Kapitalanlage

Abgeltungssteuer lässt noch alles offen

Bundesregierung steht erst am Anfang der Überlegungen - Voreiliger Aktionismus fehl am Platze

Abgeltungssteuer lässt noch alles offen

Von Armin Schmitz, Frankfurt, und Angela Wefers, Berlin Neue Zeiten sollen mit der großen Koalition auch bei der Besteuerung der Anleger anbrechen. Erste Eckpunkte hat das Bundeskabinett vergangene Woche verabschiedet – und doch nichts Konkretes beschlossen. “Wir beabsichtigen die Einführung einer Abgeltungssteuer”, lautet der lapidare Satz aus der Kabinettsvorlage. Alles weitere ist offen. Alle Meldungen zu möglichen Folgen für Anleger nehmen lediglich mögliche Varianten vorweg. Schärfere Konturen, wohin die Reise bei der Besteuerung der Anleger gehen soll, dürften sich frühestens im Herbst abzeichnen. Bis dahin wird die steuerpolitische Arbeitsgruppe mit Hessens Ministerpräsident Roland Koch für die CDU/CSU und Bundesfinanzminister Peer Steinbrück für die SPD an der Spitze noch wiederholt tagen. Erst im Oktober und November soll es an die konkrete Formulierung des Gesetzentwurfs gehen. Dies hat Steinbrück angekündigt. Der Zeitplan erlaubt vorläufige Entwarnung für die Anleger. Da die Reform erst Anfang 2008 in Kraft treten soll, bleibt im Jahr 2007 Zeit genug, um zu reagieren. Fehlende RückendeckungIm Hause Steinbrück sind die Vorstellungen indessen deutlich konkreter als der Beschluss von Koalitionsspitze und Kabinett. Dass sich beide Gremien aber nicht zu mehr durchringen konnten als zu der mageren Erklärung, eine Abgeltungssteuer einzuführen, zeigt, dass Steinbrück bisher keineswegs auf Rückendeckung aus den Regierungsfraktionen für sein Konzept zählen kann. Zudem müssen die Länder mit ins Boot, weil das Gesetz den Bundesrat passieren muss. Dort sind vor allem die Befürchtungen groß, dass die Reform bei einer zu großen Entlastung der Anleger zu teuer werden könnte. Steinbrücks Konzept sieht vor, Zinsen, Dividenden und private Veräußerungsgewinne bei Wertpapieren einer Abgeltungssteuer zu unterwerfen. 2008, im ersten Jahr der Reform, soll der Steuersatz 30 % betragen und im Folgejahr auf 25 % sinken. Da der Solidaritätszuschlag von 5,5 % auf die Steuerschuld erhalten bleiben soll, läge die Belastung tatsächlich bei 31,65 % und 26,38 %.Damit die Reform für den Fiskus nicht zu teuer wird, will Steinbrück private Veräußerungsgewinne, die bislang nach zwölf Monaten steuerfrei bleiben, künftig mit der Abgeltungssteuer belasten. Zudem sollen Verluste nur noch mit Gewinnen aus Kapitalerträgen verrechenbar sein, aber nicht mehr mit anderen Einkunftsarten. Immobilien soll außen vor bleiben. Dividenden mehr belastenBei Dividenden soll dem Konzept Steinbrücks zufolge das Halbeinkünfteverfahren fallen, nach dem bislang nur die Hälfte der Dividende der Besteuerung unterworfen wird. Selbst für Anleger in hohen Steuerklassen greift der Fiskus damit bei Dividendenpapieren stärker zu als bisher. Von einer Dividende von 100 Euro bleiben bei einem Steuersatz von 40 % (ohne Solidaritätszuschlag) mit Halbeinkünfteverfahren heute 80 Euro nach Steuern. Künftig wären es nur noch 70 Euro bzw. 75 Euro. Eine echte steuerliche Entlastung würde die Abgeltungssteuer allerdings für Anleger mit hohen Steuersätzen bei Erträgen aus Zinspapieren bedeuten. Völlig offen bleibt in Steinbrücks Konzept bislang, wie Investmentfonds oder hybride Produkte behandelt werden sollen. Wer mit seinem Steuersatz unterhalb der Abgeltungssätze von 30 % bzw. 25 % liegt, zahlt drauf. Deshalb will Steinbrück für solche Anleger mit einem niedrigeren Steuersatz die Option schaffen, sich weiterhin steuerlich individuell veranlagen zu lassen. Zu weniger Bürokratie führt dieser Schritt indessen nicht. Die Steuerpflichtigen müssten damit dennoch eine Steuererklärung abgeben, und die Kreditinstitute wären weiterhin in der Pflicht, Erträgnisaufstellungen zu liefern.Nicht einmal Konturen zeichnen sich für die Frage ab, wie die Besteuerung von Veräußerungsgewinnen aussehen könnte. Nach den Vorstellungen von Michael Meister, Fraktionsvize der CDU/CSU, kann eine solche Regelung nicht rückwirkend eingeführt werden. Damit wären nur Kursgewinne zu versteuern, die nach dem 1. Januar 2008 entstehen. Zusätzliche Einnahmen für den Fiskus bauen sich damit jedoch erst sukzessive auf. Deshalb wäre es durchaus denkbar, dass Steinbrück eine rückwirkende Regelung erwägt. Diese würde auf jeden Fall einen Stichtag benötigen. Je weiter dieser zurückliegt, desto schwieriger ist es, historische Anschaffungskurse nachzuweisen. Bei verschiedenen Käufen ein und desselben Papiers müsste zudem eine Aufstellung über die Anschaffungszeitpunkte und -kurse verfügbar sein. Auf die Kreditwirtschaft kommt damit erheblicher Verwaltungsaufwand zu. Die Abgeltungssteuer wird in den nächsten Monaten mit einer hohen Wahrscheinlichkeit für heftige Diskussionen sorgen. Immer noch unklar ist, welche Anlageformen unter die Abgeltungssteuer fallen. So sind aktuell die Kapitalversicherungen davon verschont. Nicht bekannt ist die zukünftige Besteuerung bei Immobilien und Schiffsbeteiligungen. Man darf gespannt sein, welche Ausnahmen es geben wird. Die Fondsbranche möchte für Transaktionen auf Fondsebene beispielsweise von der Abgeltungssteuer befreit werden. Sollte das nicht geschehen, dürfte es zukünftig in Deutschland deutlich weniger zugelassene Aktienfonds geben. Wird sie tatsächlich von der Abgeltungssteuer befreit, wäre das ein immenser Vorteil für diese Anlageklasse und ihre Anleger. Diese dürften dann erst bei der Veräußerung, möglicherweise erst im Rentenalter, vom Finanzamt zur Kasse gebeten werden. Der Anleger von Fondsanteilen hat damit einen sehr großen Vorteil gegenüber dem direkten Aktionär oder dem Investor von Zertifikaten. Von einem puren Aktionismus als Reaktion auf das Konzept ist den Anlegern allerdings abzuraten. Es handelt sich zunächst um Vorschläge. Bis zur Vorlage des endgültigen Gesetzentwurfs bleibt also noch genügend Zeit, sich zu positionieren.