lange nicht.

Dass sich eine nachhaltige Ausrichtung vor allem auch bei global ausgerichteten Aktienfonds lohnt, unterstreicht die ausführliche Produkttabelle mit zahlreichen grünen Fonds, die bereits viele Jahre auf dem Markt sind (vgl. Tabelle Seite 18). Langfristig, d. h. über fünf oder zehn Jahre, überzeugen dabei insbesondere der BMO Responsible Global Equity, der DPAM Equities World Sustainable, der NN Global Sustainable Equity Fund Global sowie der 3,8 Mrd. Euro schwere UniNachhaltig Aktien Global und der 2,5 Mrd. Euro schwere DWS ESG Top World.

Kaum Impact bei Green Bonds

Ein anderes Bild ergibt sich bei den Green Bonds. Hier gibt es in der Praxis ein Greenium, grüne Anleihen weisen derzeit eine niedrigere Rendite auf als herkömmliche Anleihen. Damit wird die Finanzierung für die Emittenten günstiger, während für Anleger eine niedrigere Performance als bei Bundesanleihen gegeben ist.

Problematisch ist nun das Ganze, weil sich besonders bei Green Bonds die Frage nach dem Impact stellt. Denn bei etlichen der grünen Anleihen sind viele Experten, wie auch mehrere Frankfurter Wissenschaftler, der Ansicht, dass diese nur eine Nachhaltigkeitsillusion erzeugen und tatsächlich gar keine Wirkung haben.

Bei Aktieninvestments ist die Frage nach einem Impact, nach einer Wirkung der nachhaltigen Aktieninvestments insbesondere auf die Umwelt, soziale Aspekte und eine gute Unternehmensführung, komplex. Mehrere wissenschaftliche Untersuchungen legen dar, dass nachhaltige Investments, richtig angewandt, sehr wohl dazu beitragen, die Welt zu verbessern. Denn sie beinhalten, wie Albert betont, „eine Lenkungswirkung des Kapitals hin zu mehr Nachhaltigkeit“. Dies gilt zumindest für Aktien, während bei Green Bonds diese Lenkungswirkung fraglich erscheint. Aber eines ist auch klar: Wenn Geld vorangeht, dann kann das viel bewegen. Aber die Politik muss auch das Ihre tun, um Nachhaltigkeit zu fördern und mithin die Welt zu retten. Das beginnt bei einfachen Dingen wie einem Tempolimit.

Übrigens sollten auch Assetmanager ihre nachhaltige Ausrichtung glaubwürdig leben. Solarzellen auf dem Dach, eine moderne Heizung über Wärmepumpen oder auch, dass die Notwendigkeit jedweder Flugreise geprüft wird, sind solche Maßnahmen für die Umwelt. Zuschüsse für die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel und Firmenfahrräder können zudem eine nachhaltige Ausrichtung unterstreichen.

Alles in allem bleibt eine gute Botschaft: Nachhaltigkeit, richtig angewendet, lohnt sich, für die Welt und auch für den Investor. Es gilt aber eben sehr genau hinzuschauen und Greenwashing zu erkennen. Die Analyse der Frankfurter Wissenschaftler greift daher insgesamt zu kurz.

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