Kapitalanlage

Absicherung gegen hohe Gesundheitskosten

Stark steigende Aufwendungen für medizinische Versorgung belasten Verbraucher - Gegenmittel Aktien

Absicherung gegen hohe Gesundheitskosten

Von Sascha Magsamen, FrankfurtIn der ersten Hälfte unseres Lebens opfern wir unsere Gesundheit, um Geld zu verdienen. In der zweiten Hälfte unseres Lebens opfern wir das Geld, um unsere Gesundheit wiederzuerlangen. Das Zitat stammt vom französischen Schriftsteller und Philosophen Voltaire. Gesundheit war in Deutschland seit Einführung der Sozialversicherung durch Otto von Bismarck ein primär staatlich organisiertes und größtenteils finanziertes Gut. Das deutsche Gesundheitssystem galt und gilt im globalen Vergleich als vorbildlich. Da die hochwertige Versorgung kostenintensiv ist, hat dies aufgrund der sinkenden Zahl von Einzahlern zu einem Beinahe-Kollaps der umlagenfinanzierten Sozialversicherung geführt. Somit sind Zuzahlungen und Eigenanteile von der Ausnahme zur Regel geworden und belasten des Bundesbürgers Tasche empfindlich. Doch wo Probleme sind, locken auch Chancen. Private Investoren können sich mit Engagements im Gesundheitssektor quasi eine Absicherung gegen steigende Vorsorge- und Gesundheitskosten schaffen. Breites Spektrum für HedgesDie Idee eines privaten Hedge erscheint sicherlich auf den ersten Blick gewöhnungsbedürftig, da Anleger neben den bisher schon zu zahlenden Kosten für Kranken- und Pflegeversicherung sowie Zuzahlungen auch noch freie Liquidität für Aktien aus diesem Sektor abzwacken sollen. Doch der Gedanke hat Substanz, denn die zig Milliarden an jährlichen Ausgaben für Arzneimittel, Arztbesuche, medizinische Hilfsmittel oder Therapien landen auf der anderen Seite zu etwa einem Drittel bei börsennotierten Gesellschaften, deren Aktionäre von steigenden Gesundheitskosten indirekt profitieren. Den Rest vereinnahmen staatliche oder private Organisationen. Nach einem groben Raster lässt sich dabei in Biotechnologiegesellschaften, Pharmahersteller, Geräte- und Produktlieferanten sowie Klinikanbieter unterteilen. Aufgrund der nur schwer zu beurteilenden Zukunftsaussichten im Biotechsektor empfiehlt sich hier – wenn überhaupt – der Einsatz von Fonds, da der Einzelbetreuungsaufwand für Sparer zu groß ist. Pharmahersteller, wie etwa Novartis, Merck, Stada und Schwarz Pharma, unterliegen aufgrund der Produktzyklen gewissen Schwankungen, erzielen per saldo jedoch seit Jahren steigende Umsätze und Erträge. Für diese liquiden und von Analysten gut beobachteten Aktien, die zudem von den Medien ständig begleitet werden, hält sich der Aufwand für Privatinvestoren in Grenzen. Sinnvoll erscheinen neben Direktinvestments in solche Titel auch Branchenfonds oder spezielle Derivate, wie etwa das aktiv verwaltete “Generika Select”-Zertifikat von ABN Amro. Unter den Geräte- und Produktlieferanten stechen Gesellschaften wie Fresenius Medical Care (Dialyseeinrichtungen), UMS (Mietgeräte) und Pulsion (Diagnosesteuerungssysteme) hervor. Konstante Cash-flows und hohe Markteintrittsbarrieren zeichnen diese Unternehmen aus, verleihen den Aktien Attraktivität. Die vierte Gruppe im Gesundheitsmarkt sind die Kliniken. Dieser Sektor ist größtenteils durch staatliche Einrichtungen geprägt und dürfte langfristig am stärksten von den bevorstehenden Umwälzungen des deutschen Gesundheitssystems profitieren. Warum? 280 gesetzliche und 49 private Krankenkassen sind zu viel, die Industriekonsolidierung wird sich bei zunehmender Finanzknappheit fortsetzen. Der Investitionsstau in den hierzulande zu gut zwei Dritteln staatlich oder karikativ geführten Kliniken und Heimen ist täglich spürbar und stellt die Träger vor Finanzierungsprobleme. Die Gewinner dürften, wie in anderen Branchen in der Vergangenheit zu beobachten, die privaten Anbieter sein. Vorreiter Rhön Klinikum Hartmut Schmidt, selbständiger Analyst, gilt im Markt als erste Anlaufstation in Sachen Klinikaktien. Er votiert daher bei fünf von sieben Titeln (siehe Tabelle) für “Kaufen”. Lediglich bei Maternus (Großaktionärswechsel) und Euromed (Kostenträgerschaft unklar) spricht er eine vorsichtige “Halten-“Empfehlung aus. Das Grundproblem der am Kapitalmarkt wenig beachteten Klinik-Aktien sind deren geringe Liquidität (außer bei MDax-Mitglied Rhön Klinikum), die schwache Eigenkapitalausstattung sowie der kapitalintensive Immobilienbestandteil. Als solides Investment erscheint einzig Branchenprimus Rhön mit seinen 39 Häusern und 11 552 Betten. Kennzahlen wie 46 % Eigenkapitalquote, 18,3 % operative Marge und 7,7 % Netto-Marge gefallen. Am Freitag schloss die Aktie auf einem 52-Wochen-Hoch mit 52,68 Euro. Auslandsanbieter drängelnDie hierzulande börsennotierten Klinikbetreiber sind im internationalen Vergleich kleine Lichter. So bringt es die HCA Hospital of America auf einen Börsenwert von 17,38 Mrd. Euro, der freie Cash-flow pro Jahr beträgt rund 775 Mill. Euro. Die Gesellschaft betreibt alleine 183 Krankenhäuser in den USA, Großbritannien und der Schweiz und könnte mittelfristig auch auf dem deutschen Markt eine Rolle spielen. Die Deutschland-Expansion hat Sunrise Senior Living, ein Anbieter von altengerechtem Wohnen, bereits getätigt. So werden 2005 zwei Häuser im gehobenen Preissegment in Hamburg und Umgebung eröffnet. Branchenkenner trauen der finanzstarken Sunrise-Gruppe, die ihre Immobilien via Sale-Lease-Back-Verfahren aus der Bilanz verbannt und damit die Mittelbindung deutlich reduziert hat, eine führende Rolle hierzulande zu. Vor allem Sunrise hat es verstanden, mit seinen hochpreisigen Wohnangeboten für Senioren das Voltairesche Zitat mit Leben zu füllen.